Unmittelbares Ansetzen bei Qualifikationstatbeständen 5


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T will sich an O rächen und diesen in einer Zelle einsperren. Dafür lockt sie O in eine Zelle und möchte diese per Fernzündung abschließen. Sie plant O mindestens 1 Monat festzuhalten. Die Fernzündung versagt, da T die Batterien vergessen hat.

Einordnung des Falls

Unmittelbares Ansetzen bei Qualifikationstatbeständen 5

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch einer Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1 StGB) ist strafbar.

Ja!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Freiheitsberaubung ist ein Vergehen und daher nur im Versuch strafbar, da die Strafbarkeit ausdrücklich bestimmt ist (§§ 12 Abs. 2, 239 Abs. 2 StGB).

2. T hat „Tatentschluss“ bezüglich einer Freiheitsberaubung.

Genau, so ist das!

Tatentschluss ist der subjektive Tatbestand des Versuchs. Er umfasst den auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale gerichteten Vorsatz sowie sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale. Der Täter hat Tatentschluss, wenn er endgültig entschlossen ist, den Deliktstatbestand zu verwirklichen. Dabei wird zur bloßen Tatgeneigtheit abgegrenzt. T ist fest entschlossen eine Freiheitberaubung zu begehen.

3. T hat durch das Betätigen der Fernzündung „unmittelbar angesetzt“ zu einer Freiheitsberaubung.

Ja, in der Tat!

Das objektive Tatbestandselement des Versuchs liegt im unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung (§ 22 StGB). Das unmittelbare Ansetzen liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle des „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet und objektiv – unter Zugrundelegung seiner Vorstellung – Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. T hat gedacht, dass sie den O durch das Betätigen des Fernzünders einsperren würde. Sie hat nach ihrer Vorstellung alles zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan, ohne dass weitere Zwischenakte erforderlich wären. T hat unmittelbar angesetzt.

4. Der Versuch einer über eine Woche dauernde Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB) ist strafbar und T hatte Tatentschluss.

Ja!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Die über eine Woche dauernde Freiheitsberaubung ist ein Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB). T hatte Tatentschluss bezüglich der über eine Woche dauernden Freiheitsberaubung. § 12 Abs. 3 StGB gilt lediglich für schwere Fälle und minder schwere Fälle. Qualifikation stellen eigene echte Tatbestände dar und können daher Verbrechen darstellen; dies gilt auch für Erfolgsqualifikationen. § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB ist daher bereits im Versuch strafbar.

5. T hat nach der herrschenden Ansicht durch das Betätigen der Fernzündung „unmittelbar angesetzt“ zu einer über eine Woche dauernden Freiheitsberaubung.

Genau, so ist das!

Es ist problematisch, ab wann in derartigen Fällen auch zu der Qualifikation angesetzt wird. Die Qualifikation stellt einen eigenen Tatbestand dar und damit eigenes Unrecht, sodass von dem Grundtatbestand nicht auf die Qualifikation geschlossen werden kann. Im konkreten Fall des § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB ist es umstritten, ob das unmittelbare Ansetzen mit dem Grundtatbestand zusammenfällt oder ob ein unmittelbares Ansetzen erst kurz vor der Überschreitung der Wochengrenze vorliegt. Nach der herrschenden Ansicht liegt ein unmittelbares Ansetzen vor, wenn die Freiheitsberaubung beginnt. Indem T den Fernzünder betätigte, hat sie unmittelbar zu einer über ein Woche dauernden Freiheitsberaubung angesetzt.

6. Nach der Mindermeinung liegt ein „unmittelbares Ansetzen“ bei § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB erst kurz vor dem Ablauf einer Woche vor.

Ja, in der Tat!

Eine Mindermeinung sieht einen Versuch erst dann, wenn die Woche kurz davor ist abzulaufen. Vermutlich entscheidet sich der Streit daran, von welcher Sicht man ausgeht. Stellt man auf den Zeitraum ab, dann beginnt das Laufen der 10.800 Minuten bei Beginn der ersten Minute. Stellt man auf den Zeitpunkt ab, an dem die Woche überschritten ist, dann steht der Zeitpunkt erst kurz vor Ablauf der Woche in einem zeitlichen Zusammenhang. Stellt man auf die Zielrichtung der Qualifikation ab, dass das Gefangensein über einen solch langen Zeitraum schlimm ist und nicht das Überschreiten eines bestimmten Zeitpunktes, liegt es näher, auf diesen abzustellen. Der Wortlaut geht jedoch in die andere Richtung und stellt auf den Zeitpunkt des Überschreitens ab. Die Woche ist nicht kurz davor abzulaufen, sodass T nicht unmittelbar angesetzt hat.

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