Rücktrittshandlung 5

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Vater T lässt sein Kind O dursten. Dabei nimmt er Os Tod billigend in Kauf, wobei er denkt, dass O auch nur zwei Tage ohne Wasser aushält. Am dritten Tag gibt er ihm etwas zu trinken und ruft aus Sorge den Notarzt. Weitere Maßnahmen kommen ihm nicht in den Sinn. Später kommt heraus, dass O selbstständig regelmäßig etwas getrunken hat. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte die plötzliche Flüssigkeitsaufnahme in der konkreten Menge lebensbedrohlich sein können.

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Einordnung des Falls

Rücktrittshandlung 5

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es liegt ein versuchter Totschlag durch Unterlassen (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB) vor.

Ja, in der Tat!

T hat bedingten Vorsatz in Bezug auf die Tötung. Da T dachte, dass der Tod von O auch nach zwei Tagen hätte eintreten können, hat er spätestens dann unmittelbar angesetzt. Seine Garantenstellung ist ihm in der Verantwortung als Elternteil bewusst.
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2. T hat nach der Rechtsprechung die Tatvollendung verhindert (§ 24 Abs. 1 S. 1 Var. 2 StGB).

Nein!

Bei Unterlassungsdelikten muss der Täter durch seine Handlungen immer eine neue Kausalkette in Gang setzen, die für das Ausbleiben des Taterfolges wenigstens mitursächlich wird. Dabei muss er bei der Vornahme der Handlungen subjektiv auf die Erfolgsverhinderung abzielen. Der Taterfolg wäre auch ohne die Handlungen des T nicht eingetreten. Denkt man diese hinweg, stirbt O dennoch nicht. Diese sind daher nicht kausal.

3. T hat nach der Rechtsprechung die Anforderungen des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB eingehalten.

Genau, so ist das!

Erforderlich ist ein ernsthaftes Bemühen, die Vollendung zu verhindern. Nach der neueren Rechtsprechung liegt ein ernsthaftes Bemühen erst dann vor, wenn der Täter die Rettungsmöglichkeit vornimmt, die er selbst für am besten geeignet hält. T hat alles unternommen, was ihm in dem Sinn gekommen ist, sodass er subjektiv optimale Rettungshandlungen vorgenommen hat. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Rettungshandlungen bei zutreffendem Sachverhalt lebensbedrohlich wären. Es kommt dabei alleine auf die subjektive Vorstellung des Täters an.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JCF

JCF

12.10.2023, 12:34:08

Auch wenn das hier eine Jura- und keine Biologie-App ist: Kann mir jemand erklären, wieso die plötzliche Aufnahme von Wasser in dem dargestellten Fall tödlich sein kann?

Kiara256

Kiara256

15.8.2024, 12:23:29

Hallo JCF! Falls es dich noch interessiert: ich hab da mal ein bisschen gegoogelt. So wie es scheint ist zu viel Wasser trinken per se erstmal nicht weiter gefährlich. Kritisch wird es, wenn entweder Vorerkrankungen vorliegen, oder wenn es wirklich enorm viel Wasser (um die 23 Liter/Tag) ist und das Natrium "aus dem Blut geschwemmt" wird. Dann gibt es aber wiederum wohl schwerwiegende Symptome: Zitat von der unten verlinkten Seite: "Wenn sich die Hyperhydratation langsam entwickelt und leicht bis mittelstark ausgeprägt ist, können sich die Gehirnzellen anpassen, so dass (wenn überhaupt) nur leichte Symptome wie Zerstreutheit und Lethargie auftreten. Tritt eine Hyperhydratation rasch ein, können Erbrechen und Gleichgewichtsprobleme die Folge sein. Wenn sich die Hyperhydratation verschlimmert, kann es zu Verwirrtheit, Krampfanfällen und Koma kommen." Die Infos habe ich hier gefunden:https://www.msdmanuals.com/de-de/heim/hormon-und-stoffwechselerkrankungen/wasserhaushalt/hyperhydratation Ziemlich spannend, oder? LG :)


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