Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Erlöschen des Schuldverhältnisses

Aufrechnungslage: Verjährung nach Aufrechnungslage

Aufrechnungslage: Verjährung nach Aufrechnungslage

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V verkauft K am 30.10.2020 ihr Fahrrad für €300. K hat es mit Zahlen nicht eilig. Am 1.2.2021 erklärt sie, sie wolle nur €100 zahlen. Im Übrigen rechne sie auf, da ihr V seit dem 15.04.2017 noch €200 für den Verkauf eines Rasenmähers schulde.

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Einordnung des Falls

Aufrechnungslage: Verjährung nach Aufrechnungslage

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hatte nach Abschluss des Kaufvertrages einen Anspruch darauf, dass K ihr den vereinbarten Kaufpreis zahlt (§ 433 Abs. 2 BGB).

Ja!

Bei Abschluss eines Kaufvertrages ist der Käufer verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen (§ 433 Abs. 2 BGB). V und K haben einen Kaufvertrag über das Fahrrad abgeschlossen. K war somit verpflichtet, den Kaufpreis an V zu zahlen.
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2. Vs Anspruch könnte durch Aufrechnung der K in Höhe von €200 erloschen sein (§ 389 BGB).

Genau, so ist das!

Die Aufrechnung setzt eine Aufrechnungslage (§§ 387, 390 BGB) und eine Aufrechnungserklärung (§ 388 BGB) voraus. Zudem darf die Aufrechnung nicht ausgeschlossen sein (§§ 392-394 BGB). Eine Aufrechnungslage liegt vor, wenn der Aufrechnende eine gegenseitige, gleichartige, fällige und durchsetzbare Gegenforderung besitzt, und die Hauptforderung wirksam und erfüllbar ist.

3. Die Forderungen von V und K sind gegenseitig und gleichartig.

Ja, in der Tat!

Die Forderungen sind gegenseitig, wenn jede Partei zugleich Schuldner und Gläubiger der anderen ist. Gleichartig sind sie, wenn sie der gleichen Gattung angehören. V und K schulden sich gegenseitig Geld. Das sind gleichartige Forderungen.

4. Ks Anspruch auf Kaufpreiszahlung (Gegenforderung) unterliegt der dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB).

Ja!

Die sogenannte Regelverjährung gemäß § 195 BGB greift immer dann, wenn der Anspruch nicht gemäß §§ 196f. BGB oder nach sonstigen Vorschriften einer anderen Verjährungsfrist (zB §438 BGB) unterliegt. Vs Kaufpreisanspruch unterfällt keiner der Ausnahmevorschriften (zB vorsätzliche Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit (§ 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Auch gelten die kürzen Verjährungsvorschriften des Kaufmängelgewährleistungsrecht nur für die Mängelrechte, nicht dagegen für den Kaufpreisanspruch. Somit ist die Regelverjährung nach § 195 BGB anwendbar.

5. Der Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist richtet sich nach § 199 Abs. 1 BGB.

Genau, so ist das!

Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem (1) der Anspruch entstanden ist und (2) der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen sowie der Person des Schuldners hat oder sich insoweit in grob fahrlässiger Unkenntnis befindet.

6. Der Fristlauf berechnet sich aus den §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB.

Ja, in der Tat!

Die §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB finden Anwendung, wenn es um die Berechnung von Fristen geht, die durch ein bestimmtes Ereignis ausgelöst werden. Bei diesen ist der Tag, in dessen Verlauf das Ereignis fällt, bei der Berechnung nicht mitzuzählen. Fristbeginn ist stets der Anfang (0:00 Uhr) des Folgetages (§ 187 Abs. 1 BGB). Bei einer nach Jahren bemessenen Frist endet die Frist an dem Tag, dessen Benennung oder dessen Zahl demjenigen Tag entspricht, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fiel (§ 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB).

7. Ks Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises ist verjährt.

Ja!

Die regelmäßige Verjährungsfrist gilt für alle Ansprüche, für die nichts anderes bestimmt ist und beträgt drei Jahre (§ 195 BGB). Sie beginnt am Ende des Jahres, in dem der (1) Anspruch entstanden ist und (2) der Gläubiger von den seinen Anspruch begründenden Umständen, sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat, oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 BGB).Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Jahres 2017 (31.12.2017). Da es sich um eine Ereignisfrist handelt, läuft die Frist ab dem Folgetag (01.01.2018, 0:00 Uhr) und endet drei Jahre später am 31.12.2020 (24:00 Uhr) (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Am 1.2.2021 ist Ks Anspruch daher bereits seit einem Monat verjährt.

