Bei versuchter Unterlassung 8
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T stößt versehentlich und fahrlässig den betrunkenen O in das Gleisbett am S-Bahnhof Zoo. O bewegt sich nicht. T denkt, O sei lebensgefährlich verletzt und werde ohne Rettung sterben. Gleichwohl geht T weiter. O ist jedoch unverletzt und geht zum nächsten Späti, um „nachzutanken“.
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Einordnung des Falls
Bei versuchter Unterlassung 8
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der versuchte Totschlag durch Unterlassen ist strafbar (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hatte „Tatentschluss“ bezüglich der objektiven Merkmale des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
3. T hatte „Tatentschluss“, den Totschlag durch Unterlassen zu begehen.
Ja!
4. Das unmittelbare Ansetzen beim Unterlassungsdelikt gleicht dem unmittelbaren Ansetzen durch Tätigkeit.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. T hat nach herrschender Meinung unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.
Ja, in der Tat!
6. Andere Theorien stellen auf absolute Zeitpunkte ab.
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
jomolino
21.10.2021, 17:46:52
Es wäre total hilfreich, wenn ihr bei allen Fällen des Kapitels im Rahmen der letzten Antwort jeweils konkret unter die Theorien subsumieren könntet. Da die vom Namen her alle ähnlich sind, wäre das hilfreicher als immer der gleiche Text du den Theorien in der Theorie.
jomolino
22.10.2021, 14:32:38
Ich sehe gerade die neue Aufgabe die bei allen Fällen außer dem letzten dazugekommen ist. Perfektes Feature, danke! (Und das nicht einmal 24 Stunden später :D)
Lukas_Mengestu
22.10.2021, 19:12:20
Man ist ja Dienstleister :D Freut uns, dass Dir die Aufgaben gefallen. Vielen Dank insofern auch für den Vorschlag! Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
antoniasophie
28.11.2021, 09:03:41
Was ist mit der Entsprechungsklausel des § 212 gemeint?
Marilena
28.11.2021, 16:44:34
Hi Antonia, danke für Deine Frage! Die Entsprechungsklausel des § 13 Abs. 1 Hs. 2 StGB (nicht § 212) besagt, dass die Strafbarkeit eines
Unterlassungsdelikts davon abhängt, dass die Nichtvornahme eines rechtserheblichen Handelns zur Erfolgsabwendung, mit der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein
aktives Tunkorrespondiert. Eine Strafbarkeit durch Unterlassen entspricht dem Tun, wenn das Unterlassen im konkreten Fall dem Unrechtsgehalt einer aktiven Tatbestandsverwirklichung so nahe kommt, dass es sich in den Unrechtstypus des Tatbestandes einfügt. Die Frage der „Einfügung“ beantwortet sich bei Delikten mit schlichter Erfolgsverursachung wie der Körperverletzung (§
223 StGB), dem Totschlag (§ 212 StGB) oder de Sachbeschädigung (§ 303 StGB) regelmäßig einfach. Bei verhaltensgebundenen Delikten kann das hingegen schwieriger sein, denn der Erfolg muss auf eine bestimmte Weise herbeigeführt werden. Beispiele sind die Mordmerkmale der 2. Gruppe des § 211 StGB (etwa Heimtücke oder Grausamkeit), das Merkmal der Täuschung bei § 263 StGB und Delikte, die die spezifische Begehungsweise umschreiben, so die Falsche Verdächtigung (§ 164 StGB) und die Erpressung (§ 253 StGB). Liebe Grüße für das Jurafuchs-Team Marilena
Helena
14.2.2022, 11:12:41
Verstehe ich das richtig, dass die unmittelbare Gefahr für das geschützte rechtsgut der herrschenden Meinung subjektiv aus der Sicht des Täters vorliegen muss, nicht aber objektiv? Weil in diesem Fall ist das rechtgut ja objektiv nicht gefährdet, weil O Unverletzt vom gleis klettern Konnte.
Lukas_Mengestu
17.2.2022, 16:50:45
Hallo Helena, in der Tat ist der Eintritt der unmittelbaren Gefahr subjektiv aus Sicht des Täters zu beurteilen (vgl. Kindhäuser/Zimmermann, Strafrecht Allgemeiner Teil § 36 RdNr. 42). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
InDubioProsecco
1.6.2023, 16:23:05
Dann stellt ihr das in den Lösungen aber falsch dar, siehe unter anderem die Fälle, in denen "vermeintliche" Kinder aus Flüssen gerettet werden müssen. Dort schreibt ihr: "Die Gefahr tritt ein". Hier würde ich kenntlich machen, dass es sich um einen subjektiven Maßstab handelt. In diesem Fall ist das ja sogar entscheidend.
NF
9.7.2023, 15:20:50
Ich finde auch, dass man die subjektive Komponente sprachlich hervorheben sollte.
david1234
28.3.2024, 20:46:28
Finde das bei den anderen Fällen dann schlecht dargestellt, bin aufgrund eurer Lektionen davon ausgegangen ist, dass die unmittelbare Gefährdung objektiv zu bestimmen ist. Anscheinend geht es anderen auch so - vllt kann man das besser darstellen.
DerChristoph
11.8.2024, 13:48:41
Ich sehe das wie @[david1234](229145). Ich habe auch erst jetzt verstanden, dass die subjektive Komponente entscheidend ist. Bei den vorherigen Aufgaben ist das nicht deutlich geworden, evtl. war es sogar so missverständlich, dass man die objektive Komponente für entscheidend halten konnte. Könntet ihr da in den vorherigen Aufgaben dieses Kapitels evtl. einen Hinweis einbauen?
Becca00
23.1.2024, 18:03:06
Mir ist nicht ganz klar wieso das unmittelbare Ansetzen hier aufgrund der subjektiven Vorstellung des Täters zu verneinen ist, in den Fällen mit den ertrinkenden Menschen es aber bejaht wurde obwohl eine Rettung in diesen Fällen nach den Vorstellungen des Täters möglich war. Bei diesen hätte der Täter nach seiner Vorstellung dann ja auch noch nicht unmittelbar angesetzt, weil er von der Möglichkeit der Rettung ausging. Kann mir das jemand erklären? :)
david1234
28.3.2024, 20:47:53
Das unmittelbare Gefährdung wird wohl subjektiv bestimmt, siehe den anderen Post.
B.H.
7.10.2024, 11:04:40
Dadurch, dass es sich vorliegend „nur“ um einen Versuch handelt, muss ich auch die Beurteilung des unmittelbaren Ansetzens nach der h.M. beurteilen, jedoch aus der subjektiven Sichtweise des Täters ? Während es bei der Beurteilung des unmittelbaren Ansetzens vollendeter Taten um die rein objektive Betrachtungsweise der h.M. geht.