Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Versuch und Rücktritt

Unmittelbares Ansetzen zur grausamen Tötung

Unmittelbares Ansetzen zur grausamen Tötung

30. Juni 2025

11 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T ist fest entschlossen, O zu töten. Dafür entführt er O und kettet ihn an einen Heizkörper. Er fängt an, diesen immer wieder bis zur Bewusstlosigkeit zu würgen und zwischendurch zu schlagen. Dabei möchte er sich 5 Tage Zeit bis zur Tötung nehmen und den O immer wieder würgen und schlagen. Am Abend des ersten Tages kann O fliehen.

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Einordnung des Falls

Unmittelbares Ansetzen zur grausamen Tötung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch eines Mordes (§§ 212 Abs. 1 StGB, 211 StGB) ist strafbar.

Ja!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Mord ist ein Verbrechen und daher der Versuch eines solchen strafbar (§§ 211 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB).
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2. T hat Tatentschluss bezüglich eines Mordes (§§ 212 Abs. 1, 211 StGB).

Genau, so ist das!

Tatentschluss ist der subjektive Tatbestand des Versuchs. Er umfasst den auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale gerichteten Vorsatz sowie sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale. Der Täter hat Tatentschluss, wenn er endgültig entschlossen ist, den Deliktstatbestand zu verwirklichen. Dabei wird zur bloßen Tatgeneigtheit abgegrenzt. T plant O zu töten. Nach der Rechtsprechung des BGH ist es für die Grausamkeit ausreichend, dass Misshandlung und Tötung in einem Zusammenhang stehen. Die Misshandlung selbst muss nicht der Tötung dienen. Dies entspricht der Vorstellung des T, sodass Tatentschluss vorliegt.

3. Das objektive Tatbestandselement des Versuchs liegt im unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung (§ 22 StGB).

Ja, in der Tat!

Das unmittelbare Ansetzen liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle des „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet und objektiv Handlungen vornimmt, die nach seiner Vorstellung von der Tat bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen..

4. T hat nach Ansicht des BGH durch die Entführung „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“.

Ja!

Nach der Vorstellung des T sollte der Tatbestandserfolg erst in 4 Tagen herbeigeführt werden. Es fehlt daher an einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang. Auch fehlt der finale Willensimpuls zur Tötung, sodass die Schwelle zum „Jetzt-geht-es-los“ noch nicht überschritten wurde. Eine unmittelbare Gefährdung für das Leben als solches lag noch nicht vor. Der BGH hat dennoch entschieden, dass die zeitliche Komponente aufgrund einer wertenden Betrachtung derart an Bedeutung verliere, dass ein unmittelbares Ansetzen vorliege. Durch die Freiheitsentziehung wollte der Täter gerade die Vollendung der Tötung absichern, sodass bereits eine konkrete Gefährdung gegeben sei (RdNr. 12).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

GEAS

Geasoph

30.9.2021, 15:28:14

Wenn der BGH mal wieder allein auf Grundlage einer wertenden Betrachtung urteilt, nur um Menschen doch noch bestrafen zu können 🙄

PH

Philippe

3.5.2022, 21:38:33

Das unmittelbare Ansetzen hat immer ein wertendes Element. Mein Mitleid mit dem Täter hält sich in Grenzen.

YO

yolojura

25.6.2022, 19:06:18

Es geht hier nicht um Verständnis oder Milde für den Täter, sondern darum, dass sich der BGH hier ohne eine sachliche Begründung von seinen selbstentwickelten Tatbestandmerkmalen entfernt und stattdessen eine "wertende Betrachtung" erfindet.

EB

Elias Von der Brelie

28.5.2023, 16:30:41

Tut mir leid dass ich hier als leie dazwischen funke, aber was genau ist hier mit einer "wertenden Betrachtung" gemeint? Ich verstehe das erste Argument von dem BGH nicht.

DAV

David

10.11.2023, 11:09:35

Ich glaube gerade beim grausamen Mord sagt die Rspr., dass das unmittelbare Ansetzen hier nicht von einer Lebens

gefahr

abhängt, sondern bereits mit der ersten mit

Tötungsvorsatz

ausgeführten Körperverletzung beginnt, weil sich gerade der Mord aus Grausamkeit durch eine enorme zeitliche Streckung auszeichnet, um dem Opfer über längere Zeit erhebliche Schmerzen und Qualen zuzufügen. Das ist aus meiner Sicht die dahinterstehende Wertung

Inkognito

Inkognito

22.4.2025, 12:15:59

Da müssen wir alle uns nun mal fragen, was uns lieber ist. Natürlich kann man hier eine dogmatische Verfehlung sehen, aber zuletzt existiert das Strafrecht nun mal auch, damit Opfern Gerechtigkeit zuteil wird. Und ein dogmatischer Verstoß mag vielleicht für uns Juristen unerträglich sein, aber dass jemand der einen anderen 5 Tage lang zu Tode quälen wollte durch bloßes Glück besser davonkommt wäre wahrscheinlich für alle Menschen und vor allem das Opfer unerträglich.

WAYA

WayanMajere

5.6.2025, 21:19:49

Die meisten "merkwürdigen" BGH Entscheidungen lassen sich durch den Versuch erklären, materieller Gerechtigkeit genüge zu tun.


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