Befundsicherungspflicht (Fabrikationsfehler)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A kauft bei Edeka eine Fanta-Mehrwegglasflasche des Herstellers Coca-Cola (C). Als A sie zu Hause öffnet, zerspringt die Glasflasche wegen Haarrisses im Glas in 1.000 Scherben, von denen eine das Auge der A trifft. Vor der Auslieferung hatte C die Flasche nicht nochmal kontrolliert. Es ist weder feststellbar, ob der Riss bei der Herstellung des C verursacht wurde, noch ob C bei der Produktion schuldhaft handelte.
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Einordnung des Falls
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wird jemand durch ein Produkt verletzt, wird grundsätzlich vermutet, dass der Hersteller seine Verkehrspflicht verletzt hat.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. A kann beweisen, dass das Produkt einen Fehler hatte und dieser auch schon beim Inverkehrbringen der Sache bestand.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Immer wenn der Geschädigte in einer solchen Beweisnot ist, wird zusätzlich auch das Vorliegen des Fehlers im Zeitpunkt des Inverkehrbringens vermutet.
Nein!
4. C hat eine Befundsicherungspflicht hinsichtlich der Glasflasche.
Genau, so ist das!
5. C hat gegen seine Befundsicherungspflicht verstoßen, sodass die Verkehrspflichtverletzung vermutet wird.
Ja, in der Tat!
6. Bei Vorliegen der Verkehrspflichtverletzung wird das Verschulden vermutet.
Ja!
7. Wenn C durch das Inverkehrbringen der Mehrwegglasflasche eine Verkehrspflicht verletzt hat, kommt eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB für die Körperverletzung der A in Betracht.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Dini1606
25.1.2023, 23:22:22
Wieso kann A in diesem Fall den Fehler nicht beweisen, dafür bei der Produzentenhaftung aber schon? Werden unterschiedliche Anforderungen an den Beweis gestellt?
Nora Mommsen
26.1.2023, 14:24:40
Hallo Dini1606, danke für deine Frage. In diesem Fall konnte aufgrund der Beweislaständerung die Verantwortlichkeit der C festgestellt werden. Dies liegt an einer
Beweislastumkehrim Rahmen einer besonderen Gruppe der Verkehrssicherungspflichten, die bei § 823 BGB zu berücksichtigen sind. Diese Fallgruppen werden zusammenfassend als Produzentenhaftung bezeichnet. Die Produzentenhaftung setzt sich zusammen aus Konstruktions-, Fabrikations-, Instruktions-, und
Befundsicherungspflichten (letztere werden auch als Produktbeobachtungspflichten bezeichnet). Sie sind eine Untergruppe der Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB. Abhängig von der konkreten Pflicht kommt es zu einer
Beweislastumkehrsowie ggsfs. auch zu einer Verschuldensvermutung. Dies hängt damit zusammen, dass der Kunde keine Möglichkeit hat im Rahmen der Produktionsabläufe erfolgte Fehler zu beweisen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
CR7
6.7.2023, 10:04:04
Bei einer Erklärung heißt es „H“ statt „C“, ich weiß nicht, ob das H allgemein auf Hersteller bezogen ist oder hier eigentlich das C hingehört :-()
Johannes Nebe
4.3.2024, 15:16:18
Der berechtigte Hinweis von CR7 hat noch nicht zur Korrektur geführt. -- Die Randnummer 1109 des zitierten MüKo BGB § 823 ist nicht mehr aktuell. Es wäre nett, wenn Ihr das aktualisieren könntet. -- Dann wäre es gut, wenn
Nora Mommsenihren Beitrag noch mal kritisch überprüfen könnte. So wie ich es verstanden habe, ist Produktbeobachtungspflicht nicht dasselbe wie
Befundsicherungspflicht. P. ist eine der Möglichkeiten der Produzentenhaftung. Dabei geht es um Gefahren, die durch das Produkt im Laufe seines Lebenszyklus entstehen, das können auch Gefahren in Zusammenspiel mit Proukten Dritter sein (Hondafall). B. hingegen ist ein vom BGH eingeführter Grundsatz, um zur
Beweislastumkehrbeim Fehlerbereichsnachweis zu kommen (MüKo Rn. 1143), den wiederum der Geschädigte führen muss, um eine
Beweislastumkehrin der Produkthaftung zu erreichen. Diese Beweisfragen sind noch einmal von der (prinzipiell bestehenden)
Beweislastumkehrfür das Verschulden des Produzenten zu trennen (Rn. 1138).