„Passauer Giftfalle“
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Bei Apotheker T wurde in letzter Zeit mehrfach nach Ladenschluss (20 Uhr) eingebrochen. Aus Frust stellt er nach dem Mittagessen mit Tötungsvorsatz eine mit tödlicher Menge vergiftete Flasche Bier auf, davon ausgehend, dass die Einbrecher in der Nacht davon trinken. Er informiert auch die ermittelnden Polizeibeamten, um diese nicht zu gefährden. Diese überreden ihn daraufhin, das Gift zu entfernen, was T noch am selben Nachmittag tut.
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Einordnung des Falls
„Passauer Giftfalle“
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Versuch eines Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) ist strafbar.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hat „Tatentschluss“ bezüglich eines Totschlags.
Ja, in der Tat!
3. Das objektive Tatbestandselement des Versuchs liegt im unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung (§ 22 StGB).
Ja!
4. T hat nach dem BGH durch das Hinstellen des vergifteten Getränkes „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Die Ansicht des BGH ist unumstritten.
Nein, das trifft nicht zu!
6. Nach derjenigen Ansicht, die den Abschluss aller Vorbereitungshandlungen für ausreichend hält, wäre ein unmittelbares Ansetzen zu bejahen.
Ja!
7. Es läge auch nach derjenigen Ansicht ein unmittelbares Ansetzen vor, die über den Abschluss der Vorbereitungshandlung hinaus verlangt, dass der Täter nun jederzeit mit dem Erfolgseintritt rechnet.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
🦊LEXDEROGANS
7.5.2021, 07:19:26
Im konkreten SV (anders vllt. im Fall vor dem BGH ist weder die Rede von einer konkreten noch Zeit noch von Nachtzeit im Allgemeinen. Ein Abstellen auf die Uhrzeit erscheint m. E. verfehlt.
Lukas_Mengestu
10.5.2021, 19:45:57
Hallo lexderogans, der Ausgangsfall spielte tatsächlich ausschließlich in der Nacht. Wir haben ihn etwas angepasst, um noch deutlicher zu machen, dass mit einem Erscheinen des "Opfers" nicht zu rechnen ist, da bereits im Laufe des Tages das Gift entfernt wurde. Um den zeitlichen Ablauf nun noch deutlicher zu machen, haben wir den Fall aber noch um einige Zeitangaben ergänzt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Timo TeNkS
9.5.2022, 17:25:46
Der Fall kam in der letzten Examenskampagne in BaWü dran. :)
Timo TeNkS
9.5.2022, 17:26:32
Bzw das Problem.
Lukas_Mengestu
9.5.2022, 18:40:05
Danke für den Hinweis, Timo. Die
Passauer Giftfalleist tatsächlich ein echter Examensklassiker. Haben wir nun auch entsprechend getagged. Danke Dir :-) Beste Grüße, Lukas
CH1RON
13.5.2022, 12:43:12
„Die Ansicht des BGH ist unumstritten“ - pure gold
Jonas22
10.7.2023, 11:25:58
Super Aufgabe! Aber könntet ihr vielleicht noch ein paar Argumente für/gegen die jeweiligen Ansichten hinzufügen? Weil wenn die Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, müsste in der Klausur ja auch argumentiert werden.
Charliefux
20.8.2024, 09:07:43
Die Idee finde ich auch ein Jahr später noch gut :)
Magnum
1.11.2024, 13:00:35
In der Lösung wird erläutert, dass der BGH danach differenziert, ob das Erscheinen des Opfers sicher ist. Sofern es sicher ist, läge das Ansetzen schon im Abschluss der
Tathandlung. Das würde doch der zweiten dargelegten Meinung entsprechen, die den Abschluss aller Vorbereitungshandlungen fordert, oder? Wenn das Erscheinen unsicher ist, fordert der BGH ja dagegen das Eintreten des Opfers in den Gefahrenkreis. Diese Differenzierung leuchtet mir nicht ein. Der Abschluss der Vorbereitungshandlungen ist ja noch sehr weit entfernt von einer tatsächlichen Gefährdung des Opfers, das ja aber das Argument für die Differenzierung zu sein scheint. Insofern finde ich das Vorgehen des BGH widersprüchlich. Könnte mir da jemand auf die Sprünge helfen?
Leo Lee
3.11.2024, 11:19:54
Hallo Magnum, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Vorab: Du liegst mit dem Gefühl, dass die zweite dargelegte Meinung und die Ansicht des BGH nah beieinanderliegen, völlig richtig. Der Unterschied (der zumindest nach der dargelegten Meinung behauptet wird), liegt aber in der Perspektive: Der BGH stellt darauf a, dass das Opfer sich objektiv in den Wirkungskreis des Täters sich begibt. D.h., dass erst dann unm. angesetzt wird, wenn die Täter auch eigentlich erscheinen und gerade dabei sind, das Bier zu trinken. Die zweite dargelegte Meinung ist in dem Aspekt, dass das Opfer sogleich gefährdet wird zwar deckungsgleich mit dem BGH. Allerdings betrachtet diese Ansicht das ganze Geschehen aus dem Blickwinkel des Täters. Hiernach ist also unerheblich, ob die Opfer tatsächlich dabei sind, das Bier zu trinken, solange der Täter nicht davon ausgeht, dass sie das tun werden. Anders gilt auch: Sobald der Täter mit dem Eintritt des Erfolgs rechnet, hat er unm. angesetzt, selbst wenn die Täter nicht erscheinen sollten (da hier die Vorstellung des Täters maßgeblich ist). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 5. Auflage, Hoffmann-Holland § 22 Rn. 103 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo