Keine Belastung des Wohnraummieters mit "Verwaltungskostenpauschale"


mittel

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M mietet seit 2015 von V eine Wohnung. Der Mietvertrag (den V dauerhaft verwendet, und der eine AGB ist) enthält neben Miete und Nebenkosten eine "Verwaltungskostenpauschale", die M zahlen muss. M leistet über die Monate insgesamt €2.000 als Verwaltungskostenpauschale.

Einordnung des Falls

Keine Belastung des Wohnraummieters mit "Verwaltungskostenpauschale"

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Im Mietrecht hat der Mieter die auf der Sache ruhenden Lasten zu tragen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach der Grundregel des § 535 Abs. 1 S. 3 BGB trägt der Vermieter die auf der Mietsache ruhenden Lasten. Die Miete ist also grundsätzlich eine Inklusivmiete. Das Gesetz räumt den Parteien in § 556 Abs. 1, 2 BGB aber die Möglichkeit ein, bestimmte in der Betriebskostenverordnung bezeichnete Betriebskosten auf den Mieter umzulegen.

2. Die Wirksamkeit allgemeiner Geschäftsbedingungen ist immer vorrangig an §§ 307ff. BGB zu messen.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 309 BGB enthält im Einleitungssatz einen Verweis auf vorrangige gesetzliche Vorschriften. Wird in einer anderen speziellen Vorschrift eine Regelung für unwirksam erklärt, kommt es insofern auf §§ 307ff. BGB nicht mehr an. Entsprechende Normen sind etwa § 476 Abs. 1 S. 1 BGB („…abweicht, kann sich der Unternehmer nicht berufen.“) oder § 361 Abs. 2 S. 1 BGB. Auch im Mietrecht existiert eine solche Vorschrift: Nach § 556 Abs. 4 BGB sind Vereinbarungen, die von den § 556 Abs. 1 – 3 BGB zu Lasten des Mieters abweichen, unwirksam.

3. Die Verwaltungskostenpauschale-Klausel ist vereinbar mit § 556 Abs. 1, 4 BGB.

Nein!

BGH: Die Klausel verstoße gegen § 556 Abs. 4 BGB, wonach in der Wohnraummiete dem Mieter nur die enumerativ in der Betriebskostenverordnung aufgezählten Bewirtschaftungskosten als Nebenkosten (Betriebskosten) auferlegt werden dürfen, nicht aber Verwaltungskosten (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrKV). Zwar komme eine Auslegung in Betracht, nach der die Verwaltungskostenpauschale ein Bestandteil der Miete ist. Da es sich aber um AGB handele, sei die kundenfeindlichste Auslegung maßgeblich. Danach handele es sich um Verwaltungskosten. Argumente: Die Miete werde terminologisch eigentlich nie als "Pauschale" oder "Vorschuss" bezeichnet. Zudem seien Verwaltungskosten ihrer Natur nach Betriebskosten (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrKV). Damit liege ein Verstoß gegen § 556 Abs. 4 BGB vor (RdNr. 19ff.).

4. Der Rückzahlungsanspruch des M ist ausgeschlossen nach § 814 BGB (Kenntnis der Nichtschuld).

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 814 BGB ist auf die Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) anwendbar. Die Norm setzt aber voraus, dass der Leistende positiv wusste, nicht zur Leistung verpflichtet zu sein.Für eine positive Kenntnis des M davon, nicht zur Leistung verpflichtet zu sein, bestehen keine Anhaltspunkte.

5. M hat gegen V einen Anspruch auf Rückzahlung der €2.000 aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, wenn die Verwaltungskostenpauschale-Klausel im Mietvertrag unwirksam war.

Ja, in der Tat!

M hat durch bewusste und zweckgerichtete Vermögensmehrung die Verwaltungskostenpauschale auf das Konto des V überwiesen, wodurch dieser einen Auszahlungsanspruch gegen seine Bank erlangte. M zahlte zur Erfüllung einer (auch nur gedachten) Verbindlichkeit (= solvendi causa) aus dem Mietvertrag. Bestand diese aber nur in einer geringeren Höhe als angenommen, zahlte er die €2.000 ohne Rechtsgrund.

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NGA

Nico Ga

28.7.2022, 18:15:59

1. Wenn es wegen 556 IV auf die 307 ff. gar nicht mehr ankommt, ist es dann nicht inkonsequent im Rahmen der Argumentation - wie hier vom BGH angenommen - auf das "AGB-Argument" der kundenfeindlichsten Auslegung abzustellen? 2. Müsste es bei der Antwort zu Frage 4 nicht - unter Bezugnahme auf 1 II Nr. 1 BetrKV - heißen, dass Verwaltungskosten danach KEINE Betriebskosten sind?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

17.8.2022, 15:08:43

Hallo Nico Ga, es handelt sich bei der geprüften Klausel um eine AGB. Allerdings ist für die Inhaltskontrolle nicht §§ 307 ff. BGB maßgeblich, sondern angesichts vorrangiger spezieller Regelung in § 556 Abs. 4 BGB eben dieser zur Ermitttlung, ob die Klausel wirksam vereinbart wurde. Da es sich aber um eine AGB handelt kann trotzdem auf die allgemeinen Regeln zur Einbeziehungskontrolle, Auslegung und Rechtsfolgen einer unwirksamen Klausel zurückgegriffen werden. Lediglich bezüglich des Inhalts liegt eine vorrangig zu beachtende speziellere Vorschrift vor. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DerChristoph

DerChristoph

25.6.2024, 11:44:52

Könntet ihr bitte in dieser Lektion noch die Links zu den Normen hinzufügen? Diese fehlen hier leider komplett. Danke!


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