Psychiatriefall

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Ärztin A der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses gewährt der Patientin P unbeaufsichtigten Ausgang. P tötet dabei zwei Menschen. Grundlage für die falsche Gefahrenprognose war die methodisch inkorrekte Verwendung eines veralteten Prognoseverfahrens.

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Einordnung des Falls

Psychiatriefall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat sich objektiv sorgfaltspflichtwidrig verhalten (§ 222 StGB).

Ja, in der Tat!

Bei der Erstellung von psychiatrischen Gefahrenprognosen sind die Regeln der ärztlichen Kunst zu beachten. Eine im Ergebnis falsche Prognose begründet nur dann eine Pflichtwidrigkeit, wenn sie methodisch inkorrekt, das heißt auf unvollständiger Tatsachengrundlage oder unter unrichtiger Bewertung der Tatsachen, erfolgt ist. Dazu gehört auch die methodisch korrekte Verwendung von Verfahren auf einem aktuellen wissenschaftlichen Stand. A hat nach einem veralteten Prognoseverfahren die Begutachtung methodisch inkorrekt durchgeführt.
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2. Der Tod der zwei Menschen war auch objektiv vorhersehbar.

Ja!

Die objektive Vorhersehbarkeit setzt voraus, dass der Erfolgseintritt sowie Kausalverlauf für einen Durchschnittsmenschen des jeweiligen Verkehrskreises absehbar gewesen ist. Für einen durchschnittlichen psychiatrischen Arzt ist es nicht unvorhersehbar, dass eine noch gefährliche untergebrachte Person bei Gewährung von unbeaufsichtigten Ausgang weitere Straftaten, mitunter Tötungsdelikte, begeht.

3. Der Tod der zwei Menschen ist der A auch objektiv zurechenbar.

Genau, so ist das!

Bei Fahrlässigkeitsdelikten muss im Rahmen der objektiven Zurechnung auch ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang bestehen. Dieser ist nur gegeben, wenn sich im konkreten Erfolg gerade die Gefahr verwirklicht, die der Täter durch seine Sorgfaltspflichtverletzung geschaffen hat. Ein Dazwischentreten Dritter unterbricht die Zurechnung nicht, wenn die fahrlässig gesetzte Gefahr die vorsätzliche Handlung erst ermöglicht und sich die Zweithandlung noch im Rahmen des Voraussehbaren hält.Der fahrlässig gewährte Ausgang hat die Tötung erst ermöglicht. P's vorsätzliche Taten waren objektiv voraussehbar und bei pflichtgemäßem Verhalten objektiv vermeidbar.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

jomolino

4.10.2021, 20:27:34

Den Fall gab es doch original so schon un einem anderen Kapitel?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.10.2021, 09:54:51

Hallo nomamo, sehr gut gesehen! Es kommt zwar nicht der identische Sachverhalt in anderen Lektionen vor, aber ein Fall der auf dem gleichen Ausgangsfall beruht (zB hier: https://jurafuchs.app.link/CaKjTyB17jb). Es kann verschiedene Gründe haben, warum wir ähnliche oder sogar identische Sachverhalte mehrfach verwenden. Die komplexen Sachverhalte aus Originalentscheidungen haben in der Regel m

ehre

re interessante Aspekte, auf die es sich lohnt einzugehen. So kann es sein, dass zB ein Schwerpunkt auf der Kausalität liegt und ein zweiter auf Ebene der Rechtfertigung. Um beide Aspekte entsprechend zu würdigen ohne zu sehr vorzugreifen, wird der Fall dann noch einmal aufgegriffen. Gleichzeitig tritt im Hinblick auf die Fallkonstellation natürlich ein gewisser (erwünschter) Wiederholungs- und Trainingseffekt ein. In anderen Fällen - wie hier - wandeln wir Fälle ab oder betonen bestimmte neue Aspekte, sodass der Schwerpunkt oder auch das Ergebnis des Falles ein anderes ist. Wir wollen uns damit also keineswegs Arbeit ersparen :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CH1RON

CH1RON

1.5.2022, 23:54:33

Dann verwendet doch auch dasselbe Bild! ;)

Ranii

Ranii

20.5.2022, 11:03:12

Vielleicht könnte man noch hier den relevanten Streitstand darstellen (PWZ bei vorsätzlichem

Dazwischentreten Dritter

) :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

3.6.2022, 16:05:54

Hallo Leo Lee, sehr guter Hinweis. Grundsätzlich gilt im Strafrecht das sog. Verantwortungsprinzip, wonach jeder sein Verhalten nur darauf auszurichten hat, dass er selbst

Rechtsgüter

nicht gefährdet. Er muss - grundsätzlich - also nicht auch dafür sorgen, dass andere ebenfalls keine

Rechtsgüter

verletzen. Insoweit ist durchaus fraglich, inwieweit eine strafrechtliche Verantwortung bei bloß mittelbarer Verursachung einer vollverantwortlich begangenen fremden

Vorsatz

tat besteht (vgl. Sch/Sch/Eisele, StGB, 30.A. 2019, vor §§ 13 ff. RdNr. 101j mwN). Nichtsdestotrotz wird von der hM eine Erfolgszurechnung über eine fahrlässige Täterschaft des Hintermanns für möglich gehalten, sofern der Erfolgseintritt für den Hintermann voraussehbar war. Ohne auf diesen Streit explizit einzugehen, hat der BGH im vorliegenden Fall die Zurechnung bejaht. ALlerdings hat er den Umstand, dass es hier um eine fremde

Vorsatz

tat ging, bei der Strafzumessung als mildernden Umstand angesehen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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