eBay Auktion

25. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Unternehmer U stellt im Rahmen einer Internet-Auktion bei eBay ein Schmuckstück zur Versteigerung ab 1 EUR ein. Verbraucherin K gibt das höchste Gebot ab. Einen Tag nach Auktionsende überlegt sie es sich anders und widerruft fristgerecht ihre Willenserklärung. Zu Recht?

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Einordnung des Falls

eBay Auktion

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist der Anwendungsbereich des Widerrufsrechts nach § 312g BGB eröffnet (§ 312 Abs. 1 BGB)?

Genau, so ist das!

Damit der Anwendungsbereich des Widerrufsrechts nach § 312g BGB eröffnet ist, muss nach § 312 Abs.1 BGB (1) ein Verbrauchervertrag (§ 310 Abs.3 BGB) vorliegen, (2) bei dem sich der Verbraucher zur Zahlung eines Preises verpflichtet. Unternehmer U und Verbraucher K haben einen Kaufvertrag geschlossen (Verbrauchervertrag), durch den sich K zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet (§ 433 Abs.2 BGB). Bis zum 31.12.2021 war statt der Zahlung eines Preises durch den Verbraucher eine entgeltliche Leistung des Unternehmers verlangt (§ 312 Abs. 1 BGB aF). Die neue Fassung sollte die bisher sehr weite und ungenaue Regelung konkretisieren. Die Bereitstellung personenbezogener Daten wird in § 312 Abs. 1a BGB gesondert erfasst.
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2. Liegt ein Außergeschäftsraum- oder Fernabsatzvertrag vor (§§ 312b, 312c BGB)?

Ja, in der Tat!

Ein Außergeschäftsraumvertrag ist nach § 312b Abs.1 Nr.1 BGB ein Vertrag, den Unternehmer und Verbraucher bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit an einem Ort schließen, der kein Geschäftsraum (§ 312b Abs.2 BGB) ist. Ein Fernabsatzvertrag liegt nach § 312c Abs.1 BGB vor, wenn der Vertrag ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen wird und der Vertragsschluss im Rahmen eines Fernabsatzsystems erfolgt. Mangels gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit von U und K, liegt kein Außergeschäftsraumvertrag vor. Allerdings haben sie ihre Willenserklärungen ausschließlich über die eBay Plattform (Fernabsatzsystem) abgegeben, sodass ein Fernabsatzvertrag nach § 312c BGB gegeben ist.

3. Es handelt sich bei der Internetauktion aber um eine Versteigerung iSv § 312g Abs. 2 Nr. 10 BGB, sodass ein Widerrufsrecht ausgeschlossen ist.

Nein!

§ 312g Abs. 2 Nr. 10 BGB erfasst explizit lediglich Versteigerungen, bei denen Verbraucher persönlich anwesend sind oder ihnen diese Möglichkeit gewährt wird.Die Auktion auf eBay läuft rein digital ab, ohne dass K die Möglichkeit gehabt hätte, hier persönlich anwesend zu sein. Früher war umstritten, ob bei Online-Auktionen ein Widerrufsrecht besteht, da § 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB a.F. (bis 12.06.2014 in Kraft) lediglich von „Versteigerung iSv § 156 BGB“ sprach. Durch die Präzisierung in § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 10 BGB n.F., dass eine persönliche Anwesenheit möglich sein muss, hat sich dieser Streit erledigt.

4. Muss K das Schmuckstück bezahlen und abnehmen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Aus dem Abschluss eines Kaufvertrags folgt eine Zahlungs- und Abnahmepflicht des Käufers (§ 433 Abs.2 BGB). Diese erlischt indes, sofern der Vertrag vom Verbraucher wirksam widerrufen wurde (§§ 355, 312g BGB). U und K haben übereinstimmende Willenserklärungen (Angebot + Annahme) gerichtet auf den Kauf des Schmuckstücks abgegeben und damit einen Kaufvertrag (§ 433 BGB) geschlossen. K hat allerdings fristgerecht ihre Willenserklärung widerrufen (§§ 355 Abs.1, 312g Abs.1, 312c BGB). Insbesondere ist das Widerrufsrecht nicht nach § 312g Abs.2 S.1 Nr.10 BGB ausgeschlossen. K ist somit nicht mehr an ihre Willenserklärung gebunden und muss das Schmuckstück nicht bezahlen und abnehmen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CO

coolschmool

29.7.2022, 10:20:19

gibt es hierbei andere in frage kommende einschränkungen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

1.8.2022, 15:09:49

Hallo coolschmool, herzlich willkommen im Forum und vielen Dank für Deine Frage! Außer den normalen Voraussetzungen des Widerrufs beim Fernabsatzvertrag gibt es keine weiteren Einschränkungen. Dies mag zwar für den Unternehmer misslich sein. Dem BGH war dies indes weitgehend egal. Im Hinblick auf die Gefahr des Widerrufs führte er bereits 2005 aus: "Unternehmer können und müssen sich bei ihrer Entscheidung, ob sie diesen Vertriebsweg des Fernabsatzgeschäfts nutzen und ihre Ware über die Internet-Auktionen von eBay anbieten wollen, darauf einstellen (BGH NJW 2005, 53). Steigert man also als Verbraucher bei eBay Auktionen mit, so steht einem mit dem Widerruf letztlich immer noch eine Hintertür offen, um sich vom Vertrag zu lösen, wenn man im Eifer des Gefechts über das Ziel hinausgeschossen ist. Dies gilt allerdings nur in Fällen, in denen auf der anderen Seite ein gewerblicher Verkäufer beteiligt ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

G0D0FM

G0d0fMischief

7.11.2024, 17:00:41

@[Lukas_Mengestu](136780) wäre ein Widerruf selbst dann noch zulässig, wenn der Verbraucher ein Abbruchjäger, oder ein ansonsten rechtsmissbräuchlich Handelnder wäre? Spätestens hier müsste man doch eine Grenze ziehen, da es ansonsten für jedermann ja einladend wäre auf eBay „ohne“ Rechtsbindungswillen an Versteigerungen von Unternehmern teilzunehmen in der Hoffnung Schadensersatzansprüche zu erlangen. Sollte es dann wider Erwarten nicht zu einem solchen Schadensersatzanspruch kommen könnte sich der Verbraucher dann ja über den Widerruf „retten“, würde der Widerruf hier nicht gegen Treu und Glauben verstoßen? Ebenso finde ich es schwierig einen Widerruf anzunehmen, wenn der Verbraucher bewusst utopische bzw. unrealistische Gebote abgibt, um sicherzustellen, dass er der Höchstbietende ist. Wäre nicht auch hier ein Widerruf als rechtsmissbräuchlich anzusehen? Der Verbraucher soll ja durch einen Widerruf nicht besser gestellt werden, als er bei einer tatsächlichen Versteigerung stehen würde. Eine solche Besserstellung dürfte doch aus Billigkeitsgesichtspunkten und fehlender Schutzwürdigkeit des Verbraucher unbillig sein.

BAY

bayilm

11.7.2023, 15:06:18

Wie sind denn die §§ 312i ff. BGB im Rahmen von solchen Online-Auktionen zu beachten? Ich hätte nämlich eher angenommen, dass es hier kein Fernabsatzvertrag ist, sondern ein Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr bzw. Einem Online-Marktplatz.


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