Kollektivverleumdung

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

J schreibt in einem Zeitungsartikel, ein bayerischer Minister sei durch Zugang zu einem "Call-Girl-Ring" bestochen worden. Dieser Behauptung lag ein unwahres Gerücht zugrunde, das Staatsminister S solche Verbindungen nachsagte. Die Veröffentlichung nennt jedoch keinen Namen und bringt damit alle 7 Minister der bayerischen Staatsregierung, darunter auch den Staatsminister M, an dessen Integrität der J nicht zweifelte, in einen entsprechenden Verdacht.

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Einordnung des Falls

Kollektivverleumdung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. J hat eine Tatsache behauptet.

Ja!

Die Verleumdung (§ 187 StGB) erfasst nur die Äußerung von Tatsachen gegenüber Dritten. Für Werturteile gilt ausschließlich § 185 StGB. Tatsachen sind Geschehnisse oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweis zugänglich sind. Behaupten ist das Hinstellen einer Tatsache als wahr. Ob die Minister mit Prostituierten bestochen wurden, ist ein Geschehnis der Vergangenheit, welches dem Beweis zugänglich ist. Diese Tatsache hat J als wahr hingestellt.
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2. Die Tatsache ist hinsichtlich M unwahr.

Genau, so ist das!

Der objektive Tatbestand der Verleumdung (§ 187 StGB) setzt die Unwahrheit der Tatsache voraus. Anders als bei § 186 StGB wird der Täter daher durch verbleibende Zweifel hinsichtlich der Wahrheit der behaupteten Tatsache entlastet. Für eine Bestrafung ist im Gegensatz zu § 186 StGB erforderlich, dass dem Täter nachgewiesen wird, dass seine Behauptung unwahr ist. Anderenfalls kommt nur eine Strafbarkeit nach § 186 StGB in Frage. M wurde nicht mit Prostituierten bestochen.

3. J hat diese Tatsache "in Bezug auf einen anderen" behauptet.

Ja, in der Tat!

Die Behauptung bzw. Verbreitung muss "in Beziehung auf einen anderen" erfolgen, sodass Adressat der Äußerung und von der Äußerung Betroffener personenverschieden sein müssen (Drittbezug). Adressat der Äußerung sind allgemein die Leser der Zeitung, betroffen sind die Staatsminister, die alle unter Verdacht gestellt wurden.

4. Die Tatsache ist ehrenrührig.

Ja!

Die Tatsache muss geeignet sein, den Betroffenen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen (Ehrenrührigkeit). Erforderlich ist also eine Eignung zu einer Ehrverletzung. Diese liegt vor, wenn die Tatsache Grundlage eines negativen Urteils über die Ehre des Betroffenen sein kann. Die Behauptung, M lasse sich mit Prostituierten bestechen, stellt dessen Fähigkeit verantwortungsvoll als Politiker zu agieren in Abrede und kann insofern Grundlage eines negativen Urteils über dessen Ehre sein.

5. M ist hier passiv beleidigungsfähig.

Genau, so ist das!

Beleidigungsfähig sind insbesondere alle lebenden natürlichen Personen als Ehrträger. Besondere Fallgruppen sind die Beleidigung eines Kollektivs als Kollektiv und die Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung. Beleidigungen unter einer Kollektivbezeichnung sind strafrechtlich nur relevant, wenn (1) sie sich auf einen deutlich aus der Allgemeinheit hervortretenden Personenkreis beziehen, (2) der klar abgrenzbar und überschaubar ist und (3) dessen Mitglieder sich zweifelsfrei bestimmen lassen. Js Behauptung bezieht sich nur auf die zahlenmäßig überschaubaren Staatsminister. Sie lassen sich auch zweifelsfrei bestimmen.

6. J handelte vorsätzlich.

Ja, in der Tat!

