Bei versuchter Unterlassung 11
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Ärztin T möchte die künstliche Ernährung ihres Komapatienten O einstellen. Dafür schaltet sie das Gerät ab, belässt die Schläuche aber noch an Ort und Stelle. Ein Neustart dauert etwa 20 Minuten. Der Tod soll nach der Vorstellung der T durch Verdursten nach 48 Stunden eintreten.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Bei versuchter Unterlassung 11
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der versuchte Totschlag durch Unterlassen ist strafbar (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hatte „Tatentschluss“ bezüglich der objektiven Merkmale des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB).
Ja!
3. T hatte nach herrschender Meinung „Tatentschluss“, den Totschlag durch Unterlassen zu begehen.
Genau, so ist das!
4. Das unmittelbare Ansetzen beim Unterlassungsdelikt gleicht dem unmittelbaren Ansetzen durch Tätigkeit.
Nein, das trifft nicht zu!
5. T hat mit dem Abschalten der Geräte unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.
Nein!
7 Tage kostenlos* ausprobieren
Fundstellen
Jurafuchs kostenlos testen
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Peter K.
27.4.2022, 07:52:53
Wäre hier nicht eher ein aktives Tun denn ein Unterlassen gegeben?
Lukas_Mengestu
2.5.2022, 18:01:10
Hallo Peter, rein "tatsächlich" ist Dir völlig zuzustimmen. Das Abschalten der Geräte ist eine "aktive" Handlung, weswegen hier durchaus auch aktives Tun angenommen werden könnte. Die hM geht indes einen anderen Weg und verwendet hier eher einen "normativen" Unterlassensbegriff. In einer solchen Fallkonstellation unterlässt die Ärztin im Kern die Weiterbehandlung. Hierauf wird der Schwerpunkt gelegt und deshalb in solchen Konstellationen überwiegend ein Unterlassen angenommen (Übersicht bei Fischer, StGB, Vor 211 RdNr. 60). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Becca00
24.1.2024, 11:44:51
Soweit ich weiß folgt der BGH und die h.M. mittlerweile nicht mehr dem Konstrukt des "Unterlassens durch Tun" sondern argumentiert, dass es auf eine Unterscheidung von Unterlassen und Tun in den Fällen eines vom Willen des Patienten getragenen Behandlungsabbruch nicht ankommt
nullumcrimen
10.5.2024, 20:52:14
Hier würde doch sowieso ein vollendeter Totschlag durch Unterlassen vorliegen oder übersehe ich etwas?
Maximilian Puschmann
12.5.2024, 13:47:35
Hallo nullumcrimen, Nein, im Sachverhalt ist der O noch nicht tot. Folglich ist zum Zeitpunkt der Beurteilung nur ein versuchter Totschlag möglich. Ob diese Handlung noch in ein Sterben führt, ist nicht ersichtlich. Beste Grüße Max, für das Jurafuchs-Team
nullumcrimen
13.5.2024, 16:15:59
Aber im SV steht doch, dass der Tod durch Verdursten eintritt? Oder spielt sich der Satz nur in T's Vorstellung ab. Für mich ist das bisschen verwirrend formuliert
B.H.
7.10.2024, 10:51:26
Nein, der Tod „soll … eintreten“. Tatsächlich ist der O noch nicht gestorben.