Spanner-Fall (BGH 15.5.1979 , 1 StR 74/79 , NJW 1979, 2053): examensrelevante Rechtsprechung | Jurafuchs


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration zum Spanner-Fall (BGH 15.5.1979 , 1 StR 74/79 , NJW 1979, 2053): Frau schießt mit Pistole auf einen Spanner.

Spanner S drang wiederholt in das Haus der Eheleute M und F ein. Sie litten unter starker Angst. Beim nächsten Besuch des S folgte M dem flüchtenden S und gab einen Warnschuss mit seiner Waffe ab. Als S weiterlief, schoss er ihm in die linke Gesäßhälfte, um ihn dingfest zu machen.

Einordnung des Falls

„Spanner-Fall“

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Erfüllt M den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung aus §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, ist aber durch das Festnahmerecht aus § 127 Abs. 1 StPO gerechtfertigt?

Nein!

Eine Körperverletzung in Form der körperlichen Misshandlung ist jede üble und unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird. Demgegenüber ist eine Gesundheitsschädigung jedes Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen Zustands.Die Schussabgabe (§ 224 Abs. 1 Nr.2 StGB) stellt sowohl eine körperliche Misshandlung als auch eine Gesundheitsschädigung dar. S war zwar auf frischer Tat betroffen, sodass eine Festnahmelage im Sinne des § 127 Abs. 1 StPO vorlag. Das Festnahmerecht umfasst allerdings keinen Schusswaffengebrauch.

2. Ist M durch Notwehr (§ 32 StGB) gerechtfertigt?

Nein, das ist nicht der Fall!

Notwehr erfordert zunächst eine Notwehrlage (§ 32 Abs. 2 StGB). Voraussetzung für eine Notwehrlage ist ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff auf ein geschütztes Rechtsgut. Ein Angriff ist jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlich geschützter Interessen. Gegenwärtig ist der Angriff, wenn er unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch andauert.Bei Schussabgabe befand S sich auf der Flucht, der Angriff war nicht mehr gegenwärtig. Auch scheitert eine Rechtfertigung aus Notwehr an der Erforderlichkeit, denn der Angriff war im Begriff, sich ohne Zutun des M aufzulösen.

3. Bestand eine gegenwärtige Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut, also eine Notstandslage im Sinne des § 34 StGB?

Ja, in der Tat!

Eine Gefahr nach § 34 StGB ist ein Zustand, in dem nach den konkreten Umständen der Eintritt eines Schadens ernstlich zu erwarten ist. Gegenwärtig ist die Gefahr, wenn sie in nächster Zeit zu einem Schaden führen kann und ein Abwarten zu einer Verringerung der Abwehrchancen führt. Im Gegensatz zu § 32 StGB umfasst § 34 auch sogenannte Dauergefahren. Die Dauergefahr ist ein Zustand, bei dem die Gefahr jederzeit, also auch alsbald, in einen Schaden umschlagen kann, auch wenn die Möglichkeit offen bleibt, dass der Schadenseintritt erst in einiger Zeit erfolgt. Angesichts der zahlreichen Belästigungen war zu erwarten, dass S bei auch in naher Zukunft wieder in das Haus der Eheleute eindringen würde.

4. Erfüllt M auch die weiteren Voraussetzungen des § 34 StGB. Insbesondere überwog das geschützte Interesse das beeinträchtigte Interesse wesentlich?

Ja!

Bei schlichter Gegenüberstellung der zu schützenden Interessen steht auf der einen Seite das Persönlichkeitsrecht und die Gesundheit der Eheleute und auf der anderen Seite die körperliche Unversehrtheit des S, sodass man an einem wesentlichen Überwiegen der Interesse der Eheleute zweifeln könnte. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass S die Notstandslage verschuldet hat und M deshalb in einer Defensivnotstandslage war. Nach dem Rechtsgedanken des § 228 BGB reicht es, dass der Schaden nicht außer Verhältnis zur Gefahr steht. Angesichts der starken Beeinträchtigung in ihrer Intimsphäre kann die Schussabgabe als verhältnismäßig angesehen werden. Darüber hinaus war die Schussabgabe auch erforderlich.Der BGH hat die Frage offen gelassen und jedenfalls eine Entschuldigung aus § 35 StGB angenommen.

