Leistungsort - Schickschuld

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Wegen des Lockdowns kann Leseratte L nicht wie gewohnt bei B einkaufen. Sie möchte B trotzdem unterstützen und kauft Juli Zehs neuestes Buch. B soll ihr das Buch schicken und die Versandkosten tragen. B beauftragt Postbote P mit dem Transport, wobei es unterwegs zerstört wird.

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Einordnung des Falls

Leistungsort - Schickschuld

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ob Ls Anspruch auf Übergabe und Übereignung des geschuldeten Buches aufgrund von Unmöglichkeit ausgeschlossen ist (§ 275 Abs. 1 BGB), bestimmt sich nach der Art der vereinbarten Schuld.

Ja!

Bei gegenstandsbezogenen Leistungspflichten hängt der Eintritt der Unmöglichkeit davon ab, ob noch ein geeigneter Leistungsgegenstand vorhanden ist. Dabei unterscheidet man Stück- und Gattungsschulden. Stückschuld liegt vor, wenn der Leistungsgegenstand individuell bestimmt wurde, also nur mit einem ganz bestimmten Gegenstand geleistet werden soll. Steht dieser nicht mehr zur Verfügung, so tritt Unmöglichkeit ein. Bei der Gattungsschuld (§ 243 Abs. 1 BGB) bestimmen die Parteien den Leistungsgegenstand bloß nach allgemeinen Merkmalen als Teil einer Gruppe von Gegenständen (Gattung). Vor der Konkretisierung (§ 243 Abs. 2 BGB) führt nur der Untergang der Gattung zur Unmöglichkeit.
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2. L und B haben eine Gattungsschuld vereinbart.

Genau, so ist das!

Eine Gattungsschuld (§ 243 Abs. 1 BGB) liegt vor, wenn der Leistungsgegenstand bloß nach allgemeinen Merkmalen als Teil einer Gruppe von Gegenständen (Gattung) bestimmt ist.L hat ein beliebiges Exemplar von Juli Zehs neuestem Buch bestellt. Damit haben L und B die Leistung nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmt und eine Gattungsschuld vereinbart.

3. Ab wann die Gattungsschuld konkretisiert wird, bestimmt sich nach der vereinbarten Leistungshandlung.

Ja, in der Tat!

Mindestvoraussetzung der Konkretisierung ist die Auswahl und Aussonderung von Sachen mittlerer Art und Güte (§ 243 Abs. 1 BGB bzw. § 360 HGB). Im Übrigen ist der Ort an dem die Leistungshandlung zu erbringen ist (Leistungsort bzw. Erfüllungsort) maßgeblich. Hierbei unterscheidet man zwischen Hol-, Bring- und Schickschuld. Im Unterschied zur Bringschuld, ist der Schuldner bei der Schickschuld nicht verpflichtet, den Leistungsgegenstand zum Gläubiger zu bringen. Konkretisierung tritt bereits ein, wenn der Schuldner an seinem Sitz die Ware einer Transportperson übergibt. Achtung: Der Erfolg (Besitz-und Eigentumsübergang) und damit die Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) tritt dagegen erst am Sitz des Gläubigers ein.

4. Der Leistungsort ergibt sich vorrangig aus der Parteivereinbarung.

Ja!

Der Leistungsort richtet sich in erster Linie nach der Vereinbarung der Parteien oder den Umständen des Schuldverhältnisses (zB können Malerarbeiten nur im Haus des Gläubigers ausgeführt werden). Ist keine Vereinbarung getroffen und ergibt sich der Leistungsort auch nicht aus den Umständen, so hat der Schuldner die Leistungshandlung an seinem Wohnsitz (§ 269 Abs. 1 BGB) bzw. Gewerbesitz (§ 269 Abs. 2 BGB) vorzunehmen.

5. Da B die Versandkosten übernimmt, haben die Parteien als Leistungsort den Wohnsitz der L vereinbart (§ 269 Abs. 3 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Leistungsort richtet sich zunächst nach der Vereinbarung der Parteien oder den Umständen des Schuldverhältnisses. Dabei ist explizit normiert, dass sich aus dem Umstand, dass der Schuldner die Versandkosten trägt, keine Anhaltspunkte für den Willen der Parteien hinsichtlich der Bestimmung des Leistungsortes ergeben (§ 269 Abs. 3 BGB). Die Übernahme der Versandkosten durch B stellt damit kein Indiz für eine Vereinbarung hinsichtlich des Leistungsortes dar. Die Parteien haben bezüglich des Leistungsortes auch sonst nichts vereinbart. Damit liegt der Leistungsort nach der gesetzlichen Konzeption am Sitz der B. Es handelt sich um eine Schickschuld.

6. Indem B das Buch an P übergeben hat, hat sie die geschuldete Gattungsschuld konkretisiert (§ 243 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Konkretisierung tritt bei der Schickschuld ein, wenn der Schuldner die ausgesonderte Ware mittlerer Art und Güte an seinem Sitz einer Transportperson übergibt. B hat durch Übergabe an P alles zur Erfüllung ihrer Leistung Erforderliche getan. Damit tritt die Konkretisierung ein.

7. L kann von B Übergabe und Übereignung eines anderen Exemplars verlangen.

Nein!

Nach der Konkretisierung der Gattungsschuld ist der Eintritt der Unmöglichkeit nach den gleichen Grundsätzen wie bei der Stückschuld zu beurteilen. Die Leistungspflicht beschränkt sich auf die Sache, an der der Schuldner das Erforderliche vorgenommen hat (§ 243 Abs.2 BGB). Indem B alles zur Erfüllung ihrer Leistung erforderliche vorgenommen hat, hat B die geschuldete Gattungssschuld auf das ausgesonderte Buch beschränkt (§ 243 Abs. 2 BGB). Da dieses bei dem Transport zerstört wurde, ist Bs Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Buches untergegangen (§ 275 Abs. 1 BGB). Sofern L den Kaufpreis trotzdem bezahlen muss (§ 447 Abs. 1 BGB), stellt sich die Frage, ob er diesen ersetzt bekommt. In Betracht kommt hierbei ein Anspruch gegen die Post (§ 421 Abs. 1 S. 2 HGB).
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