Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Fahrlässigkeit

Abwandlung: Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo

Abwandlung: Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

LKW-Fahrer L lässt nur einen Abstand von 0,75m zum Radfahrer R. R ist betrunken (1,96 Promille). Als L überholt, erschrickt sich R, gerät unter die Räder und ist tot. Möglicherweise wäre R auch bei Einhaltung des Sicherheitsabstandes gestürzt.

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Einordnung des Falls

Abwandlung: Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Tod des R ist dem L nach der Vermeidbarkeitstheorie objektiv zuzurechnen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Bei Fahrlässigkeitsdelikten muss im Rahmen der objektiven Zurechnung auch ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang bestehen. Dieser ist nach der Vermeidbarkeitstheorie gegeben, wenn der konkrete Erfolg bei pflichtgemäßen Alternativverhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermeidbar gewesen wäre.Der R wäre bei Einhaltung ausreichenden Sicherheitsabstands zwar nur möglicherweise gestürzt. Wenn allerdings nach den konkreten Umständen auch nur die Möglichkeit besteht, dass der Erfolg auch ohne die Pflichtverletzung eingetreten wäre, muss dies in dubio pro reo angenommen und der Pflichtwidrigkeitszusammenhang verneint werden.
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2. Der Tod des R wäre dem L aber nach der Risikoerhöhungslehre objektiv zuzurechnen.

Ja, in der Tat!

Nach der Risikoerhöhungslehre ist der Pflichtwidrigkeitszusammenhang gegeben, wenn das pflichtwidrige Verhalten das Risiko verglichen mit dem rechtmäßigen Alternativverhalten erhöht hat.Der zu geringe Abstand des L beim Überholen hat das Risiko eines Unfalls mit R deutlich erhöht. R's Tod wäre hiernach trotz der Zweifel hinsichtlich des hypothetischen Geschehens dem L zurechenbar. Für die Risikoerhöhungslehre sprechen in Bezug auf rechtsgutskritische Fälle, bei denen sich die Vermeidbarkeit nicht sicher nachweisen lässt, kriminalpolitische Erwägungen.Gleichwohl steht sie in Widerspruch zum Grundsatz in dubio pro reo und deutet die Verletzungsdelikte contra legem in Gefährdungsdelikte um.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Kat

Kat

6.1.2022, 11:11:25

Ist das nicht genau der gleiche Fall wie der davor?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.1.2022, 11:39:15

Hallo Kat, auch wenn die Ansichten hier zum gleichen Ergebnis kommen wie zuvor, bestehen hier Unterschiede im Hinblick auf den Grad der eintretenden Wahrscheinlichkeit. Nach der

Vermeidbarkeitstheorie

kann man hier nur unter Rückgriff auf den Grundsatz in dubio pro reo die objektive Zurechnung ablehnen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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