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Der BGBoss

Der BGBoss

12.12.2020, 23:52:02

Ich finde es immer wieder stark, wie effizient ihr derartige SV in Länge einer Twitternachricht so präzise und umfassend darstellt. 👍🏼 LG

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

13.12.2020, 13:07:23

Danke dir BGBOSS 😉

MAR

marie

3.1.2022, 00:25:48

Kurze Frage, hier wird mit dem Defensivnotstand argumentiert. Ich dachte, der kommt nur zur Anwendung, wenn der Täter eine Gefahr, welche von einer Sache ausgeht, beseitigt und hierfür die Sache beschädigt/zerstört. Der S ist aber ein Mensch und keine Sache🤔 vielleicht kann jemand weiterhelfen :)

Real Thomas Fischer Fake 🐳

Real Thomas Fischer Fake 🐳

3.1.2022, 01:26:13

Meiner Ansicht nach ist die Lösung hier tatsächlich nicht korrekt. Es liegt kein Defensivnotstand vor. Bei der Abwägung nach § 34 kann allerdings der Rechtsgedanke des § 228 S. 2 BGB herangezogen werden: Wer den Eintritt der Gefahr selbst verschuldet hat (wie hier der Spanner S) dessen Interessen sind weniger schutzwürdig. Ich glaube diese einfache Überlegung war hier gemeint (wurde aber schlecht erklärt).

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

3.1.2022, 09:04:30

Hallo ihr beiden, vielen Dank für eure Rückfrage. In der Tat sind die Begriffe Aggressiv- und Defensivnotstand vor allem in den Fällen bekannt, in denen die Gefahr von einer Sache ausgeht. Hierfür bestehen im BGB spezialgesetzliche Regelungen (§§ 228, 904 BGB). Aber diese Unterscheidung findet auch im § 34 StGB Anwendung, wenn die Gefahr von einem Menschen ausgeht (vgl. Perron, in: Sch/Sch-StGB, § 34 RdNr. 30). Nur ist die Unterscheidung hier regelmäßig nicht ganz so relevant, da in der Regel Fälle des "Defensivnotstandes", also der Fall, dass dem Opfer ein Vorverschulden zur Last fällt, von § 32 StGB abgedeckt wird. Nur in Fällen wie zB hier im Spannerfall, in denen ausnahmsweise die Notwehr ausscheidet, muss man sich fragen, ob eine Rechtfertigung wirklich nur bei wesentlichem Überwiegen

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

3.1.2022, 09:07:22

der Rechtsgüter in Betracht kommt. Ähnlich wie auch bei dem Defensivnotstand gegen Sachen lässt man hier sodann genügen, dass der Schaden nicht außer Verhältnis steht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

22.3.2022, 20:46:43

Ist das Strafverfolgungsinteresse eigentlich auch ein notstandsfähiges Rechtsgut? Oder wird es durch die lex specialis 127 I 1 StPO aus dem Tatbestand 34 StGB gedrängt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.3.2022, 16:23:15

Hallo QuiGonTim, von einigen Stimmen in der Literatur wird das Strafverfolgungsinteresse als notstandsfähiges Rechtsgut eingeordnet (Perron, in: Sch/Sch-StGB, 30.A. 2019, § 34 RdNr. 11). Allerdings soll es auf den äußersten Notfall beschränkt sein, da grundsätzlich das Gewaltmonopol des Staates Vorrang hat. Flächendeckend durchgesetzt hat sich diese Auffassung aber wohl nicht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

I-m-possible

I-m-possible

25.6.2022, 13:13:57

Wie kommt man vom §34 StGB bitte nun auf §228 BGB ?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

