Fallgruppe: Obhut fremder Sachen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
R hat sich Es Armbanduhr geliehen. Diese bringt R zum Batteriewechseln zur Uhrmacherin U. U übergibt die Uhr ihrem bis dato zuverlässigen Lehrling L. L lässt die Uhr grob fahrlässig fallen. Das Gehäuse wird irreparabel beschädigt. L ist vermögenslos und nicht versichert.
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Einordnung des Falls
Fallgruppe: Obhut fremder Sachen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Steht E als Eigentümerin der Rolex ein Schadensersatzanspruch gegen L zu?
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Stehen E eigene vertragliche Schadensersatzansprüche gegen U als Arbeitgeberin des L zu?
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Stehen E deliktische Ansprüche gegen U zu?
Nein, das trifft nicht zu!
4. R könnte ein vertraglicher Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB gegen U zustehen.
Ja!
5. Die Beschädigung der Uhr stellt einen Schaden der E und nicht des R dar.
Genau, so ist das!
6. Auch wenn R kein eigener Schaden entstanden ist, kann er von U Schadensersatz verlangen, wenn die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation vorliegen.
Ja, in der Tat!
7. Aus Sicht der U liegt eine zufällige Schadensverlagerung vor.
Ja!
8. Eine Drittschadensliquidation scheidet vorliegend aber aus, da E gegen L ein deliktischer Schadensersatzanspruch zusteht und somit nicht schutzwürdig ist.
Nein, das ist nicht der Fall!
9. R kann von U Schadensersatz für Es erlittenen Schaden nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB iVm den Grundsätzen der Drittschadensliquidation verlangen.
Ja, in der Tat!
10. Kann R den Schadensersatz bzw. Schadensersatzanspruch im Ergebnis behalten?
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Matschegenga
22.2.2023, 17:14:38
Der Rückgriff auf die DSL basiert hier auf der Annahme, E habe den Schaden und nicht R. Aber: Wenn zwischen E und R ein Leihvertrag über die Uhr besteht, ist R früher oder später zur Rückgabe gem. 604 BGB verpflichtet. Ist die Rückgabe - so wie hier - unmöglich, dürfte sich doch für E gg. R ein Schadensersatzanspruch aus 280 I,III, 283 BGB ergeben? Dann bliebe letztendlich doch R auf dem Schaden sitzen, könnte dann aber über 280 I, 241 II, 278 Rückgriff auf U nehmen?
falsus procurator
1.3.2023, 11:07:35
Matschegenga
7.3.2023, 15:52:53
Das hätte er wenn ihm das Verhalten des U als sein
Erfüllungsgehilfezurechenbar wäre. Aber auf den zweiten Blick sehe ich, dass U wahrscheinlich nicht im Pflichtenkreis des R tätig wird, weil R nicht ersichtlicherweise zur Reparatur der Uhr verpflichtet ist. Von daher: fair point :)
antonie
15.1.2024, 16:13:54
Woraus ergibt sich der Anspruch auf Abtretung des
§ 823I des Unternehmers gegen den Besteller, den dieser nach den DSL Grundsätzen gegen die Nachbarin N hat? § 285 kommt ja nicht in Betracht, weil dem Unternehmer die Leistung nicht unmöglich geworden ist, oder?
david1234
4.2.2024, 20:30:17
Für die
Unmöglichkeitkommt es auf den Entleiher an, denn dieser braucht nach 275 nicht zu leisten. Die Uhrmacherin betrifft er, meines Wissens, nicht.
QuiGonTim
3.4.2024, 14:41:12
R hatte aufgrund des Leihvertrages ein Besitzrecht an der Uhr. Ist dieses Besitzrecht als
schadensrechtsrelevanter Teil seines Vermögens zu betrachten und müsste dann nicht die Beschädigung der Uhr zu einer "Wertminderung" des Besitzrechts und damit zu einer Vermögensminderung auch im Sinne der
Differenzhypotheseführen?
Luca
14.4.2024, 13:08:13
Rolex hat keine Batterie. Nice try ;)
Leo Lee
15.4.2024, 12:09:42
Hallo Luca, vielen Dank für den Hinweis! In der
Tathaben Rolex und sonstige High-End Uhren sog. „Perpetual-Rotor“ haben, die durch die Bewegungen vom Tragen der Uhr konstante Energie liefern. Wir haben mit solchen High-end Uhren (noch) nicht so viel Erfahrung, weshalb wir den Text entsprechend korrigiert haben. Wir danken dir vielmals dafür, dass du uns dabei hilfst, die App zu perfektionieren und freuen uns auf weitere Feedbacks von dir :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Luca
15.4.2024, 19:32:31
Hey Leo, mein Kommentar war eigentlich mehr als kleiner Spaß gedacht. Finde es aber total cool das ihr auch auf solches Feedback eingeht. Wäre mein bester Kumpel kein totaler Uhrennerd, wäre das mir selbst auch nie aufgefallen.😂😂 LG Luca
CR7
18.8.2024, 18:19:13
Marc Gebauer gefällt das (nicht) :D
Artimes
20.11.2024, 06:24:43
Warum führen deliktische Ansprüche  nach hM nicht zur Unanwendbarkeit der
Drittschadensliquidation?
Magnum
26.11.2024, 10:22:14
Gibt es einen Grund, weshalb beim Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter ein eigener deliktischer Anspruch nicht gegen die Schutzbedürftigkeit des Dritten spricht bei der
Drittschadensliquidationdagegen (außer in diesem Spezialfall) schon?
Lorenz
26.11.2024, 13:42:53
DSL und VSD sind strukturell ähnlich, schließen sich aber gegenseitig aus, da die Erkennbarkeit bei der DSL das Gegenteil der zufälligen Schadensverlagerung beim VSD ist. Dadurch, dass der Schädiger beim VSD die Einbeziehung erkennt, ist es billig, ihn vertraglichen Ansprüchen/cic auszusetzen. Bei der DSL geschieht die Schadensverlagerung aber gerade zufällig aus Sicht des Schädigers, weshalb er u.U. auch nur deiktisch haften kann.