Öffentliches Recht
Grundrechte
Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG)
Veröffentlichung von Versammlungsfotos auf Social Media durch Polizei
Veröffentlichung von Versammlungsfotos auf Social Media durch Polizei
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Polizistin P fertigt Fotos von einer Versammlung an und veröffentlicht sie anschließend auf dem Twitter-Account der Polizei. Auf den Fotos ist auch T zu sehen. T zweifelt daran, dass die Maßnahme auf polizei- und ordnungsrechtliche Ermächtigungsgrundlagen gestützt werden kann.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Veröffentlichung von Versammlungsfotos auf Social Media durch Polizei
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Das bloße Fotografieren einer Versammlung ist ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Das Anfertigen der Fotos durch P, um sie anschließend auf dem Twitter-Account der Polizei zu publizieren, ist ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG).
Ja, in der Tat!
3. Die Versammlungsfreiheit kann für Versammlungen unter freiem Himmel nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden (Art. 8 Abs. 2 GG).
Ja!
4. Behördliche Maßnahmen gegen Versammlungen richten sich in erster Linie nach dem einschlägigen Versammlungsgesetz („Polizeifestigkeit“ von Versammlungen).
Genau, so ist das!
5. Neben den Regelungen des § 12a VersG zur Anfertigung von Bildaufnahmen von Versammlungen kann die Ermächtigungsgrundlage sich hier aus dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht ergeben.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Carl
21.12.2020, 21:23:23
Vorliegend wurden die Fotos jedoch nicht zur Gefahrenabwehr gemacht. Die
Polizeifestigkeitbeschränkt sich MWn jedoch nur darauf.
FML
19.6.2021, 07:40:06
Trotzdem bedarf es für eine Einschränkung des Grundrechts einer EGL. Wenn die Polizei handelt ist also erstmal die Frage, ob sie repressiv oder präventiv handelt. Da es hier nicht um Strafverfolgung geht bleibt nur eine präventive Handlung zur gefahrenabwehr. Wie du selber festgestellt hast, liegt keine Situation der gefahrenabwehr durch das versammlungsgesetz vor. Damit scheidet aber auch mangels anderweitiger Gefahr die Anwendung des PolG aus. Es bleibt also nur der Schluss, dass die Polizei ohne Ermächtigung gehandelt hat. Das ist rechtswidrig.
dC20
16.2.2021, 16:24:49
Bei der Aussage "Die Versammlungsfreiheit kann für Versammlungen unter freiem Himmel nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden" sollte das "nur" entfernt werden, denn trotzdem gelten immer verfassungsimmanente Schranken.
FML
19.6.2021, 07:33:02
Ja das ist schon klar, aber gerade hier geht es um eine Maßnahme, die gerade nicht vom Versammlungsgesetz geregelt wird. Die Schranke in Art. 8 II GG verlangt ja gerade einen Gesetzesvorbehalt. Das „nur“ steht hier also zur Verdeutlichung, dass man zur Grundrechtseinschränkung immer eine EGL braucht.
QuiGonTim
27.10.2024, 15:11:26
Wie wäre in einer ähnlich gelagerten Klausur mit der offensichtlichen Konkurrenz zum
APRin Gestalt des Rechts am eigenen Bild (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG) umzugehen?
Wendelin Neubert
30.10.2024, 14:38:23
Gute Frage @[QuiGonTim](133054)! Das Recht am eigenen Bild der Versammlungsteilnehmerin ist hier in jedem Fall auch betroffen, wie Du zu Recht anmerkst. Allerdings ist in dieser Sachverhaltskonstellation die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) das speziellere Grundrecht. Die Anfertigung von Bildaufnahmen von Versammlungen muss sich primär am Maßstab der Versammlungsfreiheit messen und – soweit möglich – rechtfertigen lassen. Denn Bildaufnahmen von Versammlungen können sich auf die Bereitschaft der Versammlungsteilnehmer oder von unbeteiligten Dritten auswirken, von ihrer Versammlungsfreiheit Gebrauch zu machen, und dürfen deshalb nur versammlungsspezifischen Zwecken dienen. Die Versammlungsfreiheit bietet damit auch ein höheres Schutzniveau als das Recht am eigenen Bild. Auf Ebene der Verhältnismäßigkeit kommt es aber sicherlich gut, wenn Du zusätzlich auch Wertungen des Rechts am eigenen Bild berücksichtigst. Hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team