7.7.2022, 11:54:28

Hallo I-m-possible, bei § 228 BGB handelt es sich um einen zivilrechtlichen Rechtfertigungsgrund. Dieser kann auch im Strafrecht grundsätzlich und als Wertung herangezogen werden, denn was zivilrechtlich erlaubt ist kann nicht strafrechtlich verfolgt werden. Hier spielt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung mit rein. Und die Interessenabwägung bei § 228 BGB erfolgt dergestallt, dass der Schaden an der gefährlichen Sache nicht außer Verhältnis zu der drohenden Gefahr stehen darf während bei § 34 StGB ein wesentliches Überwiegen der beeinträchtigten Interesses erforderlich ist. Dies erfolgt zunächst anhand des abstrakten Rangverhältnis der betroffenen Rechtsgüter, dann nach dem Grad der drohenden Gefahr sowie dem Ausmaß der drohenden Verletzung. Bei dieser Abwägung kann dann auch § 228 BGB mit seiner Gewichtung reinspielen. Zwar stehen sich bei § 228 BGB nur Sachwerte gegenüber, sodass die Wertung nicht 1:1 übernommen werden kann. Allerdings ist der Grundgedanke des § 228 BGB - die geringe Schutzwürdigkeit von Gefahrenquellen - übertragbar. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

MAR

Marius

6.7.2022, 00:11:41

Das (eine Schussverletzung) soll verhältnismäßig sein?! Bei einem Schuss ins Gesäß können ja drastische Verletzungen und bleibende Schäden entstehen. So schwer der Eingriff in die Intimsphäre auch sein mag, aber der Einsatz einer Schusswaffe ist doch die schwerste denkbare realitätsnahe Maßnahme.

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

6.7.2022, 09:52:34

Deine Ansicht ist sicher auch vertretbar (Der BGH hats ja auch offen gelassen). Auf Seiten der Eheleute ist neben dem Persönlichkeitsrecht allerdings auch die Gesundheit betroffen. Wichtig ist vermutlich vor allem, dass erkannt wird, dass ausnahmsweise ein anderer Maßstab an die Verhältnismäßigkeit i.R.d. 34 StGB zu stellen ist (statt wesentlichem Überwiegen reicht wg. des Rechtsgedankens des 228 BGB, dass der Schaden nur nicht außer Verhältnis zur Gefahr steht).

lennart20

lennart20

17.3.2023, 09:40:45

Könntet ihr für den rechtfertigenden Notstand noch allgemeinere Fälle hinzufügen?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

20.3.2023, 15:25:35

Hallo lennart20, danke dir für die Anregung. Das nehmen wir gerne mit auf unsere Liste :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

RAP

Raphaeljura

11.5.2023, 00:57:07

Aber wie kann die Rechtssprechung das offen lasse? Das Gericht muss doch erst die Rechtfertigung prüfen und dann die Schuld? Ansonsten ist es doch falsch.

SE.

se.si.sc

11.5.2023, 08:52:50

So ist es vielleicht in einem Gutachten, aber nicht in einem Urteil. Das ist auch nicht falsch, weil jedes Urteil nur die wesentlichen, die Entscheidung tragenden Gründe enthalten muss (s zB MüKo-StPO, § 267 Rn 53). Wenn der Angeklagte (aus Sicht des Gerichts) offensichtlich gerechtfertigt ist, springt man im Urteil direkt zur Rechtfertigung und muss sich mit Tatbestandsfragen nicht mehr befassen. Das spart nicht nur Zeit (und ggf Nerven), sondern alles andere wäre streng genommen sogar "falsch" - es spielt ja gar keine Rolle, was auf der Tatbestandsebene herauskommt, wegen der Rechtfertigung ist der Angeklagte ohnehin freizusprechen. Dementsprechend würden (vertiefte) Ausführungen zur Tatbestandsebene die Entscheidung gar nicht tragen. Details dazu kommen dann im Referendariat.

