Fallgruppe: Obhut fremder Sachen
30. Juni 2025
39 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
R hat sich Es Armbanduhr geliehen. Diese bringt R zum Batteriewechseln zur Uhrmacherin U. U übergibt die Uhr ihrem bis dato zuverlässigen Lehrling L. L lässt die Uhr grob fahrlässig fallen. Das Gehäuse wird irreparabel beschädigt. L ist vermögenslos und nicht versichert.
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Einordnung des Falls
Fallgruppe: Obhut fremder Sachen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Steht E als Eigentümerin der Rolex ein Schadensersatzanspruch gegen L zu?
Ja!
2. Stehen E eigene vertragliche Schadensersatzansprüche gegen U als Arbeitgeberin des L zu?
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Stehen E deliktische Ansprüche gegen U zu?
Nein, das trifft nicht zu!
4. R könnte ein vertraglicher Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB gegen U zustehen.
Ja!
5. Die Beschädigung der Uhr stellt einen Schaden der E und nicht des R dar.
Genau, so ist das!
6. Auch wenn R kein eigener Schaden entstanden ist, kann er von U Schadensersatz verlangen, wenn die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation vorliegen.
Ja, in der Tat!
7. Aus Sicht der U liegt eine zufällige Schadensverlagerung vor.
Ja!
8. Eine Drittschadensliquidation scheidet vorliegend aber aus, da E gegen L ein deliktischer Schadensersatzanspruch zusteht und somit nicht schutzwürdig ist.
Nein, das ist nicht der Fall!
9. R kann von U Schadensersatz für Es erlittenen Schaden nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB iVm den Grundsätzen der Drittschadensliquidation verlangen.
Ja, in der Tat!
10. Kann R den Schadensersatz bzw. Schadensersatzanspruch im Ergebnis behalten?
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Matschegenga
22.2.2023, 17:14:38
Der Rückgriff auf die DSL basiert hier auf der Annahme, E habe den
Schadenund nicht R. Aber: Wenn zwischen E und R ein Leihvertrag über die Uhr besteht, ist R früher oder später zur Rückgabe gem. 604 BGB verpflichtet. Ist die Rückgabe - so wie hier - unmöglich, dürfte sich doch für E gg. R ein
Schadensersatzanspruch aus 280 I,III,
283 BGBergeben? Dann bliebe letztendlich doch R auf dem
Schadensitzen, könnte dann aber über 280 I, 241 II, 278 Rückgriff auf U nehmen?
falsus procurator
1.3.2023, 11:07:35
Matschegenga
7.3.2023, 15:52:53
Das hätte er wenn ihm das Verhalten des U als sein
Erfüllungsgehilfezurechenbar wäre. Aber auf den zweiten Blick sehe ich, dass U wahrscheinlich nicht im Pflichtenkreis des R tätig wird, weil R nicht ersichtlicherweise zur Reparatur der Uhr verpflichtet ist. Von daher: fair point :)

Josef K
14.2.2025, 13:02:17
Abgesehen davon: Die Rückgabe der (kaputten) Uhr ist ihm ja auch möglich, oder?
antonie
15.1.2024, 16:13:54
Woraus ergibt sich der Anspruch auf Abtretung des § 823 I des Unternehmers gegen den Besteller, den dieser nach den DSL Grundsätzen gegen die Nachbarin N hat?
§ 285kommt ja nicht in Betracht, weil dem Unternehmer die Leistung nicht unmöglich geworden ist, oder?
david1234
4.2.2024, 20:30:17
Für die
Unmöglichkeitkommt es auf den Entleiher an, denn dieser braucht nach 275 nicht zu leisten. Die Uhrmacherin betrifft er, meines Wissens, nicht.
Findet Nemo Tenetur
9.4.2025, 22:49:57
Bin mir nicht sicher, ob ich dich richtig verstehe @[david1234](229145). Wieso braucht R nach § 275 nicht zu leisten? Weil die Uhr kaputt ist und damit die Rückgabe unmöglich? Und für die auf der Beschädigung der Uhr basierende
Unmöglichkeitder Rückgabe an E bekommt R einen Ersatz in Form des
Schadensersatzanspruchs ggü U gem. §§ 280 I, 241 II iVm DSL; ist es so? Danke!
