Tilgungsreihenfolge: Grundfall

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M schuldet V €400 Miete und €400 aus einem Kaufvertrag. Beim Auszug übergibt sie V wortlos ihre gesamten Ersparnisse (€400). V erklärt, dies reiche nicht und behält Ms Couch als Pfand.

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Einordnung des Falls

Tilgungsreihenfolge: Grundfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Darf V die Couch als Pfand behalten, wenn ihr daran ein Vermieterpfandrecht (§ 562 Abs. 1 BGB) zusteht?

Ja, in der Tat!

Der Vermieter darf Sachen des Mieters bei dessen Auszug in Besitz nehmen, sofern diese seinem Vermieterpfandrecht unterliegen (§ 562b Abs. 1 S. 2 BGB). Das Vermieterpfandrecht setzt unter anderem eine offene Forderungen aus dem Mietverhältnis voraus (vgl. § 562 Abs. 1 BGB). Forderungen, die aus anderen Gründen gegenüber dem Mieter bestehen, werden nicht geschützt. Erlischt die Mietforderung, so erlischt auch das Vermieterpfandrecht (§§ 1257 iVm 1252 BGB). Einzelheiten zu den Voraussetzungen des Vermieterpfandrechts findest Du schon bald im Kapitel "Kreditsicherungsrecht".
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2. Hat M durch die wortlose Übergabe der €400 erklärt, ihre Mietschuld tilgen zu wollen?

Nein!

Hat der Schuldner gegenüber dem Gläubiger mehrere gleichartige Verbindlichkeiten, so kann er bestimmen, auf welche Verbindlichkeit er leisten will (§ 366 Abs. 1 BGB). Diese Tilgungsbestimmung ist eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, auf welche die Regelungen über (empfangsbedürftige) Willenserklärungen entsprechend anwendbar sind. Dem bloßen Schweigen der M ist aus Sicht eines objektiven Empfängers (§§ 133, 157 BGB analog) nicht zu entnehmen, ob M das Geld für die Mietschulden oder die Schulden aus dem Kaufvertrag entrichtete.

3. Wird durch die wortlose Übergabe der €400 Ms Kaufpreisschuld getilgt?

Genau, so ist das!

Trifft der Schuldner keine Bestimmung darüber, welche seiner Schulden getilgt werden soll, so wird unter mehreren fälligen Schulden diejenige getilgt, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet (§ 366 Abs. 2 BGB). Während die Mietforderung durch das Vermieterpfandrecht abgesichert ist, steht V für die Kaufpreisschuld keine Sicherheit zur Verfügung. Nach der gesetzlichen Tilgungsreihenfolge wird durch Ms Zahlung damit vorrangig die Kaufpreisschuld getilgt.Bei Fehlen einer Bestimmung des Schuldners gibt das Gesetz folgende Reihung vor: (1)fällig, (2) weniger sicher, (3) lästiger, (4) älter, (5) verhältnismäßig (§ 366 Abs. 2 BGB).

4. Angenommen die Voraussetzungen des Vermieterpfandrechts lagen zunächst vor. Darf V nach der geleisteten Zahlung von €400 die Couch als Pfand behalten?

Ja, in der Tat!

Der Vermieter darf Sachen des Mieters bei dessen Auszug in Besitz nehmen, sofern diese seinem Vermieterpfandrecht unterliegen (§ 562b Abs. 1 S. 2 BGB). Erlischt die Mietforderung, so erlischt auch das Pfandrecht (§§ 1257 iVm 1252 BGB).Vs Mietforderung wurde nicht getilgt. Das Pfandrecht besteht weiter. Bis M die restlichen €400 zahlt, darf V die Couch als Pfand behalten. Neben der Forderung aus einem (1)Mietvertrag über Räume oder Grundstücke setzt das Vermieterpfandrecht voraus, dass es sich (2) um eine bewegliche Sache handelt, die (3) im Eigentum des Mieters steht, (4) pfändbar ist und (5) in den Mietraum "eingebracht" wurde. Die Voraussetzungen liegen vor.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

EP

Endstation Promotion

26.6.2023, 11:38:06

Darf V die Couch iSd Vermieterpfandrechts nur in Besitz nehmen oder dürfte V die Couch auch verwenden?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

26.6.2023, 12:24:00

Hallo Endstation Promotion, danke für deine Frage. Er hat ein Besitznahmerecht zur Sicherung seiner Ansprüche. Er könnte die Couch also letztendlich verwerten und seine Ansprüche aus der Verwertung befriedigen. Ein Verwendungsrecht erhält er nicht. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

5.11.2023, 21:52:30

Wie ist der Begriff „lästig“ in § 366 Abs. 2 zu verstehen?

Bubbles

Bubbles

6.11.2023, 13:59:10

Eine Schuld ist lästiger, wenn ihre Nichterfüllung für den Schuldner nachteiliger ist als eine andere bspw. aufgrund eines höheren Zinssatzes, einer Vertragsstrafe oder idR wenn er mit dieser bereits im Verzug ist.


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