Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Geschäftsfähigkeit

§ 107 BGB, § 183 S. 2 BGB Widerruf der Einwilligung, Adressat der Einwilligung und des Widerrufs fallen auseinander

§ 107 BGB, § 183 S. 2 BGB Widerruf der Einwilligung, Adressat der Einwilligung und des Widerrufs fallen auseinander

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Eltern E des 14-jährigen K erzählen Tante T, dass K ihr seinen alten Tennisschläger verkaufen darf. Noch bevor T den K jedoch kontaktieren kann, überlegen die E es sich anders. Sie sagen zu K, dass sie nicht mehr möchten, dass er den Schläger verkauft, weil sein Bruder B ihn bekommen soll.

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Einordnung des Falls

§ 107 BGB, § 183 S. 2 BGB Widerruf der Einwilligung, Adressat der Einwilligung und des Widerrufs fallen auseinander

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die E haben ihre Einwilligung zunächst gegenüber T erteilt, jedoch vor Abschluss des Kaufvertrags nur gegenüber K widerrufen.

Ja!

Der Widerruf kann sowohl gegenüber dem Minderjährigen als auch gegenüber dessen Vertragspartner erklärt werden (§ 183 S. 2 BGB).
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2. Die Einwilligung der E bleibt solange wirksam, bis sie der T mitteilen, dass sie diese widerrufen haben (§ 170 BGB analog).

Genau, so ist das!

Der Widerruf kann sowohl dem einen als dem anderen Teil gegenüber erklärt werden (§ 183 S. 2 BGB). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Einwilligung gegenüber dem Vertragspartner, deren Widerruf aber gegenüber dem Minderjährigen erklärt wird. Dann ist der Widerruf zwar wirksam, jedoch hat der Vertragspartner ein berechtigtes Vertrauen auf den Fortbestand der Einwilligung, welches durch die analoge Anwendung der §§ 170ff. BGB geschützt wird. Die E haben ihre Einwilligung zunächst nur gegenüber T erteilt, jedoch vor Abschluss des Kaufvertrags nur gegenüber K widerrufen. Gem. § 170 BGB analog bleibt ihre Einwilligung solange wirksam, bis E der T mitteilen, dass sie sie widerrufen haben.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Blackpanther

Blackpanther

27.4.2022, 19:04:03

Wie ist die Folge? Ich könnte mir 2 Möglichkeiten vorstellen: 1) Die Einwilligung ggü. T bleibt bestehen, wenn ihr vor Vornahme des Rechtsgeschäfts kein Widerruf der E zugeht (§ 183 S. 1) und es kommt zum Vertragsschluss. 2) K haftet der T als Vertreter ohne Vertretungsmacht § 179 analog?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.5.2022, 17:20:05

Hallo Blackpanther, da der T gegenüber der Widerruf nicht angezeigt wurde, bleibt diese ihr gegenüber bestehen. Der Vertragsschluss ist also wirksam. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CR7

CR7

7.11.2022, 13:18:43

Nehmen wir an, der Vertrag kommt nicht zustande. Hätte T nicht einen Anspruch aus 179 und cic?

AS

as.mzkw

2.10.2024, 14:25:32

@[CR7](145419) § 179 III 2 BGB steht einer Haftung des K entgegen oder?

AW

awiertel

23.7.2022, 01:39:34

Aus welchem Grund ist Paragraf 170 BGB hier nur analog anwendbar?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

27.7.2022, 19:22:18

Hallo awiertel, der Anwendungsbereich einer Norm ergibt sich zunächst aus ihrem Wortlaut. § 170 BGB bezieht sich direkt auf die "Vollmacht", also die durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht (vgl. § 166 Abs. 2 BGB). Hier geht es aber nicht darum, dass K die E vertreten soll, sondern, dass die Eltern zu Ks Geschäft zustimmen. Eine direkte Anwendung scheidet aus. In Betracht kommt insoweit die analoge Anwendung. Hierfür bedarf es 1) einer planwidrigen Regelungslücke und 2) einer vergleichbaren Interessenlage. Da es mit Blick auf die EInwilligung keine eigenständige Regelung hinsichtlich der

