Grob unverständiger Versuch 4

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T fühlt sich berufen, das deutsche Reich von der Deutschland GmbH zu befreien. Zum Anfang möchte sie dafür ein Flugzeug zum Absturz bringen. Sie zielt daher mit ihrem Compoundbogen auf das Flugzeug. Als sie gerade darauf schießen möchte, rutscht sie aus und verletzt sich selbst.

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Einordnung des Falls

Grob unverständiger Versuch 4

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch eines Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) ist strafbar.

Ja, in der Tat!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Totschlag ist ein Verbrechen, da die angedrohte Mindestfreiheitsstrafe 5 Jahre beträgt (§§ 212 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB).
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2. T hat „Tatentschluss“ bezüglich eines Totschlags.

Ja!

Tatentschluss ist der subjektive Tatbestand des Versuchs. Er umfasst den auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale gerichteten Vorsatz sowie sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale. Der Täter hat Tatentschluss, wenn er endgültig entschlossen ist, den Deliktstatbestand zu verwirklichen. Dabei wird zur bloßen Tatgeneigtheit abgegrenzt. T ist fest entschlossen, die Insassen des Flugzeuges zu töten.

3. T hat durch Zielen mit dem Bogen „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“.

Genau, so ist das!

Das unmittelbare Ansetzen (§ 22 StGB) liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle des „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet und objektiv – unter Zugrundelegung seiner Vorstellung – Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. T hat durch das Ansetzen auf das Flugzeug unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt. Das Loslassen des Pfeils ist lediglich ein unwesentlicher Zwischenschritt und der Sturz war nicht Teil des Tatplans von T.

4. T handelte rechtswidrig und schuldhaft.

Ja, in der Tat!

Der versuchte Totschlag war rechtswidrig und T handelte schuldhaft.

5. Der Versuch ist grob unverständig (§ 23 Abs. 3 StGB).

Ja!

Grober Unverstand liegt nach dem BGH vor, wenn der Täter völlig abwegige Vorstellungen über gemeinhin bekannte Ursachenzusammenhänge hat. Dabei muss jeder durchschnittliche Mensch das erforderliche Wissen haben. Der Versuch scheitert durch einen Umstand, der vor Verwirklichung des Tatplans eintritt. Allerdings muss auch dieser Versuch straflos bleiben, da der Versuch weiterhin ungefährlich ist. Auch würde sonst der Täter härter bestraft, der seinen Tatplan nicht verwirklichen kann. Die Vorschrift des § 23 Abs. 3 StGB ist eine Strafzumessungsregelung und daher nach der Schuld zu prüfen. Die Literatur nutzt den Sachverhalt in ähnlicher Form als Musterbeispiel für einen grob unverständigen Versuch.

6. Nach herrschender Meinung ist daher von Strafe abzusehen.

Genau, so ist das!

Die wohl herrschende Meinung sieht darin, dass in § 23 Abs. 3 StGB als erstes die Straffreiheit steht, die Absicht des Gesetzgebers grundsätzlich Straffreiheit zu gewähren. Der Wortlaut der Norm spiegelt diese Absicht nur bedingt wieder, da dem Gericht ein Ermessen eingeräumt wird. Da es bisher keine Gerichtsentscheidung gibt, die § 23 Abs. 3 StGB bejaht, ist offen, wie die Rechtsprechung damit umgeht. Die Gesetzesgeschichte wird von beiden Seiten als Argument angeführt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MK-

MK-

14.12.2023, 12:20:13

Inwiefern kommt es denn zu einem anderen Ergebnis bzw. wofür dient der Zusatz, dass sie sich in dem zweiten Fall selbst verletzt? Ist das nicht irrelevant?

HO

honeyhoneyhoney

9.2.2024, 10:25:40

Frage ich mich auch :)

Mi. S.

Mi. S.

16.9.2024, 18:53:34

Das wüsste ich auch gern

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

18.9.2024, 11:33:23

Hallo @[MK-](

1120

18), wie Du richtig erkannt hast, kommen beide Fälle zum selben Ergebnis. Der Zusatz, dass T wegrutscht und sich verletzt, dient nur dazu, hier einen anderen Verlauf zu konstruieren, der den Versuch der T abbrechen und den Tatplan der Täterin scheitern lässt, bevor sie den Pfeil abschießen kann. Dass es dadurch zu keinem anderen Ergebnis als im vorherigen Fall kommen kann, in dem T den Pfeil tatsächlich abschießt, dürfte vor dem Hintergrund des §

23 III StGB

einleuchten. Nur der Vollständigkeit halber und um das klarzustellen, haben wir den Fall aufgenommen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

DeliktusMaximus

DeliktusMaximus

27.9.2024, 20:39:20

"I used to be an adventurer like you. Then I took an arrow in the knee..." 😞


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