Grundsätzlich setzt der subjektive Tatbestand der Verleumdung (§ 187 StGB) Vorsatz in Form von dolus eventualis voraus. Darüber hinaus muss der Täter "wider besseres Wissen" bezüglich der Unwahrheit der Tatsache handeln, er muss insofern sicher wissen, dass die Tatsache unwahr ist. J wusste, dass der Vorwurf nicht den M, sondern nur den S betrifft, in Bezug auf M also unwahr ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BL

Blotgrim

8.7.2022, 11:26:47

Wäre es hier bzgl des Behauptens

Eventualvorsatz

, da der J den M gar nicht mit reinziehen wollte ?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

20.7.2022, 16:32:53

Hallo Blotgrim,

Eventualvorsatz

liegt vor, wenn der Täter den Erfolgseintritt als ernsthaft für möglich hält und ihn aber billigend in Kauf nimmt. Er wusste zwar, dass die Tatsache bezüglich M unwahr ist, hat die Tatsache aber dennoch behauptet. Die Verleumdung des M hat er damit billigend in Kauf genommen. Da er sogar

positive Kenntnis

der Unwahrheit bezüglich des M hatte, könnte man sogar über directus 2. Grades nachdenken wenn er den Erfolgseintritt als sicher vorausgesehen hat. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

GNU

Gnu

20.1.2023, 16:23:15

Hat J damit eine siebenfach Verleumdung in Tateinheit begangen (wenn wir annehmen, dass er die Unwahrheit der Tatsache insgesamt kannte)?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

25.1.2023, 14:23:57

Hallo Gnu, genauso ist es. Da die Taten durch eine Handlung begangen wurden kommt nur Tateinheit in Betracht. Eine

Konsumtion

oder ein Zurücktreten scheidet aber angesichts der unterschiedlichen Tatopfer aus. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Cosmonaut

Cosmonaut

25.1.2024, 17:20:09

@[

Nora Mommsen

](178057) Hallo Nora, Wäre dein Ergebnis der siebenfachen Verleumdung in TE nicht eine unzulässige, mit dem Schuldprinzip nicht vereinbare

Vorsatz

-Versiebenfachung? Der J hatte hier doch nur

Vorsatz

bzgl. der Verleumdung des M und zweifelte zB gerade nicht an der Integrität des anderen Ministers.

Cosmonaut

Cosmonaut

25.1.2024, 17:21:14

Vorsatz

bzgl. der Verleumdung des S * - habe die Buchstaben vertauscht.

Liese

Liese

9.6.2024, 15:03:46

Handelt es sich vorliegend denn um eine Kollektivbezeichnung? Die Aussage bezog sich schließlich nicht auf alle Minister, sondern nur auf einen. Es wurde lediglich offen gelassen, um welchen Ministeres sich handelt.

LELEE

Leo Lee

10.6.2024, 04:12:45

Hallo Liese, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat hast du Recht: Die Aussage bezog sich nicht nur auf einen spezifischen Minister, sondern erstmal alle Minister. Allerdings schlägt sich diese Aussage auf den einzelnen Minister unter den 7 durch, weshalb hier eine Beleidung unter eine Kollektivbezeichnung vorliegt (siehe hierzu auch die entsprechende Frage Nr. 3) :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Liese

Liese

10.6.2024, 07:57:49

Danke für die schnelle Antwort! Bei mir verbleibt allerdings noch ein Störgefühl. In dem Artikel ging es nicht darum, dass allen Ministern als Kollektiv etwas nachgesagt wurde, sondern das ein einzelner nicht benannter Minister etwas getan haben soll. Es liegt also weder eine üble Nachrede bezüglich des Kollektivs vor (zB alle Minister sind bestechlich) noch hinsichtlich jedes einzelnen Ministers vor, da ja zwingend nur einer von ihnen gemeint sein kann. Man könnte zwar auch annehmen, dass dadurch, dass die Allgemeinheit nicht weiß, um welchen Minister es geht, alle Minister betroffen sind. Allerdings fordert man bei Beleidigungen unter Kollektivbezeichnung normalerweise, dass die

Ehrverletzung

dem Einzelnen zweifelsfrei zuzuordnen sein muss. Das finde ich hier fraglich. Über eine erneute Antwort würde ich mich freuen :)


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