Einführungsfall Menschenwürde
24. Januar 2025
7 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Gastwirt G will einen „Zwergenweitwurf“ veranstalten. Hierfür erklärt sich der kleinwüchsige K bereit, von Gästen durch Gs Lokal geschleudert zu werden. Die Behörde untersagt die Veranstaltung. Sie verletze Ks Menschenwürde und sei daher nach § 33a Abs. 2 Nr. 2 GewO sittenwidrig.
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Einordnung des Falls
Einführungsfall Menschenwürde
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Menschenwürde ist in Art. 1 Abs. 1 GG garantiert. Sie ist oberster Wert der Verfassung.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Menschenwürde schützt den Eigenwert des Menschen.
Genau, so ist das!
3. K kann selbst entscheiden, ob seine Menschenwürde vorliegend zu achten ist.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Könnte ein Eingriff in Ks Menschenwürde durch Gs Berufsfreiheit gerechtfertigt sein?
Nein!
5. Grundsätzlich ist G als Privatperson nur mittelbar an die Grundrechte gebunden. Ob dies auch für die Menschenwürde gilt, ist umstritten.
Genau, so ist das!
6. Aufgrund ihrer hohen Bedeutung ist die Menschenwürde weit auszulegen.
Nein, das trifft nicht zu!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Daniel
25.3.2023, 14:10:25
Ob die Menschenwürde un
mittelbare Drittwirkungentfaltet ist umstritten. In dem zugrundeliegenden Urteil stellt das VG auf die Schutzpflicht des Staates, und nicht auf eine un
mittelbare Drittwirkungab.
Lukas_Mengestu
4.4.2023, 17:44:14
Vielen Dank für Deinen Hinweis, Daniel! In der Tat brauchte sich das VG mit der unmittelbaren Drittwirkung nicht befassen. Denn der Werfer hatte sich hier gegen eine Unterlassungsverfügung der Behörde gewandt, weswegen es hier nur um die Frage ging, inwieweit die Behörde zugunsten des Geworfenen einschreiten musste/durfte (=Schutzpflicht). Wir haben hier aber noch präzisiert, dass die genaue Wirkung teilweise umstritten ist. In der Praxis wird es hierauf nicht ankommen, da der Private hier auch bei bloß mittelbarer Wirkung hinreichend geschützt wäre (zB Sittenwidrigkeit einer vertraglichen Verpflichtung, § 138 BGB). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
LS2024
11.1.2025, 14:23:31
Semantisch ergeben sich mir bei der letzte Frage und dem Antworttext weitere Fragen: 1. Eine weite Auslegung würde doch bedeuten, dass die Menschenwürde umfassend gewährt wird, da ihr Anwendungsbereich weit verstanden wird. Dem widerspricht der Antworttext der auf die besondere Bedeutung der Menschenwürde verweist nicht, sodass ich mich weiterhin frage, warum die Menschenwürde nicht weit ausgelegt wird. 2. Es heißt das aufgrund der besonderen Bedeutung eine restriktive Auslegung der Menschenwürde erforderlich ist. Doch eine restriktive Auslegung würde doch im Kontrast zur weiten Auslegung bedeuten, die Menschenwürde würde seltener zur Anwendung kommen, da der Anwendungsbereich verkürzt würde. Mithin ergibt sich auch das für mich gerade nicht aus der Begründung. Kann es also sein, dass die Menschenwürde tatsächlich weit auszulegen ist und nicht restriktiv auszulegen ist, sondern restriktiv (d.h. streng und ausnahmslos) anzuwenden ist. Bzw. was wäre dann die Argumentation gegen eine weite Auslegung?
SM2206
12.1.2025, 05:07:10
Man sagt, sie Menschenwürde sei deshalb eng auszulegen, weil andernfalls ihr besonderer Wert missachtet würde. Es ist eben der oberste Verfassungswert, der nicht ständig, sondern nur in krassen Ausnahmefällen herangezogen werden soll. Im Übrigen würde eine weite Auslegung auch zu dem Problem führen, dass man staatliche Handlungsspielräume zu weit einschränken würde. Die Menschenwürde ist "unantastbar", jedweder Eingriff führt deshalb immer zur Verfassungswidrigkeit der entsprechenden staatlichen Maßnahme. Das ist der eigentliche Grund für die enge Auslegung, klingt aber weit weniger feierlich und wird deshalb oft nur am Rande erwähnt.
LS2024
12.1.2025, 09:07:25
Ah super, das ist der logische Zwischenschritt in der Argumentation, der für mich gefehlt hat, danke @[SM2206](200598)