Zivilrecht

Werkrecht

Gewährleistung für Sach- und Rechtsmängel

Grenzen der Nacherfüllung (§ 635 Abs. 3 BGB)

Grenzen der Nacherfüllung (§ 635 Abs. 3 BGB)

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B lässt sich in seinem Badezimmer von U neue Fliesen verlegen. Er möchte zudem eine Fußbodenheizung, die sich morgens automatisch einschaltet. Nach Abnahme bemerkt B, dass dies nur manuell funktioniert. Eine Reparatur ist nur möglich, wenn der gesamte Boden erneut verlegt würde.

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Einordnung des Falls

Grenzen der Nacherfüllung (§ 635 Abs. 3 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist das Werk bei Gefahrübergang mangelhaft (§ 633 Abs. 2 BGB)?

Ja!

Das Werk ist mangelhaft, wenn es nicht die vereinbarte Beschaffenheit bei Gefahrübergang aufweist (§ 633 Abs. 2 S. 1 BGB). B und U vereinbarten, dass eine Fußbodenheizung verlegt werden soll, die sich automatisch morgens anschaltet. U baute eine Fußboden ein, die sich allerdings nur manuell einschalten lässt. Dies war auch schon bei Gefahrübergang der Fall.
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2. B hat grundsätzlich einen Anspruch auf Nacherfüllung (§ 634 Nr. 1 BGB, § 635 BGB).

Genau, so ist das!

Der Besteller hat einen Anspruch auf Nacherfüllung, wenn das Werk bei Gefahrübergang (Abnahme) mangelhaft ist (§ 634 Nr. 1 BGB, § 635 BGB, § 640 BGB). Der Unternehmer hat das Wahlrecht, ob er nachbessern oder das Werk neu herstellen möchte (§ 635 Abs. 1 BGB). Die Fußbodenheizung ist bei Gefahrübergang mangelhaft, sodass B das Recht auf Nacherfüllung zusteht (§ 634 Nr. 1 BGB, § 635 Abs. 1 BGB).

3. U kann die Nacherfüllung verweigern, wenn die Voraussetzungen des § 635 Abs. 3 BGB vorliegen.

Ja, in der Tat!

Nach § 635 Abs. 3 BGB besteht ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn die Nachbesserung mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden und damit unzumutbar ist. Ein Leistungsverweigerungsrecht kann sich nicht nur aus § 635 Abs. 3 BGB, sondern auch aus § 275 Abs. 2 BGB ergeben. § 275 Abs. 2 BGB hat allerdings deutlich strengere Anforderungen. Nach § 275 Abs. 2 BGB muss ein grobes Missverhältnis zwischen Aufwand und Nutzen vorliegen. Dieses Missverhältnis muss derart groß sein, dass es nahezu rechtsmissbräuchlich wäre, wenn eine Nacherfüllung gefordert werden könnte. Aufgrund dieser hohen Anforderungen ist seine Bedeutung im Werkvertragsrecht gering.

4. Ist die Nachbesserung des Mangels für U zumutbar (§ 635 Abs. 3 BGB)?

Nein!

Nach § 635 Abs. 3 BGB kann der Unternehmer die Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten möglich und damit unzumutbar ist. Dies ist anzunehmen, wenn der Besteller ein objektiv geringes Interesse an der mangelfreien Vertragsleistung hat und die Nacherfüllung einen unangemessenen Aufwand erfordert. U müsste den gefliesten Boden herausreißen, die Heizung austauschen und schließlich den Boden erneut fliesen. Die funktionierende Fußbodenheizung des B geht hingegen nur nicht automatisch morgens an. Im Verhältnis zu dem Nacherfüllungsaufwand, handelt es sich bei der Nacherfüllungsinteresse des B um ein objektiv geringes Interesse. Achtung: Verweigert der Unternehmer mit Recht gemäß § 635 Abs. 3 BGB die Nacherfüllung, so ist der Besteller auf die Rechte der § 634 Nr. 3 und 4 beschränkt. Insbesondere kann er mindern.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TO

Toralf

29.11.2022, 12:07:42

Ich denke, das kann man auch anders sehen. Schließlich muss der Besteller nun jedes Mal die Heizung selbst anstellen. Es ist nicht fernliegend, dass er ein erhebliches Interesse daran har, morgens einen geheizten Raum vorzufinden.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

29.11.2022, 15:30:16

Hallo Toralf, danke für deine Rückmeldung. In der Tat ist es immer eine Abwägungsfrage und kommt - wie meistens - auf den konkreten Einzelfall an. Dies wird in einer Klausur mit viel Sachverhaltsinformationen zum verwerten angelegt sein. :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Fuller at H(e)art

Fuller at H(e)art

29.6.2023, 20:34:08

Ich sehe das ganz ähnlich. Ein objektiv geringes Interesse lässt sich jedenfalls dann nicht mehr bejahen, wenn die Funktionsfähigkeit des Werkes spürbar beeinträchtigt ist. In Anbetracht, dass die Funktion des Werkes nicht allein im Heizen als solchem, sondern gerade dem automatischen Heizen besteht, liegt hier m.E. nicht nur ein objektiv geringes Interesse vor. Bei einer solch spürbaren Funktionsbeeinträchtigung kommt eine Verweigerung aufgrund

Unverhältnismäßigkeit

nicht in Betracht.

cjackson94

cjackson94

15.3.2023, 07:48:10

§ 635 III ist als Einrede zu verstehen oder? Also man muss sich auf sie berufen, richtig?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

20.3.2023, 16:40:18

Hallo cjackson94, danke für deine Frage. Bei

§ 635 Abs. 3 BGB

handelt es sich um eine peremptorische Einrede, also eine solche, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs dauerhaft aus. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Constanze.Jauch

Constanze.Jauch

12.4.2023, 18:48:57

Liebes Jurasfuchs-Team, ihr schreibt, dass das Interesse des B geringer ist, als der Aufwand des U. Trotzdem muss man die Frage, ob die Nacherfüllung für U mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist, mit Nein beantworten. Das ist falsch. Denn das geringer Interesse de B tritt hinter dem des U zurück. Lg Constanze

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

13.4.2023, 09:38:08

Hallo Constanze, ich glaube, hier hast Du die Fragestellung umgedreht. Gefragt war danach, ob die Nacherfüllung hier zumutbar ist. Dies ist - wie Du völlig zutreffend ausführst - nicht der Fall, da die Kosten unverhältnismäßig hoch sind. Deswegen lautet die Antwort hier nein. Wäre dagegen gefragt gewesen, ob die Nacherfüllung mit unverhältnismäßigen Kosten für U verbunden wäre, so wäre die Antwort in der Tat "Ja". Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BASA

Barbara Salesch

31.1.2024, 22:09:59

Wenn wie hier eine

Beschaffenheitsvereinbarung

in Bezug auf das Werk vorliegt (Fußbodenheizung soll automatisch funktionieren) müsste das dann nicht bei der Interessenabwägung stark zu Lasten des Unternehmers berücksichtigt werden? Also allgemeiner: Inwiefern kommt dem Vorliegen eines subjektiven Mangels Indizwirkung bei der Interessenabwägung zu?


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