Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Gläubiger- /Schuldnermehrheit

Gestörte Gesamtschuld 3 - gesetzliche Haftungsprivilegierung (Arbeitnehmer)

Gestörte Gesamtschuld 3 - gesetzliche Haftungsprivilegierung (Arbeitnehmer)

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Arbeitgeberin A mietet für eine Betriebsversammlung eine Halle der S-GmbH an. Auf dem Weg zur Halle rutscht Mitarbeiter M auf der überwucherten Zugangstreppe aus und verletzt sich. S hatte fahrlässigerweise das Moos nicht beseitigt. A hatte fahrlässig den Zugang nicht überprüft.

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Einordnung des Falls

Gestörte Gesamtschuld 3 - gesetzliche Haftungsprivilegierung (Arbeitnehmer)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M hat gegen S einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB.

Ja!

§ 823 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) einen Verletzungserfolg (2) durch ein zurechenbares Verhalten des Schädigers, der dabei (3) rechtswidrig und (4) schuldhaft gehandelt haben muss. Hierdurch muss (5) ein kausaler Schaden entstanden sein.Als Eigentümerin der Sporthalle traf S die Verkehrssicherungspflicht den sicheren Zugang zu dieser zu gewährleisten. Diese Pflicht hat sie rechtswidrig und schuldhaft verletzt, wodurch Ms Körper und Gesundheit geschädigt wurden. Die hierdurch entstehenden Behandlungkosten sowie das M zustehende Schmerzensgeld (§ 253 BGB) stellen einen kausalen Schaden dar.Ebenfalls in Betracht kommt ein vertraglicher Schadensersatzanspruch in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.
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2. Arbeitgeberinnen sind ihren Mitarbeitern zur Fürsorge verpflichtet. Bei Verletzung dieser Pflicht können sie sich grundsätzlich schadensersatzpflichtig machen.

Genau, so ist das!

Arbeitgeber sind im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses verpflichtet, Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers zu schützen. Es handelt sich hierbei um eine vertragliche Schutzpflicht, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB begründen kann.

3. A hat ihre Fürsorgepflicht gegenüber M verletzt.

Ja, in der Tat!

Arbeitgeber sind im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses verpflichtet, Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers zu schützen. Dazu gehört auch die Pflicht den sicheren Zugang zu betrieblichen Veranstaltungen zu gewährleisten.Indem A den Zugang zur Halle nicht überprüft hat, hat sie ihre Fürsorgepflicht gegenüber M verletzt.

4. Innerhalb eines Arbeitsverhältnisses gibt es besondere Haftungsprivilegierungen des Arbeitgebers sowie zwischen Arbeitnehmern.

Ja!

Arbeitgeber sind verpflichtet, zugunsten ihrer Beschäftigten in die gesetzliche Unfallversicherung einzuzahlen. Zum Ausgleich dafür, sind sie und ihre Betriebsangehörige nur beschränkt für Unfälle haftbar, die während des Arbeitsverhältnisses geschehen (§§ 104 ff. SGB VII). Hierdurch soll der Betriebsfrieden gewahrt und vermieden werden, dass innerhalb des Betriebes Haftungsprozesse geführt werden müssen.

5. Steht M gegen A ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zu?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Schädiger den Schaden zu vertreten hat. Die Haftung des Arbeitsgebers für Personenschäden im Rahmen von Arbeitsunfällen im Betrieb ist dabei auf vorsätzliches Handeln begrenzt (§ 104 Abs. 1 SGB VII).A ist im Hinblick auf die unterbliebene Kontrolle des Zugangs allenfalls Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Damit scheidet ein Schadensersatzanspruch gegen A aus.

6. Auch wenn A eine gesetzliche Haftungsprivilegierung zusteht, kann S bei A anteilig Regress nehmen.

Nein, das trifft nicht zu!

Bei gesetzlichen Privilegierungen muss durch Auslegung der jeweiligen Vorschriften festgestellt werden, zu wessen Lasten die Haftungsprivilegierung gehen soll. Anders als bei vertraglichen Haftungsbeschränkungen lässt die Rechtsprechung hier die unmittelbare Kürzung des Anspruches zu. Es geht somit nur um die Frage, ob der Geschädigte oder der Dritte die Last zu tragen haben. Der privilegierte Schädiger wird dagegen nie in Anspruch genommen. Denn seine Privilegierung soll nicht durch Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden.Da A die Haftungsprivilegierung zugute kommen soll, kann S bei ihr keinen Rückgriff nehmen.

7. Ms Anspruch gegen S ist anteilig um As Verantwortungsbeitrag zu kürzen.

Ja!

Bei Arbeitsunfällen, die durch einen nach §§ 104 ff. SGB VII privilegierten Arbeitgeber oder Arbeitskollegen mitverursacht worden ist, beschränkt sich die Haftung des Zweitschädigers auf seinen Verantwortungsteil. Denn der Grund der Haftungsprivilegierung, Sicherung des Betriebsfriedens, kann ihm nicht zum Nachteil gereichen. Dass die Ansprüche des Geschädigten insoweit gekürzt sind rechtfertigt sich zudem dadurch, dass ihm entsprechende sozialversicherungsrechtliche Ansprüche gegen die Unfallkasse zustehen.Da S nicht Teil des Sozialversicherungsverhältnisses ist, muss sie nur ihren Verantwortungsteil an dem Unfall an M zahlen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PH

Philippe

27.8.2022, 15:47:41

Findet hier keine

cessio legis

zugunsten der Unfallversicherung statt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.9.2022, 12:23:49

Hallo Philippe, sofern die Unfallversicherung ihre Leistung an M erbringt, geht der anteilige Anspruch gegen S in der Tat auf die Unfallversicherung über (§ 116 Abs. 1 SGB X). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SH

Shilaw

2.9.2023, 23:09:24

Bedeutet dies, dass die Unfallversicherung für den ganzen Schaden aufkommt, wie bei einer Gesamtschuldnerschaft und anschließend vom Nichtprivilegierten iSd. § 426 I anteilig Regress nehmen kann?

CR7

CR7

19.6.2024, 13:17:24

Naja, die Sozialversicherung bekommt den Anspruch ja kraft Gesetzes. Sie braucht dann nicht im Wege der Gesamtschuldnerschaft Regress nehmen.

MAG

Magnum

29.7.2024, 15:20:23

Warum diskutieren wir hier nicht ein Mitverschulden über §§ 254 II 2, 278 wie bei dem Fall der gestörten Gesamtschuld im Eltern-Kind-Verhältnis?

AS

as.mzkw

16.10.2024, 10:09:09

Sollte man in einer Klausur wohl machen, aber schnell ablehnen, weil im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses ja kein Schuldverhältnis zwischen S und M bestand, jedenfalls wenn man einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ablehnt. Wurde hier wahrscheinlich nicht angesprochen, weil es im Schwerpunkt eben um die GGS geht.


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