Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Täterschaft und Teilnahme

"Täter hinter dem Täter" 4 – Irrtum über Unrechtsqualifizierung

"Täter hinter dem Täter" 4 – Irrtum über Unrechtsqualifizierung

12. Februar 2025

15 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

H veranlasst T zu einer Brandstiftung. Sie redet T jedoch ein, das Gebäude sei kein Wohnhaus. Tatsächlich handelt es sich - wie H genau weiß - um ein solches.

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Einordnung des Falls

"Täter hinter dem Täter" 4 – Irrtum über Unrechtsqualifizierung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T das Gebäude in Brand setzte, hat sie sich wegen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB) strafbar gemacht.

Ja, in der Tat!

T hat vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft ein Gebäude in Brand gesetzt und sich daher wegen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB) strafbar gemacht.
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2. T hat sich auch wegen schwerer Brandstiftung (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB) strafbar gemacht.

Nein!

T hat ein Gebäude in Brand gesetzt, das der Wohnung von Menschen dient, und daher den objektiven Tatbestand der schweren Brandstiftung (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB) erfüllt. Jedoch wusste sie nicht, dass es sich um ein Wohngebäude handelt, sodass sie diesbezüglich nicht vorsätzlich handelte. Dadurch entfällt der subjektive Tatbestand gemäß § 16 Abs. 1 StGB und somit auch eine Strafbarkeit gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB.

3. T handelte volldeliktisch. Daher scheidet eine mittelbare Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) der H immer aus.

Nein, das ist nicht der Fall!

Mittelbare Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) setzt nach der Rspr und hL (1) in der Regel voraus, dass (a) der Tatmittler ein "Defizit" hat, d.h. bei diesem auf der Tatbestands-, Rechtswidrigkeits- oder Schuldebene ein Strafbarkeitsmangel vorliegt und (b) der Hintermann Tatherrschaft bzw. Täterwillen hat. (2) Alternativ liege mittelbare Täterschaft auch ohne Defizit des Tatmittlers in den Konstellationen des „Täters hinter dem Täter“ vor, d.h. bei (a) der Ausnutzung von Irrtümern über den Handlungssinn, die sich nicht auf die Strafbarkeit des Tatmittlers auswirken, und (b) der Organisationsherrschaft. Nur eine Mindermeinung schließt es generell aus, einen vollverantwortlichen Täter zugleich als Werkzeug eines anderen zu sehen (Verantwortungsprinzip).

4. H hat sich nach hM wegen schwerer Brandstiftung in mittelbarer Täterschaft (§§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) strafbar gemacht.

Ja, in der Tat!

H hat bei T den Irrtum über die Wohnhausqualität des Gebäudes und damit den konkreten Handlungssinn hervorgerufen und diesen ausgenutzt. Damit hat sie selbst die Voraussetzungen eines qualifizierten Tatbestandes geschaffen, sodass ihr die Verantwortung für die Unrechtssteigerung zukommt. Kraft ihrer Kenntnis der Zusammenhänge hat sie bei normativer Betrachtung „durch“ T gehandelt und sich daher nach hM wegen schwerer Brandstiftung in mittelbarer Täterschaft (§§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) strafbar gemacht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

QUIG

QuiGonTim

18.4.2022, 23:48:53

Wie ist das Merkmal „

Organisationsherrschaft

“ zu verstehen und wie Würfe man diesen Fall darunter subsumieren?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.4.2022, 20:08:51

Hallo QuiGonTim, Fälle der

Organisationsherrschaft

sind solche, in denen der eigentliche Täter lediglich ein austauschbares Rädchen in einem Organisationsgefüge darstellt und die eigentlich Verantwortlichen sich im Hintergrund (Mafia, NS-Größen, DDR-Funktionäre). Einen solchen Fall haben wir hier nicht. Vielmehr handelt es sich um den Standardfall, dass der Tatmittler hier an einem Defizit leidet, da ihm der

