+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T fühlt sich berufen, das deutsche Reich von der Deutschland GmbH zu befreien. Zum Anfang möchte sie dafür ein Flugzeug zum Absturz bringen. Dafür schießt sie mit ihrem hochwertigen Compoundbogen auf ein fliegendes Flugzeug. Der Pfeil erreicht dieses nicht.

Einordnung des Falls

Grob unverständiger Versuch 3

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch eines Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) ist strafbar.

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Ja, in der Tat!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Totschlag ist ein Verbrechen, da die angedrohte Mindestfreiheitsstrafe 5 Jahre beträgt (§§ 212 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB).

2. T hat „Tatentschluss“ bezüglich eines Totschlags.

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Ja!

Tatentschluss ist der subjektive Tatbestand des Versuchs. Er umfasst den auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale gerichteten Vorsatz sowie sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale. Der Täter hat Tatentschluss, wenn er endgültig entschlossen ist, den Deliktstatbestand zu verwirklichen. Dabei wird zur bloßen Tatgeneigtheit abgegrenzt. T ist fest entschlossen, die Insassen des Flugzeuges zu töten.

3. T hat durch Schießen des Pfeils „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“.

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Genau, so ist das!

Das unmittelbare Ansetzen (§ 22 StGB) liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle des „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet und objektiv – unter Zugrundelegung seiner Vorstellung – Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Nach der Vorstellung der T hat sie bereits alles zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan. Ein weiterer Zwischenschritt war nicht erforderlich.

4. T handelte rechtswidrig und schuldhaft.

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Ja, in der Tat!

Der versuchte Totschlag war rechtswidrig und T handelte schuldhaft.

5. Der Versuch ist grob unverständig (§ 23 Abs. 3 StGB).

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Ja!

Grober Unverstand liegt nach dem BGH erst dann vor, wenn der Täter völlig abwegige Vorstellungen über gemeinhin bekannte Ursachenzusammenhänge hat. Dabei muss jeder durchschnittliche Mensch das erforderliche Wissen haben. Für jedermann ist ersichtlich, dass T das Flugzeug aus der Entfernung und mit einem Compoundbogen nicht zum Absturz bringen kann. Die Vorschrift des § 23 Abs. 3 StGB ist eine Strafzumessungsregelung und daher nach der Schuld zu prüfen. Die Literatur nutzt den Sachverhalt in ähnlicher Form als Musterbeispiel für einen grob unverständigen Versuch. Dass ein solcher Fall vor Gericht landen wird, ist unwahrscheinlich, da der Täter sich dann selbst stellen müsste und zeigt die fehlende Praxisrelevanz des § 23 Abs. 3 StGB. Dies lässt sich auch als Gegenargument für die Auffassung der Rechtsprechung nutzen, da der Gesetzgeber nach der Auslegung des BGH eine Regelung ohne praxisrelevanten Anwendungsbereich geschaffen hätte.

6. Nach herrschender Meinung ist daher von Strafe abzusehen.

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Genau, so ist das!

Die wohl herrschende Meinung sieht darin, dass in § 23 Abs. 3 StGB als erstes die Straffreiheit steht, die Absicht des Gesetzgebers grundsätzlich Straffreiheit zu gewähren. Der Wortlaut der Norm spiegelt diese Absicht nur bedingt wieder, da dem Gericht ein Ermessen eingeräumt wird. Da es bisher keine Gerichtsentscheidung gibt, die § 23 Abs. 3 StGB bejaht, ist offen, wie die Rechtsprechung damit umgeht. Die Gesetzesgeschichte wird von beiden Seiten als Argument angeführt.

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