Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Versuch und Rücktritt
Unmittelbares Ansetzen bei Qualifikationstatbeständen 3
Unmittelbares Ansetzen bei Qualifikationstatbeständen 3
26. April 2025
27 Kommentare
4,8 ★ (23.804 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

T will sich an O rächen. Dafür lockt sie O in eine Zelle und möchte diese per Fernzündung abschließen. Sie plant, O in der Zelle verhungern zu lassen. Die Fernzündung versagt, da T die Batterien vergessen hat.
Diesen Fall lösen 91,4 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Unmittelbares Ansetzen bei Qualifikationstatbeständen 3
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Versuch einer Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1 StGB) ist strafbar.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hat „Tatentschluss“ bezüglich einer Freiheitsberaubung.
Ja!
3. T hat durch das Betätigen der Fernzündung „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“ in Bezug auf die Freiheitsberaubung.
Genau, so ist das!
4. Der Versuch einer Freiheitsberaubung mit Todesfolge (§ 239 Abs. 4 StGB) ist strafbar und T hatte Tatentschluss.
Ja, in der Tat!
5. T hat durch das Betätigen der Fernzündung „unmittelbar angesetzt“ zu einer Freiheitsberaubung mit Todesfolge.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Martymcfly
22.3.2021, 23:21:12
Ich verstehe in diesem Fall nicht ganz, warum eine Antwort falsch sein kann, wenn Ihr schreibt, dass die andere Ansicht gut vertretbar ist. Woher soll man wissen, wofür ihr euch bei 2 vertretbaren Meinungen entschieden habt? Liebe Grüße

Lukas_Mengestu
25.3.2021, 09:29:46
Lieber Martymcfly, du hast natürlich recht, dass es bei zwei vertretbaren Meinungen schwer ist, eine davon als "falsch" zu bewerten. Anders als zB in der Mathematik gibt es eben häufig nicht nur einen möglichen Lösungsweg. Insofern müssen wir im Hinblick auf die Fragen manchmal Kompromisse machen. Grundsätzlich folgen wir in unseren Fällen der sog. herrschenden Meinung und der Rechtsprechung des BGH. In Fällen wie dem vorliegenden, in dem es nicht um einen Grundsatzstreit, sondern um eine Subsumption im Einzelfall geht, wählen wir das Ergebnis, für das aus unserer Sicht die besten Argumente streiten. Auch die Lösungsskizzen in Klausuren weisen idR nicht nur eine einzige Lösung aus, sondern geben an, dass - mit entsprechender Begründung - auch andere Lösungen vertretbar sind.

Lukas_Mengestu
25.3.2021, 09:34:10
Aus diesem Grund haben auch wir den entsprechenden Hinweis auf andere Ansichten aufgenommen. Letztlich müssen wir uns indes für eine Lösung entscheiden. Schließlich noch der Hinweis, dass eine Abweichung von der Lösungsskizze dann auch eine hinreichend tiefe Begründung notwendig macht, da man sonst häufig dafür kritisiert wird, dass es an der nötigen "Begründungs-/Eindringtiefe" fehle. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
FF0815
21.7.2022, 20:59:39
Schade. Völlig einen ewig langen Streak kaputt gemacht. Wenn eine a.M. vertretbar ist programmiert doch bitte beide Buttons als richtige Antwort :)
Barbara Salesch
28.4.2022, 22:50:08
Könnte man hier nicht grundsätzlich einen untauglichen Versuch annehmen? In einem mangels Batterien nicht funktionstüchtigen Fernzünder könnte ja durchaus ein untaugliches Tatmittel liegen?

Lukas_Mengestu
29.4.2022, 15:22:17
Hallo Barbara Salesch, das kann man durchaus. Das ändert aber zunächst nichts an der Strafbarkeit der Handlung. Denn aus § 23 Abs. 3 StGB folgt, dass auch der untaugliche Versuch strafbar ist (und lediglich die Strafe gemildert bzw. von ihr abgesehen werden kann). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Sniter
23.12.2022, 17:21:21
Macht es nicht mehr Sinn, diesen Fall in ein neues Level mit dem Namen "
Unmittelbares Ansetzenbei Erfolgsqualifikationen" zu verschieben? Ich finde es sehr verwirrend, wenn § 239 IV hier als Qualifikation benannt wird...

