Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Täterschaft und Teilnahme

Keine Mittäterschaft bei eigenhändigen Delikten

Keine Mittäterschaft bei eigenhändigen Delikten

25. Januar 2025

10 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M1 und M2 sind alkoholbedingt nicht mehr fahrtüchtig. Beide sind sich dessen bewusst. Dennoch überredet M2 den M1 dazu, ihn nach Hause zu fahren, was M1 dann auch tut.

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Einordnung des Falls

Keine Mittäterschaft bei eigenhändigen Delikten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M1 hat sich wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht, indem er unter Alkoholeinfluss mit seinem Pkw fuhr.

Genau, so ist das!

Der Tatbestand des § 316 Abs. 1 StGB setzt voraus: (1) Führen eines Fahrzeugs (2) im öffentlichen Verkehr (3) trotz alkohol- oder sonst rauschmittelbedingter Fahruntüchtigkeit und (4) Vorsatz.M1 hat trotz alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit ein Fahrzeug im Verkehr geführt. Da er dies erkannt hat, handelte er insoweit auch vorsätzlich (§ 15 StGB). Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor. Somit ist M1 strafbar wegen § 316 Abs. 1 StGB. Fraglich ist, ob auch dem M2 ein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden kann, immerhin war er es, der M1 zu dieser Tat überredet hat.
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2. Unter den Voraussetzungen der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) ist eine Zurechnung arbeitsteiliger Tatanteile grundsätzlich möglich.

Ja, in der Tat!

„Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich", wird ausweislich von § 25 Abs. 2 StGB „jeder als Täter bestraft". Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift besteht darin, dass jemand die Tat nicht „selbst" als Alleintäter und auch nicht „durch einen anderen" als mittelbarer Täter, sondern eben „gemeinschaftlich" mit einem oder mehreren anderen begeht. Dies hat zur Folge, dass die Mittäter sich ihre wechselseitigen Tatbeiträge je für sich zurechnen lassen müssen, als ob sie die Tat vollständig in eigener Person verwirklicht hätten.Insoweit fragt sich, ob dem M2 die Tathandlung des M1 nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann.

3. M2 hat sich wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Mittäterschaft (§§ 316 Abs. 1 StGB, 25 Abs. 2 StGB) strafbar gemacht.

Nein!

§ 316 StGB ist ein sog. eigenhändiges Delikt („führen"). Bei solchen Delikten kann nur derjenige Täter und damit auch Mittäter sein, der die mit Strafe sanktionierte Handlung eigenhändig vornimmt.Dies hat M2 aber gerade nicht getan, denn nur M1 hat das Fahrzeug geführt. Deshalb scheidet eine mittäterschaftliche Begehung vorliegend aus. Es liegt vielmehr die Konstellation einer Anstiftung vor (§§ 316 Abs. 1, 26 StGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Eichhörnchen I

Eichhörnchen I

22.6.2022, 14:19:42

Hallo, aufgrund des Sachverhalts („nicht mehr fahrtüchtig“) und des schönen Bildes, hätte ich Bedenken die Schuldfähigkeit ohne weiteres anzunehmen 😵‍💫 oder ist bei Sachverhalten ohne BAK-Angabe immer von Schuldfähigkeit auszugehen? Lg

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

22.6.2022, 14:55:31

Hallo Eichhörnchen I, in der Tat könnte man auf diesen Gedanken kommen. Da hier aber Sachverhaltsangaben dazu fehlen (BAK-Angabe) ist hier in der Tat die Schuldfähigkeit zu unterstellen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BL

Blotgrim

25.6.2023, 23:26:25

Fahruntüchtigkeit

und

Schuldunfähigkeit

liegen von den Grenzen ja auch sehr weit auseinander. Die

absolute Fahruntüchtigkeit

geht ja ab 1.1‰ los während die absolute

Schuldunfähigkeit

ab 3.0‰ startet. Deswegen würde ich nicht von dem einen auf das andere schließen

Artimes

Artimes

20.12.2023, 10:25:52

Wann kommen die beiden Ansichten zu einem unterschiedlichen Ergebnis? Oder kann man den Streit immer offenlassen?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

14.10.2024, 19:59:15

Hallo @[Artimes](3106), ich verstehe offen gesagt nicht wirklich, was Du genau meinst. Es geht hier nicht um einen Meinungsstreit mit verschiedenen "Ansichten", sondern um die Abgrenzung von Mittäterschaft und Teilnahme (und Alleintäterschaft). Das entscheidet sich maßgeblich danach, ob M1 und M2 hier die Tat "gemeinschaftlich" iSd § 25 II StGB begehen. Weil

§ 316 StGB

das

Führen eines Fahrzeugs

voraussetzt und M2 nicht selbst Gas gibt/lenkt/steuert etc, kann er nicht Mittäter sein. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Artimes

Artimes

15.10.2024, 09:55:32

@[Sebastian Schmitt](263562) Danke erst einmal. Offensichtlich habe ich die Frage an dieser Stelle nicht optimal platziert. ;) Mir geht es allgemein und abstrakt darum, wann die Tatherrschaftslehre der Literatur & die Animus-Theorie der Rechtsprechung in einer Klausur bzgl. der Frage der Abgrenzung Täterschaft & Teilnahme zu divergierenden Ergebnissen kommen würden. Ist das nun etwas klarer?

IT

itsjulesb1

23.10.2024, 17:34:34

Käme es in diesem Fall zu einem Unfall (Bsp.: M1 überfährt aufgrund der Trunkenheit einen Passanten, dieser verstirbt), wäre dann auch M2 strafbar (§ 222 durch das Überreden des M1 zur Trunkenheitsfahrt)?

Sassun

Sassun

15.12.2024, 11:03:52

(☛) § 316 "führen" (☛) § 154 (Eid leistender) (☛) §

323a

(Berauschter) (☛) § 339 (Amtsträger) (☛) § 173 (Verwandter)


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