Fortwirkung

gibt (planwidrige Regelungslücke), die Interessenlage aber vergleichbar mit der einer widerrufenen Vollmacht ist (vergleichbare Interessenlage), kann man § 170 BGB hier analog anwenden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CO

cornelius.spans

9.11.2024, 19:40:43

Sind die Interessenslagen denn tatsächlich vergleichbar? Der Gesetzgeber zielt im Minderjährigenrecht grundsätzlich auf eine absolute Schutzwirkung ab, die gegenüber dem Verkehrsschutz Vorrang hat. Warum sollte das hier anders dein? Insb., da der rechtlich nachteilige Vertrag nicht die gesetztlichen Vertreter als Verursacher der Situation, sondern den Minderjährigen treffen würden. Im Gegensatz hierzu trifft bei § 170 BGB den Verursacher die Rechtsscheinshaftung in dem dieser Vertragspartei wird. Die Vergleichbarkeit der Interessenslagen erscheint mir daher nicht so eindeutig. LG

Rechthaber

Rechthaber

14.11.2024, 11:19:15

Die analoge Anwendung ist denk ich mal strittig, gerade wegen dem Argument, dass du angeführt hast. Bei 170 wird derjenige verpflichtet, der in zurechenbarer Weise den Rechtsschein gesetzt hat ( Der Vertretene, der durch Außenvollmacht den Rechtsschein einer wirksamen Bevollmächtigung gesetzt hat) Diese Situation ist mit der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nicht vergleichbar weil den Rechtsschein einer wirksamen Einwilligung die Eltern gesetzt haben, die Folgen aber das Kind treffen trotz fehlender Zurechenbarkeit. Außer man sieht die Zurechenbarkeit darin, dass das Kind den Vertragspartner darüber hätte aufklären müssen, dass die Eltern am Ende doch nicht mit dem Vertrag einverstanden sind, was ich aus Minderjährigengesichtspunkten letztlich aber verneinen würde.

CAS

Captain Stupid

12.1.2024, 09:01:42

Hallo jurafuchs-Team, grundsätzlich habe ich verstanden, dass der Vertragspartner ein berechtigtes Vertrauen auf den Fortbestand der Einwilligung hat, wenn sie ihm gegenüber erklärt, aber nicht widerrufen wurde. Wie sind aber die Folgen dieser Situation? Ein und dieselbe Willenserklärung ist ja scheinbar gleichzeitig sowohl für den einen Teil wirksam, als auch für den anderen Teil unwirksam. Dieser Zustand muss doch alsbald aufgelöst werden!? Auch in eurer Lösung steht, dass wirksam widerrufen wurde, aber die Einwilligung gegenüber T gleichzeitig wirksam bleibt... Können daraus evtl. Schadensersatzansprüche des auf die Gültigkeit der Einwilligung vertrauenden Teils entstehen ?

TI

Timurso

12.1.2024, 09:41:50

Die Folge ist, dass die Einwilligung im Verhältnis zur T weiter gültig ist, allerdings ggü. anderen nicht. Ein Vertrag kann hier zustande kommen. Insofern ist die T auch nicht schadensersatzberechtigt, da sie (im Falle des Vertragsschlusses) ja Erfüllung verlangen kann.

CAS

Captain Stupid

14.1.2024, 01:18:49

Ah okay, vielen Dank für deine Antwort. Ich glaube ich habe hier auch verwechselt, dass es ja tatsächlich nur um den Widerruf der Einwilligung geht, nicht um den Widerruf eines Angebots i.S.d. 145 ff.

NIE

Niels

26.7.2024, 10:18:17

Hallo, ich frage mich wieso hier, anders als in den vorherigen Fällen die Einwilligung gegenüber der Tante weiter besteht, obwohl die Sachlage gleich ist; die Einwilligung kann beiden Teilen gegenüber widerrufen werden. Wieso ist hier ein Widerruf gegenüber der Tante notwendig? VERBESSERUNGSVORSCHLAG: ich würde mir wünschen, dass bei den Kommentaren und auch wie hier, beim schreiben eines Kommentars, oben der Fall zu lesen wäre. Während des Lesens eines Kommentars bzw des Verfassens eines, wäre es hilfreich den Sachverhalt nochmals überfliegen zu können um besser zu verstehen, was der Verfasser meint. Oder eben selbst nochmal während des Schreibens nachlesen zu können ohne zurück gehen zu müssen. Gerade für mich, der meist die App verwendet ist das schwierig. Danke dafür!


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