Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Unmöglichkeit (§ 275 BGB) (Leistungsstörungsrecht)
Gattungsschuld: Konkretisierung (Bringschuld)
Gattungsschuld: Konkretisierung (Bringschuld)
14. Juli 2025
21 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V kommt mit dem Einkaufen nicht hinterher. Deswegen bestellt er beim Lieferdienst Schimpanse (S) eine Monatsration Tiefkühlpizza. Kurz vor Vs Haustür fällt S der Stapel um und alle Pizzen gehen kaputt.
Diesen Fall lösen 94,1 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Gattungsschuld: Konkretisierung (Bringschuld)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Vs Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Pizzen ist entstanden (§ 433 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
2. Ob die Übergabe und Übereignung für S unmöglich ist, bestimmt sich nach der Art der vereinbarten Schuld.
Ja!
3. V und S haben eine Stückschuld vereinbart.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Sofern S alles für seine Leistung Erforderliche getan hat, ist durch die Zerstörung der Pizzen Unmöglichkeit eingetreten (§ 275 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
5. Ab wann Konkretisierung eintritt, bestimmt sich nach der vereinbarten Leistungshandlung.
Ja!
6. S ist verpflichtet, die Tiefkühlpizzen zu V nach Hause bringen. Liegt eine Bringschuld vor?
Genau, so ist das!
7. S hat die geschuldete Gattungsschuld konkretisiert, weshalb durch die Zerstörung der Pizzen Unmöglichkeit eingetreten ist (§ 275 Abs. 1 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Sambajamba10
11.6.2023, 10:28:55
Sehr nice Zeichnung!

Charles "Chuck" McGill
22.2.2025, 08:45:01
Im Rep wurde uns beigebracht, dass der BGH bei Essenslieferungen stehts eine
Schickschuldannimmt, "als Kompensation für die Erleichterung" oder so in der Art. Also weil das quasi das Mittelding ist und der Käufer ja sehr von der Lieferung profitiert (Nach den Motto: "früher musste man selbst abholen"), so dass konludrnt eine
Schickschuldvereinbart sei. Hat jemand dazu vllt. Urteile?

fwerf
4.3.2025, 23:56:37
Ich glaube die Unterscheidung ergibt sich danach, ob man bspw. direkt bei einer Pizzeria bestellt und diese auch liefert (dann je nach den Umständen
Schickschuld) oder ob man bei einem Lieferanten wie Lieferando bestellt, wo dann ein Lieferando-Fahrer das Essen eines Dritten liefert (dann jedenfalls
Bringschuld). Wäre jetzt aber nur geraten 😅
Jessica
25.3.2025, 11:26:12
Würde mich auch sehr interessieren warum man hier keine
Schickschuldannimmt, zumal der Gesetzgeber in 269 III die
Bringschuldja als subsidiär ansieht.
Shark
1.5.2025, 02:27:10
Aber man bezahlt den Lieferdienst doch extra dafür, dass er das Ding bringt. Finde ich jetzt nicht schlüssig. Man profitiert als Kunde ja immer, wenn etwas gebracht wird.

