"Täter hinter dem Täter" 4 – Irrtum über Unrechtsqualifizierung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
H veranlasst den T zu einer Brandstiftung. Er redet dem T jedoch ein, das Gebäude sei kein Wohnhaus. Tatsächlich handelt es sich - wie H genau weiß - um ein solches.
Einordnung des Falls
"Täter hinter dem Täter" 4 – Irrtum über Unrechtsqualifizierung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem T das Gebäude in Brand setzte, hat er sich wegen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB) strafbar gemacht.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Ja, in der Tat!
2. T hat sich auch wegen schwerer Brandstiftung (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB) strafbar gemacht.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Nein!
3. T handelte volldeliktisch. Daher scheidet eine mittelbare Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) des H immer aus.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. H hat sich nach hM wegen schwerer Brandstiftung in mittelbarer Täterschaft (§§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) strafbar gemacht.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Ja, in der Tat!
Jurafuchs kostenlos testen
QuiGonTim
18.4.2022, 23:48:53
Wie ist das Merkmal „Organisationsherrschaft“ zu verstehen und wie Würfe man diesen Fall darunter subsumieren?

Lukas_Mengestu
20.4.2022, 20:08:51
Hallo QuiGonTim, Fälle der Organisationsherrschaft sind solche, in denen der eigentliche Täter lediglich ein austauschbares Rädchen in einem Organisationsgefüge darstellt und die eigentlich Verantwortlichen sich im Hintergrund (Mafia, NS-Größen, DDR-Funktionäre). Einen solchen Fall haben wir hier nicht. Vielmehr handelt es sich um den Standardfall, dass der Tatmittler hier an einem Defizit leidet, da ihm der Vorsatz hinsichtlich einer schweren Brandstiftung fehlte. Da H dieses Defizit ausnutzte, hat er sich hinsichtlich der schweren Brandstiftung in mittelbarer Täterschaft strafbar gemacht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

I-m-possible
29.6.2022, 23:47:53
Könnte man hier nicht zur Überlegung kommen, dass hier nur eine Parallelwertung in der Laienssphäre seitens des Tatmittlers ausreicht? Es muss sich ja nicht jeder Täter über den von ihm verwirklichten Tatbestand genaue Gedanken machen und ihn als schwere Qualifikation einstufen. Das wäre ja ansonsten auch ein Wertungswiderspruch hier höhere Anforderungen zu verlangen.

Sambajamba10
24.6.2023, 18:44:30
Hier liegt überhaupt keine Parallelwertung in der Laiensphäre vor. Er stellt sich ja lediglich vor, dass das Gebäude kein Wohnhaus ist
Fabi
31.10.2023, 21:38:41
Hallo! In der Aufgabe wird gesagt, es würde für die schwere Brandstiftung am Vorsatz fehlen, da der Vordermann nicht wisse, dass das Gebäude als Wohnung von Menschen dient. Aber allein die Vorstellung, in einem Haus befinde sich kein Mensch, vermag doch den Vorsatz hier gerade nicht auszuschließen - vielmehr hat sich der Täter zu versichern, dass es unbewohnt ist. Man könnte hier dem Töter zumindest Eventualvorsatz unterstellen, wodurch dann im Endeffekt ggf. nur eine Anstiftung in Betracht käme. Vorab danke für die Beantwortung und VG
Leo Lee
5.11.2023, 10:46:58
Hallo Fabi, das ist eine sehr gute Frage! Beachte allerdings, dass wir bei § 306a StGB – insb. mit Blick auf die Probleme die du ansprichst – differenzieren müssen. Die Erforderlichkeit, dass sich der Täter absolut sicher sein muss, dass im Wohngebäude keine Menschen sich befinden, ist ein Merkmal, das gefordert wird für die teleologische Reduktion des Tatbestands des § 306a I (Wohngebäude). D.h., bei diesem Problemkreis weiß der Täter, dass das Haus auch dem Wohnen von Menschen dient. Nur soll er insofern dafür „privilegiert“ werden, als er davor absolut sichergestellt hat, dass keine Menschen verletzt werden. Der Vorsatz ist eine diesem Problem „nachgelagerte“ Frage und befasst sich mit der Frage: Kannte der Täter überhaupt die Tatsache, dass er gerade dabei ist, ein Wohngebäude in Brand zu setzen? D.h., während die tel. Reduktion von der Kenntnis der Wohnungseigenschaft ausgeht, befasst sich der Vorsatz – hier relevant – mit der Frage, ob der Täter überhaupt um die Wohneigenschaft wusste. Wenn er nicht wusste, dass er ein Wohnhaus in Brand setzt, dann brauchen wir auch keine tel. Reduktion mehr, weil der Täter dachte, dass er mglw. Eine Lagerhalle gerade abfackelt. Kurzum: Wenn der Täter nicht mal weiß, was für ein Gebäude er gerade in Brand setzt, scheitert der gesamte Tatbestand bereits am Vorsatz. Weiß der Täter jedoch um die Wohnungseigenschaft, VERSICHERT allerdings zuvor, dass keine Menschen verletzt werden können, liegen zwar obj. Und subj. TB erstmal vor, allerdings wird der obj. Tatbestand von „Wohngebäude“ teleologisch reduziert und der Täter mithin privilegiert. Hierzu kann ich die Lektüre von Schönke/Schröder StGB 30. Auflage, § 306a Rn. 2 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Fabi
7.11.2023, 12:57:19
Hallo Leo, vielen Dank für die sehr verständliche Antwort und die Hinweise!!