Erfüllungsgehilfe und Verrichtungsgehilfe, § 278

21. August 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Heizungsinstallateur H schickt seinen Azubi A zum Kunden K, um dessen Heizung zu reparieren. Da A noch sehr unerfahren ist, verursacht er durch unsachgemäße Reparatur eine Überschwemmung in der Wohnung des K. K verlangt von H Schadensersatz.

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Einordnung des Falls

Erfüllungsgehilfe und Verrichtungsgehilfe, § 278

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Fremdes Verschulden kann dem Schuldner zugerechnet werden, wenn es sich um das Verschulden eines Erfüllungsgehilfen handelt (§ 278 S. 1 Alt. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Dem Schuldner wird das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen zugerechnet (§ 278 S. 1 Alt. 2 BGB). Voraussetzung ist (1) das Bestehen eines Schuldverhältnisses zwischen Gläubiger und Schuldner, (2) der Dritte muss Erfüllungsgehilfe sein, also mit Wissen und Wollen im Pflichtenkreis des Schuldners tätig werden, (3) der Erfüllungsgehilfe muss in Erfüllung einer dem Schuldner obliegenden Verbindlichkeit und nicht nur bei Gelegenheit gehandelt haben und (4) schuldhaft gehandelt haben.
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2. A ist Erfüllungsgehilfe des H. Das Verschulden des A wird dem H zugerechnet (§ 278 S. 1 Alt. 2 BGB).

Ja!

(1) Zwischen H und K besteht ein Schuldverhältnis: ein Werkvertrag. (2) H hat sich des A bedient, um seine Pflicht gegenüber K (Heizung reparieren) zu erfüllen. (3) A beschädigte die Heizung des K bei der Reparatur, also in Erfüllung einer Verbindlichkeit des H. (4) A wusste, dass ihm die notwendige Erfahrung für die Reparatur fehlte, und versuchte sich dennoch alleine daran. Er handelte damit wenigstens fahrlässig und somit schuldhaft (§ 276 Abs. 2 BGB).

3. K hat gegen H einen vertraglichen Schadensersatzanspruch (§§ 280 Abs. 1, 631, 278 BGB).

Genau, so ist das!

Der Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 631 BGB setzt voraus: (1) ein Schuldverhältnis, (2) eine Pflichtverletzung, (3) Vertretenmüssen und (4) einen kausalen Schaden. Zwischen K und V besteht ein Werkvertrag, welcher Leistungspflichten nach nach § 241 Abs. 1 BGB und Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB begründet. H trifft die Pflicht, das Werk ordnungsgemäß herzustellen und durch eine fehlerhafte Werkleistung auch nicht das Eigentum des K zu verletzen (Integritätsinteresse). H hat diese Pflicht nicht verletzt. Jedoch wird A als Erfüllungsgehilfe des H in dessen Pflichtenkreis tätig (in Erfüllung einer konkreten Verbindlichkeit des H). Deshalb wird H eine fahrlässige Pflichtverletzung des A zugerechnet (§ 278 S. 1 Alt. 2 BGB). A hat hier die Heizung des K unsachgemäß repariert und damit die Leistungspflicht aus § 631 Abs. 1 BGB verletzt. In der Folge wurde auch die Wohnung des K beschädigt. Diese Pflichtverletzung des A hat H zu vertreten (§ 278 BGB). K kann von H seine Reparaturkosten ersetzt verlangen (§ 249 Abs. 2 BGB).

4. Auch im Deliktsrecht wird fremdes Verschulden nach § 278 BGB zugerechnet.

Nein, das trifft nicht zu!

Fremdes Verschulden wird im Deliktsrecht grundsätzlich nicht zugerechnet. Die Zurechnungsnorm des § 278 BGB greift hier nicht. § 831 BGB stellt keine Zurechnungsnorm dar, nach der fremdes Verschulden zugerechnet wird. Es handelt sich um eine eigene Anspruchsgrundlage, die eine Haftung für vermutetes eigenes Verschulden bei der Auswahl oder Überwachung eines Verrichtungsgehilfen begründet. Deswegen kann sich der Schuldner auch exkulpieren, wenn er den Verrichtungsgehilfen sorgfältig ausgewählt und überwacht hat. Der Verrichtungsgehilfe unterscheidet sich zudem vom Erfüllungsgehilfen: Verrichtungsgehilfen sind weisungsgebunden.

5. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB begründet eine Haftung für vermutetes eigenes Verschulden bei der Auswahl oder Überwachung des Verrichtungsgehilfen.

Ja!

Ein Schadenersatzanspruch aus § 831 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus: (1) eine unerlaubte Handlung (2) des Verrichtungsgehilfen (3) bei Ausführung der Verrichtung, (4) keine Exkulpation des Geschäftsherrn und (5) einen kausalen Schaden.Verrichtungsgehilfe ist, wer weisungsgebunden mit Wissen und Wollen im Pflichtenkreis des Schuldners tätig wird. Der Begriff des Verrichtungsgehilfen ist daher enger als der des Erfüllungsgehilfen.

6. K hat auch einen deliktischen Schadenersatzanspruch gegen H (§ 831 Abs. 1 S. 1 BGB).

Genau, so ist das!

H hat A zur Reparatur der Heizung eingesetzt, und A ist als Arbeitnehmer gegenüber H weisungsabhängig. A ist mithin Verrichtungsgehilfe des H. A hat bei der Reparatur widerrechtlich das Eigentum des K verletzt, also in Ausführung der Verrichtung. A war noch zu unerfahren für eine solche Reparatur. Deshalb kann H sich nicht damit exkulpieren, dass er A sorgfältig ausgesucht und überwacht hat (§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB). K kann seine Reparaturkosten ersetzt verlangen (§ 249 Abs. 2 BGB). Zur Wiederholung: Die wesentlichen Unterschiede zwischen § 278 BGB und § 831 BGB sind: (1) Nach § 278 S. 1 BGB wird fremdes Verschulden zugerechnet. § 831 BGB begründet eine Haftung für eigenes Verschulden bei Auswahl oder Überwachung eines Verrichtungsgehilfen. (2) § 278 BGB ist eine Zurechnungsnorm, § 831 BGB ist eine Anspruchsgrundlage. (3) Der Begriff des Verrichtungsgehilfen ist enger als der des Erfüllungsgehilfen: Der Verrichtungsgehilfe muss – anders als der Erfüllungsgehilfe – weisungsgebunden sein. (4) Im Rahmen von § 831 BGB kann sich der Schuldner exkulpieren (§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB), im Rahmen von § 278 S. 1 BGB nicht. H hat neben § 831 BGB auch die Voraussetzungen des § 823 BGB erfüllt. Die tatbestandliche Nähe der beiden Vorschriften ergibt sich daraus, dass § 823 BGB allgemein eine Haftung für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten begründet, während § 831 BGB die einzelne Pflicht zur Auswahl und Beaufsichtigung des Verrichtungsgehilfen besonders regelt. Besteht die unerlaubte Handlung des Geschäftsherrn im Einzelfall allein in einer mangelhaften Auswahl und Überwachung seiner Hilfsperson, bedarf es einer Anwendung von § 823 BGB nicht, da § 831 BGB diesen Fall spezieller und für den Geschädigten vorteilhafter regelt: § 831 BGB gewährt im Gegensatz zu § 823 BGB den Ersatz reiner Vermögensschäden und schafft erleichterte Bedingungen für den Geschädigten, indem er dem Geschäftsherrn den Exkulpationsbeweis abverlangt und den Geschädigten dadurch beweisrechtlich besserstellt.
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