Zivilrecht

Schadensrecht

Haftungsbeschränkungen

Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten

Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten

19. Mai 2025

18 Kommentare

4,7(20.046 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der stets unaufmerksame Ehemann M stößt leicht fahrlässig beim Staubsaugen in der gemeinsamen Wohnung den teuren Computer seiner Frau F um. Der Computer fällt auf den Boden und wird beschädigt.

Diesen Fall lösen 68,8 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem M den Computer beschädigte, hat er das Eigentum der F verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Eine Eigentumsverletzung ist (1) die Einwirkung auf die Sachsubstanz, (2) die Entziehung oder 3) Vorenthaltung der Sache oder (4) eine schwerwiegende Beeinträchtigungen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache. Hier hat der Computer durch den Sturz einen Schaden erlitte, das Eigentum der F wurde verletzt. Die Verletzungshandlung des M war auch kausal für den Schaden.
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2. M handelte schuldhaft (§ 823 Abs. 1 BGB).

Nein!

Ein Verschulden liegt grundsätzlich vor, wenn M vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat (§ 276 Abs. 1 BGB). Etwas anders gilt nur, wenn zugunsten des M ein anderer Haftungsmaßstab gilt. Nach § 1359 BGB haben Ehegatten (1) bei bestehender Ehe (2) für Schäden, die bei der Erfüllung der sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen im häuslichen Bereich eingetreten sind, einander nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen (sog. diligentia quam in suis,vgl. § 277 BGB). Es ist daher ein subjektiver Maßstab anzulegen, d.h. es ist darauf abzustellen, welche Sorgfalt der M in seinen eigenen Angelegenheiten anwendet. M ist auch in eigenen Angelegenheiten stets unaufmerksam. Da M hier nur leicht fahrlässig gehandelt hat, hat er die Eigentumsverletzung nicht zu verschulden (§ 277 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Paulah

Paulah

23.2.2024, 11:15:51

Mich irritiert hier wieder der Fragen-Aufbau. Die Aussage lautet: "M handelte

schuld

haft nach § 823 Abs. 1 BGB." Die Antwort soll sein "Nein", mit der Begründung des Haftungsmaßstabs § 1359 BGB. In einer Klausur würde ich prüfen § 832 Abs. 1 BGB? Ja! Er könnte aber aufgrund der Haftungserleichterung § 1359 BGB entlastet sein. Ist das falsch? Wenn nicht, ist die Aufgabenstellung nicht gut.

LELEE

Leo Lee

26.2.2024, 18:19:36

Hallo Paulah, vielen Dank für dein Feedback! In der Tat können wir es nachvollziehen, dass unsere Frage-Antwort-Format manchmal verwirrend sein kann. Beachte hier allerdings, dass die Aussage zutrifft, denn 823 I kann gerade NICHT gegeben sein, wenn kein Ver

schuld

en vorliegt. Und ob ein Ver

schuld

en vorliegt, richtet sich vor allem nach 276 I BGB. Allerdings modifiziert sich dieser Ver

schuld

ensmaßstab gem. 1359 Richtung 277, weshalb der „stets“ unaufmerksame Ehemann M hier aufgrund des modifizierten Maßstabs nicht

schuld

haft handelt. D.h., dass 1359 (und i.Ü. alle anderen Ver

schuld

ensmodifikationen) innerhalb des Punktes „Ver

schuld

ens“ gem. 823 I geprüft werden müssen und nicht später separat als „Haftungserleichterung“. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Roth § 1359 Rn. 2 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

in persona

in persona

6.6.2024, 18:44:19

kommt eine

Haftungsprivilegierung

auch beispielsweise beim Zusammenleben in einer WG in Betracht?