Vorsatz

hinsichtlich einer schweren Brandstiftung fehlte. Da H dieses Defizit ausnutzte, hat er sich hinsichtlich der schweren Brandstiftung in mittelbarer Täterschaft strafbar gemacht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

I-m-possible

I-m-possible

29.6.2022, 23:47:53

Könnte man hier nicht zur Überlegung kommen, dass hier nur eine Parallelwertung in der Laienssphäre seitens des Tatmittlers ausreicht? Es muss sich ja nicht jeder Täter über den von ihm verwirklichten

Tatbestand

genaue Gedanken machen und ihn als schwere Qualifikation einstufen. Das wäre ja ansonsten auch ein Wertungswiderspruch hier höhere Anforderungen zu verlangen.

Sambajamba10

Sambajamba10

24.6.2023, 18:44:30

Hier liegt überhaupt keine

Parallelwertung in der Laiensphäre

vor. Er stellt sich ja lediglich vor, dass das

Gebäude

kein Wohnhaus ist

Fabi

Fabi

31.10.2023, 21:38:41

Hallo! In der Aufgabe wird gesagt, es würde für die schwere Brandstiftung am

Vorsatz

fehlen, da der Vordermann nicht wisse, dass das

Gebäude

als Wohnung von Menschen dient. Aber allein die Vorstellung, in einem Haus befinde sich kein Mensch, vermag doch den

Vorsatz

hier gerade nicht auszuschließen - vielmehr hat sich der Täter zu versichern, dass es unbewohnt ist. Man könnte hier dem Töter zumindest

Eventualvorsatz

unterstellen, wodurch dann im Endeffekt ggf. nur eine Anstiftung in Betracht käme. Vorab danke für die Beantwortung und VG

LELEE

Leo Lee

5.11.2023, 10:46:58

Hallo Fabi, das ist eine sehr gute Frage! Beachte allerdings, dass wir bei § 306a StGB – insb. mit Blick auf die Probleme die du ansprichst – differenzieren müssen. Die Erforderlichkeit, dass sich der Täter absolut sicher sein muss, dass im Wohn

gebäude

keine Menschen sich befinden, ist ein Merkmal, das gefordert wird für die teleologische Reduktion des

Tatbestand

s des § 306a I (Wohn

gebäude

). D.h., bei diesem Problemkreis weiß der Täter, dass das Haus auch dem Wohnen von Menschen dient. Nur soll er insofern dafür „privilegiert“ werden, als er davor absolut sichergestellt hat, dass keine Menschen verletzt werden. Der

Vorsatz

ist eine diesem Problem „nachgelagerte“ Frage und befasst sich mit der Frage: Kannte der Täter überhaupt die

Tatsache

, dass er gerade dabei ist, ein Wohn

gebäude

in Brand zu setzen? D.h., während die tel. Reduktion von der Kenntnis der Wohnungseigenschaft ausgeht, befasst sich der

Vorsatz

– hier relevant – mit der Frage, ob der Täter überhaupt um die Wohneigenschaft wusste. Wenn er nicht wusste, dass er ein Wohnhaus in Brand setzt, dann brauchen wir auch keine tel. Reduktion mehr, weil der Täter dachte, dass er mglw. Eine Lagerhalle gerade abfackelt. Kurzum: Wenn der Täter nicht mal weiß, was für ein

Gebäude

er gerade in Brand setzt, scheitert der gesamte

Tatbestand

bereits am

Vorsatz

. Weiß der Täter jedoch um die Wohnungseigenschaft, VERSICHERT allerdings zuvor, dass keine Menschen verletzt werden können, liegen zwar obj. Und subj. TB erstmal vor, allerdings wird der obj.

Tatbestand

von „Wohn

gebäude

“ teleologisch reduziert und der Täter mithin privilegiert. Hierzu kann ich die Lektüre von Schönke/Schröder StGB 30. Auflage, § 306a Rn. 2 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Fabi

Fabi

7.11.2023, 12:57:19

Hallo Leo, vielen Dank für die sehr verständliche Antwort und die Hinweise!!


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