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

24.9.2023, 18:51:30

Wird der Punkt des Defensivnotstands im Rahmen der Rechtsgüterabwägung oder der Angemessenheit der Tat geprüft? Dort wird ja auch Bezug auf die erhöhte Opferpflicht genommen

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.9.2023, 12:10:05

Hallo menraya, den Defensivnotstand solltest Du bereits bei der Abwägung der geschützten Interessen berücksichtigen, da hierdurch die "Schutzwürdigkeit der kollidierenden Rechtsgüter" des S herabgesetzt wird. Nur dadurch kommt es letztlich dazu, dass die Rechtsgüter der Eheleute hier "wesentlich überwiegen". Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JAN

jannis21

25.9.2023, 12:20:49

Meiner Meinung nach passt der Antwortbutton "Ja" als vermeintlich richtige Antwort weder zur Frage noch zur inhaltlich korrekten Erklärung. Die Frage fragt AUSDRÜCKLICH ob alle Bedingungen für eine gerechtfertigte Notstandshandlung gem. §34 StGB vorliegen und INSBESONDERE ob das geschützte Interesse das verletzte Interesse WESENTLICH überwiegt. Diese Frage ist klar mit "Nein" zu beantworten. Dies stimmt auch mit dem Lösungstext überein, welcher im ersten Satz die Richtigkeit der Aussage klar verneint und stattdessen auf den §34 StGB mit dem Rechtsgedanken des §228 BGB als korrekte Lösung verweist. Im Widerspruch dazu ist jedoch der Antwortbutton "Ja" korrekt und nicht "Nein".

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.9.2023, 11:51:25

Hallo Jannis, vielen Dank für Deinen Hinweis! Wir haben den Antworttext an dieser Stelle noch etwas präzisiert. Wichtig ist, dass im Rahmen der Abwägung der Interessen eben nicht nur der grundsätzliche Rang der kollidierenden Rechtsgüter miteinander verglichen wird (zB persönliche Wirtschaftsgüter grds. höher gewichtet als wirtschaftliche), sondern auch andere Kriterien berücksichtigt werden, u.a. die Schutzwürdigkeit der kollidierenden Rechtsgüter im Einzelfall. Diese ist herabgesetzt, wenn das "Opfer" die Beeinträchtigung des Rechtsguts selbst verschuldet hat. So liegt der Fall hier. S hat durch seine wiederholten Spannerattacken selbst die Ursache dafür gesetzt, dass sich M zur Abgabe des Schusses genötigt sah, weshalb man hier mit guten Argumenten ein Überwiegen der geschützten Interessen der Eheleute und damit einen rechtfertigenden Notstand annehmen kann. Eine andere Auffassung ist natürlich ebenfalls vertretbar, dann müsste man sich aber auf Ebene der Schuld noch mit dem entschuldigenden Notstand auseinandersetzen und diesen bejahen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

njiao8

njiao8

13.1.2024, 16:47:42

Nach Wortlaut des § 228 I BGB greift der Defensivnotstand bei Sachwehr ein, nicht bei Personen!

LELEE

Leo Lee

14.1.2024, 13:36:17

Hallo Nina Jiao, vielen Dank für dein Feedback! In der Tat greift 228 BGB nach dem Wortlaut nur für Sachwehr ein. Beachte allerdings, dass i.R.d. 34 StGB bei der Interessenabwägung deshalb nur der RECHTSGEDANKE des 228 BGB zum Tragen kommt (und zwar, dass derjenige, der diese Gefahrlage herbeiführt, mehr dulden muss), weshalb wir hier das Problem des Wortlauts nicht haben. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-StGB 4. Auflage, Erb § 34 Rn. 205 ff. empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

HADA

Haniel Dardman

18.1.2024, 19:00:47

So ganz stimmt das ja nicht. Das Interesse der Eheleute hat das des Spanners nicht wesentlich überwogen, vor allem, da der Ehemann den Spanner auch schwerer hätte verletzen können. Aber hier wurde eben argumentiert, dass, dadurch, dass der Spanner die Notstandslage selbst verursacht hat er mehr dulden müsse, als ein unbeteiligter Dritte. Und eben dann muss das geschützte Interesse nicht mehr deutlich überwiegen, da man den Grundgedanken des §228 BGB anwendet (nicht die Norm an sich). Ein wesentliches Überwiegen ist somit zu verneinen.

