Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Versuch und Rücktritt
Unmittelbares Ansetzen und Unterlassen - fehlende Quasikausalität
Unmittelbares Ansetzen und Unterlassen - fehlende Quasikausalität
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T sieht, wie sein Sohn S gerade in der Elbe ertrinkt. Er geht davon aus, dass er ihn noch retten kann. Da ihm der Tod des S egal ist, geht er weiter. S ertrinkt. Später wird festgestellt, dass T den S gar nicht mehr hätte retten können.
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Einordnung des Falls
Unmittelbares Ansetzen und Unterlassen - fehlende Quasikausalität
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat sich wegen vollendeten Totschlags durch Unterlassen strafbar gemacht (§§ 212 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der versuchte Totschlag durch Unterlassen ist strafbar (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB).
Ja!
3. T hatte „Tatentschluss“ bezüglich der objektiven Merkmale des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB).
Genau, so ist das!
4. T hatte „Tatentschluss“, den Totschlag durch Unterlassen zu begehen.
Ja, in der Tat!
5. Das unmittelbare Ansetzen beim Unterlassungsdelikt gleicht dem unmittelbaren Ansetzen durch Tätigkeit.
Nein!
6. T hat nach herrschender Meinung unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.
Genau, so ist das!
7. Andere Theorien stellen auf absolute Zeitpunkte ab.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Martymcfly
28.3.2021, 10:35:11
Was ist der Unterschied von "erster Handlungssmoglichkeit" der Mindermeinung zu "erster Rettungsmöglichkeit" der h.M.? Ist beim Unterlassensdelikt nicht jede geforderte Handlung eine Rettungsmöglichkeit?
TeamRahad 🧞
24.5.2021, 08:07:18
Wenn ich es richtig verstanden habe, verlangt die hM zusätzlich zum Nichtergreifen der ersten Handlungs-/Rettungsmöglichkeit noch den Eintritt einer unmittelbaren Gefahr (orange-farbiger Text in der vorletzten Frage). Die MM lässt allein das Nichtergreifen der ersten Handlungs-/Rettungsmöglichkeit genügen. In der letzten Antwort ist dann noch erläutert, dass wegen der Schwammigkeit der "unmittelbaren Gefährdung" die hM faktisch oft der MM entspricht.
Im🍑nderabilie
31.1.2023, 18:48:23
Irrt sich der T nicht über
Tatumstände, wenn er überhaupt von einer Rettungsmöglichkeit ausgeht? Das erscheint mir hier etwas widersprüchlich..
Paul
31.1.2023, 20:40:49
Nein, beim Versuch kommt es ja gerade auf die subjektive Vorstellung des Täters an.(vgl § 22 StGB) Nach seiner subjektiven Vorstellung liegen alle Tabestandsvoraussetzungen des § 212 I StGB vor. Es spielt für den Versuch keine Rolle, dass die Kausalität objektiv nicht vorlag.
Richter Alexander Hold
11.10.2024, 11:34:03
Es handelt sich hier vorliegend um einen umgekehrten
Tatumstandsirrtum, daher um einen untauglichen Versuch. Der Täter stellt sich irrig Umstände vor, bei dessen tatsächlichem Vorliegen er wegen vollendeter Tat (hier Totschlag durch Unterlassen) strafbar wäre. Da aber der Erfolg nicht eintritt, bleibt er sozusagen im Versuchsstadium hängen. Er hat damit eine rechtsfeindliche Gesinnung gezeigt und diese auch durch
unmittelbares Ansetzenobjektiv betätigt, sodass egal ist, dass eine Vollendungsstrafbarkeit wegen fehlender Quasi-Kausalität (der Vater hätte den Sohn ja auch bei Vornahme der Rettungshandlung nicht retten können) von Anfang an nicht möglich war. Insofern befand er sich tatsächlich in einem Irrtum über
Tatumstände, nur dass er nicht in Unkenntnis von
Tatumständen war (
Tatumstandsirrtumgem. 16 I 1 StGB) sondern in der irrigen Annahme von
Tatumständen, nämlich in der irrigen Annahme der Quasi-Kausalität seines Unterlassens (umgekehrter
Tatumstandsirrtumbzw.
untauglicher Versuchgem. 22 StGB).
Becca00
23.1.2024, 17:45:11
Kommt es nicht darauf an, dass nach den Vorstellungen des Täters bereits eine unmittelbare Gefährdung für das Rechtsgut eingetreten ist? Dann hätte T in der Frage davor doch noch nicht unmittelbar angesetzt, weil er nach seiner Vorstellung den S noch retten konnte...?