QuiGonTim
3.4.2024, 14:41:12
R hatte aufgrund des Leihvertrages ein
Besitzrechtan der Uhr. Ist dieses
Besitzrechtals
schadensrechtsrelevanter Teil seines Vermögens zu betrachten und müsste dann nicht die Beschädigung der Uhr zu einer "Wert
minderung" des
Besitzrechts und damit zu einer
Vermögensminderungauch im Sinne der
Differenzhypotheseführen?
Luca
14.4.2024, 13:08:13
Rolex hat keine Batterie. Nice try ;)
Leo Lee
15.4.2024, 12:09:42
Hallo Luca, vielen Dank für den Hinweis! In der Tat haben Rolex und sonstige High-End Uhren sog. „Perpetual-Rotor“ haben, die durch die Bewegungen vom Tragen der Uhr konstante Energie liefern. Wir haben mit solchen High-end Uhren (noch) nicht so viel Erfahrung, weshalb wir den Text entsprechend korrigiert haben. Wir danken dir vielmals dafür, dass du uns dabei hilfst, die App zu perfektionieren und freuen uns auf weitere Feedbacks von dir :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Luca
15.4.2024, 19:32:31
Hey Leo, mein Kommentar war eigentlich mehr als kleiner Spaß gedacht. Finde es aber total cool das ihr auch auf solches Feedback eingeht. Wäre mein bester Kumpel kein totaler Uhrennerd, wäre das mir selbst auch nie aufgefallen.😂😂 LG Luca

CR7
18.8.2024, 18:19:13
Marc Gebauer gefällt das (nicht) :D
Paradoxcis
11.2.2025, 12:11:30
Zwischen 1977 und 2001 hat Rolex sehr wohl Quarzuhren mit Batterie hergestellt (Oysterquarz) 😉
grainofsalt
13.4.2025, 09:58:56
Oysterquarz; 1977-2001.
ehemalige:r Nutzer:in
20.11.2024, 06:24:43
Warum führen deliktische Ansprüche  nach hM nicht zur Unanwendbarkeit der
Drittschadensliquidation?
okalinkk
29.5.2025, 10:38:08
Ich dachte sie führen zur Unanwendbarkeit. Nur ausnahmsweise bei der Obhut für fremde Sachen nicht - da ist dann trotzdem die DSL anwendbar
Magnum
26.11.2024, 10:22:14
Gibt es einen Grund, weshalb beim Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter ein eigener deliktischer Anspruch nicht gegen die Schutzbedürftigkeit des Dritten spricht bei der
Drittschadensliquidationdagegen (außer in diesem Spezialfall) schon?
Lorenz
26.11.2024, 13:42:53
DSL und VSD sind strukturell ähnlich, schließen sich aber gegenseitig aus, da die Erkennbarkeit bei der DSL das Gegenteil der zufälligen
Schadensverlagerung beim VSD ist. Dadurch, dass der Schädiger beim VSD die Einbeziehung erkennt, ist es billig, ihn vertraglichen Ansprüchen/cic auszusetzen. Bei der DSL geschieht die
Schadensverlagerung aber gerade zufällig aus Sicht des Schädigers, weshalb er u.U. auch nur deiktisch haften kann.
