Rechtsmangel: Eigentum eines Dritten / § 438 analog


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

K kauft von V einen alten Sony-Walkman. Nach Kaufpreiszahlung übergibt V dem K den Walkman, gleichzeitig einigen beide sich über den Eigentumsübergang. Als K 5 Jahre später überlegt, den Walkman bei Bares für Rares anzubieten, meldet sich die D und kann nachweisen, dass sie Eigentümerin ist und ihr der Walkman vor 6 Jahren gestohlen worden war.

Einordnung des Falls

Rechtsmangel: Eigentum eines Dritten / § 438 analog

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es liegt ein Rechtsmangel (§ 435 BGB) vor, weil V dem K kein Eigentum verschaffen konnte.

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Nein, das trifft nicht zu!

Der Verkäufer schuldet (1) Besitz- und Eigentumsverschaffung (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB) sowie (2) Mangelfreiheit der Kaufsache (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB). Kann der Verkäufer dem Käufer kein Eigentum verschaffen, weil die Sache einem Dritten gehört, der nicht zur Veräußerung bereit ist (§ 275 Abs. 1 Alt. 1 BGB), liegt nach hM keine Verletzung seiner Pflicht zur mangelfreien Leistung vor (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB). Vielmehr erfüllt der Verkäufer dadurch bereits seine Leistungspflicht zur Eigentumsverschaffung nicht (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB). Es liegt insoweit also keine mangelhafte, sondern eine Nichtleistung vor.

2. K kann kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche gegen V geltend machen, weil dieser ihm kein Eigentum verschafft hat (§ 437 BGB).

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Nein!

Bei einer Nichtleistung wegen fehlender Eigentumsverschaffung (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB) ist das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht nicht anwendbar, da es an einem Mangel fehlt (vgl. § 437 BGB). Jedoch ist dann weiterhin das allgemeine Leistungsstörungsrechtanwendbar. Da die Eigentumsverschaffung hier unmöglich ist (§ 275 Abs. 1 Alt. 1 BGB), könnte K ohne Fristsetzung zurücktreten und Rückzahlung des Kaufpreises verlangen (§§ 326 Abs. 6, 346ff. BGB) und/oder Schadensersatz verlangen (§ 311a Abs. 2 BGB).

3. Die möglichen Ansprüche des K gegen V auf Rückzahlung des Kaufpreises oder Schadensersatz sind verjährt.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Die Verjährung richtet sich im allgemeinen Leistungsstörungsrecht nach den §§ 195, 199 BGB. Danach gilt die Regelverjährung nach drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von Schuldner und Anspruch hatte. Auch wenn die fehlende Eigentumsverschaffung keinen Rechtsmangel darstellt, wendet die hM in diesem Fall jedoch die für Rechtsmängel geltende 30-jährige kaufrechtliche Verjährung ab Ablieferung der Sache analog an (§ 438 Abs. 1 Nr. 1 lit. a BGB analog). Auf der Ebene der Verjährung wird die fehlende Eigentumsverschaffung also einem Rechtsmangel gleichgestellt. Denn es wäre ein Wertungswiderspruch, die Rechte des Käufers wegen gänzlichen Nichterwerbs des Eigentums früher verjähren zu lassen als seine Rechte wegen Belastung des Eigentums mit einem dinglichen Recht (bspw. Pfandrecht).

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Isabell

Isabell

15.2.2021, 14:10:23

Hier wäre ein Formulierungsbeispiel für die Klausurlösung super. Ich hätte mich mit dieser Lösung schwer getan, denn es wird einem ja immer gesagt, dass man nicht einmal ä und später dann b in seiner Lösung sagen sollte. Das wäre inkonsequent und damit ein No-Go für die Klausurlösung.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

26.3.2021, 18:33:07

Hallo Isabell, beziehst du dich auf den Rechtsmangel? Den muss man in jedem Fall ablehnen, nach ganz hM stellt die Nichtverschaffung von Eigentum keinen Rechtsmangel nach 435 BGB sondern die Nichterfüllung der Verkäufer-Haupftpflichten aus § 433 Abs. 1 BGB dar. Später bei der Verjährung kann man dann schreiben: Für die Verjährungsfrist ist jedoch nicht auf die regelmäßige Verjährungsfrist gemäß §§ 195 ff. abzustellen, sondern auf § 438 Abs. 1 Nr. 1 BGB analog. Denn wenn bei Verkauf einer Sache, die mit einem dinglichen Recht belastet ist, obwohl unbelastetes Eigentum geschuldet ist, eine 30 Jährige Verjährungsfrist gilt, muss erst recht für den Fall, dass der Verkäufer dem Käufer kein Eigentum verschafft diese längere Frist gelten.

AD

AD23

20.2.2022, 11:15:11

Hintergrund ist folgender: Der Käufer wäre nach 197 I Nr.2 BGB den Ansprüchen des dinglich Berechtigten 28 Jahre ohne eigene Ansprüche gegen den Verkäufer schutzlos ausgesetzt, wenn man die kaufrechtliche Verjährungsfrist von 2 Jahren nach 438 I Nr. 3 BGB anwenden würde

LE

Leifius

15.9.2023, 16:51:51

Ist das Problem nicht bereits über § 199 I Nr. 2 BGB zu lösen, da K erst viel später vom Umstand Kenntnis erlangt, dass V nicht Eigentümer war?

LL

Leo Lee

16.9.2023, 13:25:50

Hallo Leiflus, das könnte man in der Tat erwägen und wäre auch "konsequent", wenn man weiterhin streng beachtet, dass mit der h.M. der Anspruch aus § 433 I 1 BGB nicht gegeben ist (weshalb auch die Regelung mit den 30 Jahren gem. § 438 nicht anwendbar wäre). In diesem Fall müsste man eigentlich nach den §§ 195, 199 BGB lösen. Allerdings besteht dann das Problem, dass derjenige, der aufgrund eines fremden Eigentums (stärkstes Drittrecht) schlechter stehen würde (weil eben über § 433 I 1 BGB gelöst wird), als derjenige, der "nur" einem wenige intensiveren Drittrecht ausgesetzt ist (etwa Urheberrecht bei Raubkopien). Deshalb löst die h.M. den Fall so, dass die allg. Verjährungsregeln keine Anwendung finden und durch einen analoge Anwendung von § 438 BGB verdrängt werden (entgegen der Systematik also!). Hierzu kann ich dir die Lektüre von MüKo-BGB, 8. Auflage Westermann § 438 Rn. 7 empfehlen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo


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