PAT

Patrick4219

27.7.2024, 18:48:07

Ich würde spontan sagen, dass eine analoge Anwendung der

Haftungsprivilegierung

ausscheidet. Da 274 BGB auch für die WG gilt fehlt es an keiner Regelungslücke. Auch eine Planwidrigkeit ist für mich nicht ersichtlich, da sich im BGB an vielen Stellen

Haftungsprivilegierung

en finden und daher davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber hier das Bedürfnis einer gesonderten Regelung erkannt hätte falls ein solches bestanden hätte. Letztlich ist die WG allein aufgrund des grubdgesetzlichen Schutzes unter den die Familie, jedoch nicht die WG fällt, nicht mit der Familie vetgleichbar. Die Interessenlagen sind hier aufgrund der gelockerten Beziehungsverhältnisse (man denke an bloße Zweck-WG's) grundauf verschieden.

OKA

okalinkk

5.4.2025, 20:36:31

@[Patrick4219](231635) wie sieht es mit einer analogen Anwendung auf eine nichteheliche Lebensgemeinschaft aus?

FalkTG

FalkTG

29.8.2024, 09:06:04

warum 276 ist doch delikt

LELEE

Leo Lee

1.9.2024, 09:59:25

Hallo FalkTG, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat steht 276 systematisch beim

Schuld

recht. Beachte allerdings, dass in 276 auch allgemein das Ver

schuld

en definiert wird, weshalb 276 auch als genereller Maßstab für das Ver

schuld

enserfordernis (

Vorsatz

/Fahrlässigkeit) rangezogen werden kann. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Grundmann § 276 Rn. 37 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

FTE

Findet Nemo Tenetur

1.12.2024, 01:28:28

Ich dachte § 276 I definiert das Vertretenmüssen und dass sich das Ver

schuld

en von diesem gerade darin unterscheidet, dass die Haftungsmodifizierung des § 276 I 1 “(…)wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des

Schuld

verhältnisses (…) zu entnehmen ist.” iRd Ver

schuld

ens nicht gilt. So wie ich es verstehe, besteht deshalb überhaupt erst die Diskussion, ob

Haftungsprivilegierung

en auch im Deliktsrecht gelten sollen (oder stimmt das so nicht?). Vielleicht könnte man deshalb “vgl.” § 276 I in der Antwort präzisieren?

Nils

Nils

27.12.2024, 06:42:53

Ich glaube du hast §

276 BGB

mit

§ 278 BGB

vertauscht? Daher vielleicht die Verwirrung.

§ 278 BGB

ist im Deliktsrecht nicht anwendbar, denn diese Norm setzt ein bestehendes

Schuld

verhältnis bei

Schaden

seintritt voraus. Dieses entsteht im Rahmen von §

823 BGB

aber erst mit dem schädigenden Ereignis.

§ 278 BGB

ist eine bloße Zurechnungsnorm. Mit § 8

31 BGB

gibt es aber sogar eine eigene Anspruchsgrundlage, die das regelt. Daher darf man im Deliktsrecht keinen Anspruch aus

§ 278 BGB

prüfen bzw. ein Verhalten über § 8

31 BGB

zurechnen.

IA

InDubioPro“Es kommt drauf an“

4.11.2024, 17:11:00

könnte ein

schaden

sersatz nicht über 280 geltend gemacht werden. Zumal der ehevertrag rechte und pflichten begründet womit ein

schuld

verhältnis vorläge. der Anspruch hätte unter anderem eine beweislastumkehr zum Vorteil

AN

Antonia

5.11.2024, 02:54:22

Würde auch dann eine Eigentumsverletzung nach § 823 vorliegen, wenn der Computer im Miteigentum beider Ehegatten steht?

Tobias Krapp

Tobias Krapp

6.11.2024, 15:12:46

Hallo @[Antonia](79449), ja, auch das Miteigentum reicht für die Eigentumsverletzung nach § 823 I BGB. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias

ON

oniii

29.3.2025, 21:41:18

Laut Lorenz kommen diese

Haftungsprivilegierung

en für die „

diligentia quam in suis

“ nur für die einfache Fahrlässigkeit in Betracht, vgl. §

277 BGB

. Dieselbe

Haftungsprivilegierung

gibt es auch in §§ 690 (unentgeltliche Verwahrung), 1664 (Eltern ggü. Kind), 2131 (Vorerbe ggü. Nacherbe).


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