8. Da Ks Forderung verjährt ist, ist die Forderung nicht mehr durchsetzbar und es fehlt an der Aufrechnungslage.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Forderung ist grundsätzlich durchsetzbar, wenn ihr keine Einreden entgegenstehen (§ 390 BGB). Einer verjährten Forderung steht insoweit die Einrede der Verjährung entgegen (§ 214 BGB). Ausnahmsweise hindert der Eintritt der Verjährung die Erklärung der Aufrechnung dann nicht, wenn die Gegenforderung zu dem Zeitpunkt in dem erstmals hätte aufgerechnet werden können, noch nicht verjährt war (§ 215 BGB).Die Hauptforderung aus dem Kaufvertrag ist mit dem Abschluss des Vertrages (30.10.2020) fällig geworden (§ 271 Abs. 1 BGB). Zu diesem war die Gegenforderung noch nicht verjährt. Eine wirksame Aufrechnung hat nicht nur materielle Folgen, sondern wirkt sich auch auf einen laufenden Prozess aus. Das Thema findest Du umfangreich hier in unserem Kurs zur zivilrechtlichen Urteilsklausur. Einen knappen Überblick bekommst Du in der nachfolgenden Aufgabe. Die Prozessaufrechnung ist ein Dauerbrenner im zweiten Examen, sodass wir dir empfehlen, dir das Thema vertieft anzuschauen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Vulpes

Vulpes

17.1.2022, 09:30:23

Hallo liebes Jurafuchs Team, ich denke in der vorletzten Antwort (Subsumtion) müsste stehen, dass die Frist am 1.1 und nicht am 1.2 abgelaufen ist, oder?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.1.2022, 10:56:02

Danke Vulpes für die Nachfrage! Das Fristende ist der 31.12.2020. Mit Ablauf dieses Tages verjährt die Forderung, sodass sich V in der Tat ab dem 1.1.2021 auf die Verjährung berufen kann. In der Antwort wurde auf den 1.2. abgestellt, da dies das Datum ist, zu dem sich V und K unterhalten. Um deutlich zu machen, dass V sich aber bereits einen Monat zuvor auf Verjährung berufen kann, haben wir die Antwort etwas ergänzt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Pilea

Pilea

25.5.2023, 08:22:40

Man könnte hier eine Frage einbauen, in der man die Frist selbst berechnen muss - mir erscheinen die Antworten immer recht logisch, aber beim Selbstberechnen mache ich immer wieder Fehler.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.5.2023, 13:26:06

@[Pilea ](189001)Schau Dir hierzu am besten noch einmal die Einheiten zu Fristen und Verjährung im BGB AT an :-) Dort haben wir am Ende insbesondere noch einmal Wiederholungsaufgaben zur Verjährung aufgenommen (https://applink.jurafuchs.de/3CqJ23Tt5zb). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MAX06

max06

10.6.2023, 11:33:58

ich wäre der Ansicht, dass hier im konkreten Fall keine Einrede der Verjährung entgegensteht, da V keine Einrede erhoben hat ("bei Einrede muss man reden")

BI

Bilbo

19.7.2023, 18:14:31

Das wäre auch meine Antwort gewesen. War überrascht, dass dazu nichts in der Erklärung stand.

Peter im Pech

Peter im Pech

4.2.2024, 18:13:05

Ja, da stimme ich den Kollegen zu.

Paul

Paul

17.10.2024, 19:04:09

Hallo. Zur Beantwortung eurer Frage würde ich auf den Wortlaut des § 390 BGB verweisen, welcher ausdrücklich lediglich das Bestehen einer Einrede voraussetzt.

Justinian

Justinian

12.10.2023, 15:20:57

Liebes Jurafuchs Tema 1. Die Das Datum des Bildes (30.10.20) stimmt nicht mit der Zahl im Text überein (31.10.20), was ein bisschen verwirrend ist (in den ersten paar Sekunden) 2. Bei Frage Zwei (glaube ich zumindest) ist die Frage, ob mit der Aufrechnung der Anspruch der K erlischt. Allerdings erlischt der Anspruch ja nicht mit der Aufrechnung, sondern mit der Aufrechnung + Zahlung der fehlenden 100€ oder? Wäre ultra töfte, wenn ihr mir das erklären könntet (für den Fall, dass ich da wirklich auf dem Schlauch stehe) 🙂

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

13.10.2023, 18:44:25

Danke Justinian, das Datum haben wir angeglichen :-) Bezüglich Deiner Frage: Die Frage ist da etwas tricky gestellt. Es geht nicht darum, ob der Anpruch insgesamt erlischt, sondern, ob er iHv 200€ erlischt. Du hast völlig recht, dass V im Hinblick auf die restlichen €100 weiterhin ein Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB zusteht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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