Nadim Sarfraz
10.6.2025, 15:03:15
Lieber @[Charles "Chuck" McGill](291345), vielen Dank für Deine Nachfrage. In Rspr. und Lit. lassen sich keine einschlägigen Entscheidungen / Passagen finden, die konkreten Aufschluss liefern. Wenn man allerdings im Rahmen der "Natur des
Schuldverhältnisses" gem. § 269 Abs. 1 BGB argumentiert, so lassen sich zumindest bei unserem Fall Argumente sowohl für eine Schick- als auch eine
Bringschuldfinden. Zunächst zum ebenfalls aufgeworfenen Fall einer Bestellung warmer Speisen ("Lieferando"). Hier würde ich stark dazu tendieren, dass die Natur des
Schuldverhältnisses für eine
Bringschuldspricht: Wie @[Shark](264930) bereits ausgeführt hat, ist hier maßgebliche Vertragsleistung, dass das warme Essen vor die Haustür gebracht wird. Der "Versand" (also der Transport des Essens) ist für den Besteller nicht nur ein neben der Hauptleistung zusätzlicher Komfort wie beim Versandhandel. Vielmehr prägt der Erfolg, dass das Essen warm und heil an der Haustür ankommt, den gesamten Vertragstyp und stellt mE sogar eine
Hauptleistungspflichtdar. Hierfür spricht auch, dass der Dienstleister nicht nur wie beim Versandhandel die Versendungskosten auf den Käufer abwälzt, sondern sich die Transportleistung noch einmal extra vergüten lässt. Im Falle der Lieferung von Tiefkühlpizzen bewegt man sich in einem Bereich zwischen Versandhandel (idR
Schickschuld) und Essensbestellung (nach meinen Darlegungen
Bringschuld). Hier ließen sich mE beide Wege vertreten, wobei ich grundsätzlich auch eher zu einer
Bringschuldtendieren würde, da auch hier der Transport eine nicht unwesentliche
Leistungspflichtdes Verkäufers darstellt (auch hier ließe sich das Arg. verwerten, dass idR der Transport noch einmal zu Extrakosten, die über den bloßen Versand hinausgehen, führt). Gerade weil der Käufer den Transport noch einmal extra vergütet, sollte das Risiko eines zufälligen Untergangs beim Transport auch hier beim Verkäufer liegen. Je nach vertraglicher Ausgestaltung im Einzelfall ließe sich aber auch eine Gegenmeinung vertreten, insbesondere wenn der Preis für Tiefkühlpizza und Transport beinahe dem Preis, der im Supermarkt zu entrichten wäre, entspricht. Dann wäre der Fall eher in Richtung des konventionellen Versandhandels einzuordnen. Man könnte dann eine Unterscheidung dahingehend treffen zwischen Lieferdiensten wie Flink (Transportdienstleistung stark eingepreist, schneller Transport als maßgebliche
Leistungspflicht) und dem Lieferservice einschlägiger Supermarktketten wie REWE (Transportdienstleistung nicht derart starkt eingepreist, Versand innerhalb weniger Werktage). Da die Frage soweit ersichtlich noch nicht entschieden ist, bin ich natürlich auch gespannt auf Eure Meinung dazu bzw. weitere Ideen für Unterscheidungskriterien, welche im Rahmen der "Natur des
Schuldverhältnisses" aufgegriffen werden könnten. Liebe Grüße, Nadim für das Jurafuchs-Team
okalinkk
17.3.2025, 23:19:29
was meint denn ein tatsächliches Anbieten iSv
294 BGB? muss der
Schuldner hier am Haus klingeln? Zugang ist ja unstreitig nicht nötig, da ein
tatsächliches Angebotein
Realaktund keine Willenserklärung ist (im Gegensatz zum wörtlichen Angebot, welches eine
rechtsgeschäftsähnliche Handlungdarstellt)
Lt. Maverick
20.4.2025, 20:34:31
meint, dass der Gläubiger nichts weiter tun muss als zuzugreifen. Das Angebot ist zwar ein
Realakt, aber ich versuche mir im Geiste immer die Parallele zum Angebot als Willenserklärung herzuleiten, die so formuliert sein muss, dass der Annehmende nur noch mit „Ja“ antworten muss.
okalinkk
29.5.2025, 18:18:07
@[Lt. Maverick](229751) das leuchtet ein:) hier hätte also zumindest mal geklingelt werden müssen

JCF
14.5.2025, 14:41:38
In einem Maßstabskasten fehlen in dem Satz "Im Übrigen ist der Ort an dem die Leistungshandlung zu erbringen ist (Leistungsort bzw.
Erfüllungsort) maßgeblich" zwei Kommas. In einem anderen Maßstabskasten steht "Bei der
Bringschuldtritt
Konkretisierungein, wenn der
Schuldner die ausgesonderten Sache [...] bringt [...]". Hier müsste es "Sachen" heißen. 😉

Linne Hempel
19.5.2025, 12:48:43
Hallo JCF, vielen Dank für Deinen Hinweis! Wir haben den Fehler auf unsere Liste gesetzt und werden ihn im nächsten Korrekturgang beheben. Deine Aufmerksamkeit hilft uns, die Qualität unserer Inhalte hochzuhalten. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald wir den Fehler behoben haben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team