Nora Mommsen
3.1.2023, 16:22:18
Hallo Sniter, danke für dein Feedback. Wir machen es uns nicht leicht, mit der Frage der Unterteilung der Kapitel. Es gibt auch noch einiges zu Erfolgsqualifikationen. Auch wenn wir uns bemühen alles so kleinschrittig wie möglich darzustellen, bleibt es manchmal nicht aus auch neue Dinge anzusprechen wenn sie relevant werden. Wir nehmen deine Rückmeldung nochmal mit für die Unterteilung neuer Kapitel. :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Natze
1.2.2024, 22:43:33
Ich stehe auf dem Schlauch: Müsste nicht bei dem 239 IV der Erfolg, der tod, nicht auch tatsächlich eingetreten sein? ich hätte intuitiv neben den versuchten 239 I an den versuchten 211/212 gedacht (in Tateinheit!?) und dann das unmittelbare ansetzen verneint.
Leo Lee
3.2.2024, 18:01:44
Hallo Natze, vielen Dank für die sehr gute Frage! Für den § 239 IV als „normaler“
Vollendungstatbestand ist in der Tat – wie du richtig anmerkst – der Eintritt eines Erfolgs nötig, da § 239 IV eine Erfolgsqualifikation ist. Beachte allerdings, dass gem. § 12 Abs. 3 StGB auch solche Erfolgsqualifikationen – so denn sie ein Verbrechen darstellen oder bei Vergehen eine ausdrückliche Strafbarkeit angeordnet ist – auch „normale“ Delikte sind, die versucht werden können. Deshalb haben wir hier die Konstellation des sog. „Versuchs der Erfolgsqualifikation“ von § 239 IV (der als Verbrechen – nicht unter drei Jahren – versucht werden kann. Abgesehen davon hast du auch völlig Recht damit, dass man auch den versuchten § 211/212 anprüfen kann. Diesen Versuch würde man allerdings BEJAHEN, da T bereits die Schwelle zum jetzt-geht’s los überschritten hat, da sie nur noch auf den Knopf drücken musste und dies auch getan hat! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-StGB 4. Auflage, Wieck-Noodt § 239 Rn. 48 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Natze
4.2.2024, 00:00:47
Vielen Dank! Dann bin ich gedanklich falsch abgebogen :)

sa
19.4.2025, 14:01:04
Wie steht dann der versuchte 212/211 zu, versuchten 239 IV?
Katharina
27.9.2024, 11:41:29
Liebes Jura-Fuchsteam. Könntet ihr bitte anlässlich dieses Falles im StrafR AT auch einen Bereich zum Überblick für Qualifikationen, minder schwere Fälle etc. und deren Anwendbarkeit erstellen? Das wäre als Übersicht sehr hilfreich! Vielen Dank im Voraus!

Linne_Karlotta_
10.10.2024, 18:15:47
Hallo Katharina, vielen Dank für Deinen Vorschlag! Wir haben ihn notiert und werden in einer der nächsten Redaktionssitzungen prüfen, inwiefern wir hierzu unsere Lerninhalte entsprechend anpassen bzw. noch weitere Aufgaben mit aufnehmen können. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team

freepalestine
7.11.2024, 10:29:17
Heißt das, dass die subjektive Sicht des Täters maßgeblich ist für das unmittelbare Ansetzen? Also auch bzgl. der weiteren Zwischenschritte etc.?
ehemalige:r Nutzer:in
26.12.2024, 19:50:31
Es ist eine Mischung aus subjektiven und objektiven Komponenten. Objektiv wird betrachtet, ob weitere Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung nötig sind. Subjektiv ist dabei die Vorstellung des Täters maßgeblich. -> Beispiel: Der Täter will das Opfer töten und stürmt in eine Wohnung in der Vorstellung, das Opfer sei noch dort. In Wirklichkeit ist niemand in der Wohnung. -> Subjektiv ist die Sichtweise des Täters heranzuziehen, also die Perspektive, dass das Opfer noch in der Wohnung ist. -> Objektiv ist nun zu ermitteln, ob noch wesentliche Zwischenschritte zur Tötung nötig wären, wäre das Opfer wirklich in der Wohnung. Das wäre hier zu verneinen, der Täter hätte also unmittelbar angesetzt.
Paul Hendewerk
27.2.2025, 13:00:47
Ja, die subjektive Sicht des Täters ist beim Versuch maßgeblich. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 22 StGB: "wer nach seiner Vorstellung von der Tat...". Das bedeutet, der Täter muss zur Bejahung des unmittelbaren Ansetzens nach § 22 StGB Handlungen vornehmen, die aus seiner Sicht (!) bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenakte zur Tatbestandsverwirklichung führen.
Tin
6.2.2025, 08:30:24
Hallo, müsste man denn hier nicht die Untauglichkeit des Versuchs ansprechen ? Das ändert zwar nichts am Ergebnis, würde ich jedoch für relevant halten, da das Betätigen des Knopfes nicht zum erstrebten Erfolg hätte führen können.