okalinkk
29.5.2025, 10:42:49
Kann das sein, dass du dich anfangs verschrieben hast: „Erkennbarkeit bei der DSL“, „zufällige
Schadensverlagerung beim VSD“. Müsste es nicht umgekehrt sein? @[Lorenz](211175) Ansonsten ist deine Antwort auf jeden Fall sehr hilfreich :)
Lorenz
30.5.2025, 11:20:20
stimmt 👍
okalinkk
30.1.2025, 09:56:13
liebes Jura Fuchs Team, in einer anderen Aufgabe hattet ihr geschrieben, dass es bei der DSL generell darauf ankommt, dass dem Geschädigten kein gleichwertiger eigener VERTRAGLICHER Anspruch zusteht und dass deliktische Ansprüche die DSL nicht entfallen lassen. dies erscheint mir zur Aussage der hiesigen Aufgabe etwas widersprüchlich: in dieser habe ich es nun so verstanden, dass eine DSL grds ausscheidet, wenn dem Geschädigten ein vertraglicher ODER auch DELIKTISCHER Anspruch gegen irgendjemand zusteht. Ausnahmsweise ist bei der Fallgruppe “Obhut für fremde Sachen” die DSL dennoch anwendbar, wenn dem Geschädigten irgendein deliktischer Anspruch zusteht? was ist nun richtig?
okalinkk
30.1.2025, 10:48:36
was ist hier mit innerbetrieblichem
Schadensausgleich? bei grober Fahrlässigkeit haftet der Angestellte grds ggü. dem Arbeitgeber. Aber es gibt ja eine Ausnahme, wenn die Haftung für ihn existenzvernichtend wäre (da er vermögenslos ist und hier eine Rolex beschädigt wurde, liegt doch eine Existenzgefährdung vor?). spielt das hier keine Rolle, weil es nicht um die Haftung des R ggü dem Arbeitgeber U geht? hierzu wären vllt ein oder zwei Worte im Aufgabentext hilfreich
Lt. Maverick
23.5.2025, 17:47:31
Hier geht R (Entleiher) gegen U vertraglich nach den Grundsätzen der DSL wegen
§ 278 BGBvor. U haftet für seinen
Erfüllungsgehilfen L (Angestellter). Ein Anspruch der E gegen L geht sowieso ins Leere, da L vermögenslos ist. Ob L dem U den
Schadeninfolge der Ausgleichspflicht ersetzen muss, betrifft lediglich das Innenverhältnis. Für den Anspruch des R gegen U ist dies indes irrelevant. Das ist im Grundsatz wie bei der
Gesamtschuld: Den Gläubiger braucht es nicht zu interessieren, ob und wie der Ausgleich im Innenverhältnis abläuft.
okalinkk
29.5.2025, 10:38:44
Hast Recht. Mein Fehler

Josef K
14.2.2025, 13:11:26
Denn aufgrund der Exkulpationsmöglichkeit des Geschäftsherrn (§ 831 Abs. 1 S. BGB) biete ein solcher Anspruch nicht den gleichen Schutz wie ein vertraglicher
Schadensersatzanspruch (dort erfolgt eine Zurechnung über
§ 278 BGB)." Das allein scheint mir als Begründung etwas prekär. Vielmehr scheint mir der Zusammenhang damit, wie ihr anfangs auch schreibt, dass der deliktische Anspruch gegen den Angestellten faktisch leer läuft, weil diese nicht vermögend sind, entscheidend zu sein, oder? "Dessen Handeln ist U aber nach
§ 278 BGBzurechenbar, da sie L zur Erfüllung ihrervertraglich ge
schuldeten Pflichten einsetzt." Nicht das Handeln/die Pflichtverletzung wird über § 278 zugerechnet, sondern das Ver
schulden. § 278 wird bei der Pflichtverletzung analog angewendet.
okalinkk
29.5.2025, 10:46:23
E hätte dann ja einen Anspruch gegen L aus 823, welcher faktisch auch durchsetzbar wäre?
okalinkk
29.5.2025, 10:51:37
in https://applink.jurafuchs.de/wExXPj8cLTb schreibt ihr, dass eigene deliktische Ansprüche einer DSL nicht entgegenstehen. In der hiesigen Aufgabe schreibt ihr hingegen, dass eigene deliktische Ansprüche die DSL grds ausschliessen (Ausnahme: Obhut für fremde Sachen und faktische Wertlosigkeit des deliktischen Anspruchs). Was ist denn nun richtig?