+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Bodybuilderin B möchte eine neue Klimmzugstange. Auf ihre Bedenken bzgl. der Stabilität verweist Verkäufer V auf das Werbesprospekt des Herstellers H, wonach die Stange mit 200kg belastet werden kann. Schon bei dem ersten Training bricht die Stange wegen eines nicht sichtbaren Materialfehlers, wobei sich B verletzt.

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Einordnung des Falls

Bloße Beschaffenheitsangabe

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein kaufrechtlicher Schadensersatzanspruch der B (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) setzt voraus, dass V den Materialfehler zu vertreten hatte.

Ja, in der Tat!

Über die Verweisungsnorm des § 437 Nr. 3 BGB finden die allgemeinen Regelungen zum Schadensersatz im Kaufmängelgewährleistungsrecht Anwendung. Insoweit bedarf es auch hier eines Vertretenmüssens (§§ 280 Abs. 1, 276 Abs. 1 BGB).
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2. V hat der B fahrlässig eine mangelhafte Klimmzugstange verkauft.

Nein!

Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr gebotene Sorgfalt nicht beachtet. Der Maßstab der Sorgfalt bestimmt sich objektiv nach den Fähigkeiten eines durchschnittlichen Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises. So müssen Zwischenhändler, die industriell gefertigte Ware weiterverkaufen, die veräußerte Ware im Regelfall nicht untersuchen. Als bloßer Verkäufer traf V keine Untersuchungspflicht der Stange. Hinzukommt, dass der Fehler auch bei einer solchen Untersuchung nicht zu erkennen gewesen wäre.

3. V hat eine Garantie hinsichtlich der Stabilität der Klimmzugstange abgegeben.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Garantie liegt nur vor, wenn der Schuldner dem Gläubiger zusagt, für die mit dem Eintritt oder dem Ausbleiben eines bestimmten Umstandes verbundenen Folgen in jedem Fall (also auch ohne Verschulden) einzustehen. Ob eine solche Garantie übernommen wird, ist durch Auslegung (§§133, 157) zu ermitteln. Im Hinblick auf die weitreichende Haftung ist bei der Annahme einer Garantie Zurückhaltung geboten.Der bloße Verweis auf das Werbeprospekt kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass V verschuldensunabhängig für die Beschaffenheit der Stange haften wollte.

4. V hat den Mangel der Klimmzugstange zu vertreten.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist (§ 276 Abs. 1 BGB). V trifft kein Verschulden (Vorsatz/Fahrlässigkeit). Da er keine Garantie für die Stange abgegeben hat, trifft ihn auch keine weitergehende Haftung. Auch ein etwaiges Verschulden des Herstellers kann V nicht zugerechnet werden, da es sich bei diesem nicht um seinen Erfüllungsgehilfen handelt (§ 278 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

KEK

Kekskrümel

2.1.2022, 21:00:42

Hallo. Die Frage bzw. Antwort verstehe ich nicht. Die Frage ist, ob V den Mangel zu vertreten hat. Die Aussage wird mit stimmt nicht angegeben. In der Subsumtion wird dann aber geschrieben, dass er den Mangel aufgrund der Garantieerklärung zu vertreten hat, wobei in der Frage vorher die Garantieerklärung verneint wurde. Irgendwie passt für mich hier gerade etwas nicht zusammen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

3.1.2022, 09:57:57

Danke Kekskrümel, wir haben das hier richtiggestellt. Da V keine Garantie abgegeben hat und er den Mangel auch nicht verschuldet hat, muss er den Mangel nicht vertreten. Er ist insoweit nicht schadensersatzpflichtig. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

STE

Stella2244

16.5.2024, 18:12:13

Warum ist der Hersteller nicht der Erfüllungsgehilfe des Händlers?

LELEE

Leo Lee

17.5.2024, 16:09:45

Hallo Stella, vielen Dank für diese sehr gute und WICHTIGE Frage. Das ist i.Ü. in Klausuren (bis zu den Prüflingen kurz vor dem Examen!) ein sehr häufiger Fehler! Dafür müssen wir uns kurz anschauen, was ein Erfüllungsgehilfe ist. Erfüllungsgehilfen sind solche Personen, die mit Wissen und Wollen im PFLICHTENKREIS des SCHULDNERS bei der Erfüllung der Verbindlichkeit tätig werden. D.h. entscheidend ist, welche PFLICHTEN der Schuldner, der den Gehilfen anheuert, erfüllen muss. Und hier kommt der entscheidende Punkt: Den Verkäufer trifft eben nur die Pflicht, die Sache (zu beziehen und dann) zu LIEFERN. Die Herstellung wird hingegen nicht geschuldet, weshalb ein Fehler des Herstellers eben nicht zugerechnet werden kann! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Grundmann § 278 Rn. 23 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

STE

Stella2244

21.5.2024, 17:20:54

Vielen Dank @[Leo Lee](213375)

CR7

CR7

18.8.2024, 15:46:50

@[Leo Lee](213375) Könntet ihr das bitte als Vertiefungshinweis mit aufnehmen? Danke! :)

Natze

Natze

29.8.2024, 15:13:56

letztendlich bestünde jedoch ein Anspruch aus ProdHaftung gegenüber dem Hersteller, richtig?

LELEE

Leo Lee

1.9.2024, 09:29:58

Hallo Natze, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat hätte B natürlich einen Anspruch gegen den Hersteller selbst, der hier dann auch nach dem ProdHaftG haften würde. Wir haben diese Frage kapitelbedingt bewusst weggelassen, zumal es hier auch um den Anspruch gegen den V ging. Aber du hast völlig Recht, dass das ProdHaftG durchgehen würde :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Natze

Natze

2.9.2024, 16:51:06

Danke dir :)


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