LELEE

Leo Lee

20.1.2024, 14:41:23

Hallo Haniel Dardman, vielen Dank für dein Feedback! Zunächst könnte man tatsächlich meinen, ein Schuss auf den Spanner sei kein Fall des wesentlichen Überwiegens des Interesses. Beachte allerdings, dass – wie du richtig zitierst – der Spanner mehr hinnehmen muss gem. § 228 BGB (also mit dem Rechtsgedanken) i.R.d. Interessenabwägung, weil er diese Lage eben „selbst verschuldet“ hat. Diese Wertung ist auch insofern billig, als der Spanner nicht irgendein Unschuldiger ist, der gerade vorbeiläuft. Und weil er eben nicht „unschuldig“ ist, muss er mehr hinnehmen gem. § 228 BGB (Rechtsgedanke), was wiederum dazu führt, dass in der Abwägung zw. dem Interesse der Eheleute und dem Interesse des Spanners die Entscheidung zu Gunsten der Eheleute ausfällt. Die Tatsache, dass der Ehemann den Spanner auch hätte schwerer Verletzen können, ist insofern für die Abwägung i.R.d. § 34 nicht von Belang, da wir hier nur von den Tatsachen ausgehen, die bereits eingetreten sind. Falls ich deine Frage missverstanden haben sollte, würde ich mich über eine Rückmeldung sehr freuen! I.Ü. kann ich hierzu die Lektüre von MüKo-StGB 4. Auflage, Erb § 34 Rn. 205 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

HADA

Haniel Dardman

20.1.2024, 15:07:47

Hallo Leo Lee, mein Prof ist jedenfalls der Ansicht, dass bei einem „Defensivnotstand“ beim §34 in der Interessenabwägung kein wesentliches Überwiegen nötig ist, sondern diese schlichtweg nicht außer Verhältnis stehen sollen (wie im §228 BGB). Selbst wenn also kein wesentliches Überwiegen wie in diesem Fall vorliegt, ist trotzdem eine gültige Notstandshandlung iSd §34 gegeben. Bezüglich der Gefährlichkeit des Schusses ist mein Prof der Ansicht, dass der Grad der drohenden Gefahren (drohende Gefahr für geschütztes Interesse und drohende Gefahr, welche durch die Notwerhandlung entsteht/aller Wahrscheinlichkeit nach entstehen könnte) berücksichtigt werden müssen. Gerade beim letzten Punkt bin ich mir auch nicht so sicher, was ich davon halten soll. Ich würde mich über eine Antwort freuen.

SCH

Schwanzanwaltschaft

19.3.2024, 17:32:49

Moin Moin, woraus ergibt sich, dass §127 StPO nicht zum Schusswaffen gebrauch berechtigen kann?

Gruttmann

Gruttmann

19.3.2024, 20:31:22

Hallo, Zum einen glaube ich, dass das Festnahmerecht eher dazu dient, die Identität des Täters festzuhalten. Des Weiteren finde ich, dass jemand, der wegrennt, im Vergleich zu einem Angreifer, wie zum Beispiel bei der Notwehr, keine große Gefahr mehr darstellt, weil er ja nur „wegrennt“ und damit noch keine erheblichen körperlichen Schäden begründet. Falls er aber noch eine Gefahr darstellt, können andere Rechtfertigungsgründe in Betracht kommen und da könnte es auch zu einem Gebrauch von Schusswaffen kommen. Bin mir nicht sicher, ob das so stimmt. Aber ich finde das ergibt einigermaßen Sinn. LG, Gruttmann,

Merle_Breckwoldt

Merle_Breckwoldt

22.3.2024, 18:09:55

Moin, genau! Zweck der Festnahme muss es sein, den Täter einer Strafverfolgung zuzuführen (Krauß in: BeckOK StPO, § 127 Rn. 10). Dabei gilt auch im Kontext des § 127 I StPO der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (s.a. § 112 I 2 StPO). Und der Gebrauch einer Schusswaffe, nur, um eine Strafverfolgung zu ermöglichen, wäre unverhältnismäßig. Beste Grüße, Merle für das Jurafuchs-Team @[Lukas_Mengestu](136780)


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