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Recht der ehelichen Gemeinschaft

Schadensersatzansprüche zwischen Ehegatten - deliktisch geschützte Rechtsgüter (Fall)

Schadensersatzansprüche zwischen Ehegatten - deliktisch geschützte Rechtsgüter (Fall)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Ehemann M holt für die Familie das Abendessen beim Italiener ab. Da sein Auto kaputt ist, nimmt er den Wagen seiner Ehefrau F. Während M die Pizzen entgegennimmt, lässt er Fs Auto unabgeschlossen stehen. Dies hätte er auch mit seinem eigenen Wagen so getan. In der Zwischenzeit entwendet ein Unbekannter das Autoradio der F.

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Einordnung des Falls

Schadensersatzansprüche zwischen Ehegatten - deliktisch geschützte Rechtsgüter (Fall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Deliktische Schadensersatzansprüche sind zwischen Ehegatten grundsätzlich ausgeschlossen.

Nein!

Zwischen Ehegatten kann es ebenso wie unter Fremden zur Verletzung der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter kommen. Trotz der engen persönlichen Verflechtung bleiben die Ehegatten im Verhältnis zueinander Inhaber der ihnen zustehenden absoluten Rechte. Deliktische Ansprüche zwischen Ehegatten sind daher grundsätzlich einklagbar und vollstreckbar. Etwas anderes gilt jedoch, wenn das Verhalten des anderen vorwiegend wegen seiner Ehewidrigkeit als persönlichkeits- oder ehrverletzend gewertet wird. Aufgrund der Wertung des § 120 Abs. 3 FamFG ist eine Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB dann ausgeschlossen.
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2. Ein Schadensersatzanspruch der F gegen M aus § 823 Abs. 1 BGB scheidet aus.

Genau, so ist das!

Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum eines anderen widerrechtlich verletzt, hafte dem anderen für den daraus entstehenden Schaden (§ 823 Abs. 1 BGB). Nach § 1359 BGB haben Ehegatten jedoch bei der Erfüllung ihrer sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen einander nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Da M das gemeinsame Abendessen abholte, handelte er in Erfüllung seiner sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen. M handelte mit seiner eigenüblichen Sorgfalt, sodass er die Eigentumsverletzung der F nicht zu vertreten hat. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB scheidet daher aus. Sofern im Sachverhalt keine Hinweise zur eigenüblichen Sorgfalt vorhanden sind, ist dem § 1359 BGB in der Regel ein Ausschluss der Haftung bei leichter und mittlerer Fahrlässigkeit zu entnehmen, vgl. § 277 BGB.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Rick-energie🦦

Rick-energie🦦

13.9.2023, 08:13:43

Wäre das anders vertretbar? Den Wagen nicht abzuschließen empfinde ich (zugegeben als Alman) eine Nachlässigkeit, die sich Jederman aufdrängt. Anders kann ich mir nicht erklären, warum die Leute selbst beim kurzen Bezahlen an der Tankstelle den Wagen abschließen, wenn es sich nicht jedem aufdrängt den Wagen stets abzuschließen.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

14.9.2023, 15:06:23

Hallo Rick-energie, beachte bitte, dass es nicht darauf ankommt, ob es sich um eine (vermeidbare) Nachlässigkeit handelt. Da würde ich dir definitiv zustimmen. Zwischen Ehegatten gilt der Maßstab der eigentümlichen Sorgfalt. Da M das mit seinem Auto genauso macht, haftet er gegenüber F diesbezüglich nur beschränkt. Eheleute müssen sich eben so nehmen wie sie sind. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Jopies

Jopies

24.12.2023, 14:03:59

Die Frage um die es hier geht (vermute ich) ist die grobe Fahrlässigkeit. Denn dort greift ja die Berufung auf die eigenübliche Sorgfalt nicht. Allerdings würde ich persönlich sie hier klar ablehnen. Er hat das Auto nur kurz unabgeschlossen gelassen um etwas zu holen. Das ist zwar definitiv unvorsichtig, aber auch nicht völlig unüblich das das Leute tun.

timstöckler

timstöckler

18.10.2023, 17:07:05

Ist es hier nicht vertretbar, das Nichtabschließen des Autos als objektiv grob fahrlässig anzusehen und damit wegen § 277 BGB den Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB durchgehen zu lassen?

Dogu

Dogu

11.1.2024, 12:48:13

Fünf Minuten das Auto nicht abzuschließen, ist für mich nicht grob fahrlässig. Das ist ja ein strenger Maßstab.

Kai

Kai

31.1.2024, 14:12:53

Wieso findet die Einschränkung der Anwendung der eigenüblichen Sorgfalt hier keine Anwendung? Zwar ist das Auto hier abgestellt, Straßenverkehr umfasst aber wohl nicht zwingend nur den fließenden, sondern auch den ruhenden Verkehr (so im Strafrecht z.B. Zopfs, in: MüKo-StGB § 142, Rn. 33). Dadurch, dass er das Auto hier unabgesperrt lässt, wird die Gefahr z.B. einer ungerechtfertigten Teilnahme am Straßenverkehr ja erhöht. Greift die Sonderregel zum Straßenverkehr hier nicht, weil sich beim Diebstahl des Radios keine für den Verkehr typische Gefahr verwirklicht oder hat das einen anderen Grund? Bin ein wenig verwirrt, weil die Einschränkung im Kontext des Straßenverkehrs in der Lösung gar nicht erwähnt wird.

MAX06

max06

17.5.2024, 20:52:51

Ich hätte den ruhenden Verkehr gerade deshalb nicht umfasst, da die Rspr. die Straßenverkehrsausnahme nur entwickelte, weil es aufgrund der Gefährlichkeit (egal ob öffentlicher oder nichtöffentlicher Straßenverkehr) nicht angemessen ist (vgl. Haftungstatbestände StVG), dass man nur eigenübliche Sorgfalt walten lassen muss. Diese Gefährlichkeit sehe ich (und das StVG) nicht unbedingt in Bezug auf den ruhenden Verkehr. Gutes Systematisches Argument wäre auch die Verkehrsspezifität bei der Haftung Minderjähriger nach § 828 BGB, Stichwort "Gefahr des fließenden Verkehrs".


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