Ausreißer
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Omi O kauft bei Verkäufer V einen neuen E-Scooter des Herstellers H. Bei der ersten Fahrt bricht die Achse am Vorderrad. O stürzt und bricht sich den kleinen Finger. Ursache für den Achsenbruch sind kleine Risse im Material, die aber bei keinem anderen Scooter dieser Serie des H aufgetreten sind. Einen solchen "Ausreißer" konnte H auch trotz Anwendung der zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen und Befundsicherung nicht verhindern.
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Einordnung des Falls
Ausreißer
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Hersteller einer Ware hat bestimmte Verkehrspflichten.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der E-Scooter hat einen Konstruktionsfehler.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Der E-Scooter hat einen Fabrikationsfehler.
Ja!
4. H hat seine Fabrikationspflicht verletzt.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
CR7
6.7.2023, 10:27:32
Wäre hier ein Anspruch aus § 1 Abs. 1 ProdHaftG gegeben?
Nora Mommsen
7.7.2023, 10:57:48
Hallo (af), danke für deine Frage. Es liegen alle anspruchsbegründenden Voraussetzungen vor. Damit besteht ein Anspruch aus § 1 ProdHG. Insbesondere ist ein Schaden durch ein fehlerhaftes Produkt verursacht worden. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Amelie7
31.10.2024, 16:14:45
Ich fände es super, wenn das als Vertiefungshinweis aufgenommen wird. Auf mich wirkte es jetzt so, als wären damit die Ansprüche ausgeschlossen
Dogu
6.8.2024, 15:03:23
Sollte hier nicht eher das Verschulden verneint werden, da nicht einmal Fahrlässigkeit vorliegt, oder wird bei Verkehrssicherungspflichten nicht zwischen Pflichtverletzung und Verschulden unterschieden?
LS2024
28.8.2024, 10:10:52
Bin auch darüber gestolpert und habe nachgeschaut. Für eine Verortung des Ausreißereinwands beim Verschulden: BeckOGK/T. Voigt, 1.7.2024, BGB § 823 Rn. 657.
Dogu
28.8.2024, 11:11:16
Danke : )
Juraddicted
9.10.2024, 11:31:47
Mir ist leider noch nicht ganz klar, wie sich das bedingt. Wegen der Gefährdungshaftung im ProdhaftG prüft man diesen AS besser vor § 823. Kann sich der Hersteller bei § 1 ProdhaftG auch iwie indirekt über eine "Beweislast" exkulpieren? Könnte er also jemanden gefährden und wenn derjenige nicht die Verletzung einer Pflichten darzulegen und beweisen kann, ist der Hersteller "raus"? Scheitert dann auch immer der § 823 oder kann das "Verschulden" den Geschädigten noch "retten"? Vielen Dank :)
Leo Lee
13.10.2024, 06:30:33
Hallo Juraddicted, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Der Produzent kann selbstverständlich - vor allem bzgl. der Ausschlusstatbestände - die nötigen Beweise erbringen, damit er den Tatbestand "rauskicken" kann, dann muss er eben die Tatsachen vortragen, die ihn entlasten. Da diese Beweissituation dann auch die des 823 entsprechen wird, würde bei entsprechender Entlastung auch der 823 ausscheiden. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Wagner § 1 ProdHaftG Rn. 78 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Juraddicted
14.10.2024, 17:01:10
Super, vielen Dank! :) Das habe ich nachgeschaut und verstehe es jetzt. Liebe Grüße Für alle, das steht in der Fundstelle: "Nach allgemeinen Grundsätzen wäre der Geschädigte mit der Darlegung und dem Nachweis der Haftungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1, also Vorliegen eines Produktfehlers im Zeitpunkt der Inverkehrgabe, Rechtsgutsverletzung, Schaden, haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität belastet. Damit entspräche die Beweissituation im Wesentlichen derjenigen bei der deliktischen Produkthaftung nach § 823 Abs. 1 BGB (→ BGB § 823 Rn. 1136 ff.). Diese Allokation der Beweislast beim Geschädigten wird in § 1 Abs. 2 und 3 zum Teil korrigiert, um dem Prinzip der Waffengleichheit zu entsprechen. Das Ergebnis dieses Kompromisses ist ein differenziertes System, das zudem noch durch die allgemeinen, richterrechtlichen Institute zur Korrektur gesetzlicher Beweislastregeln ergänzt werden kann."