Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Auslegung der Willenserklärung

Auslegung nicht empfangsbedürftiger Willenserklärungen: Testament

Auslegung nicht empfangsbedürftiger Willenserklärungen: Testament

21. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

O hat einen Weinkeller, den er seine „Bibliothek“ nennt. Nach dem Tod des O taucht ein Testament auf, in dem O seinem Weinfreund E die „Bibliothek“ vermacht. Die Erben des O meinen, dass man darunter die Bücher verstehen müsse.

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Einordnung des Falls

Auslegung nicht empfangsbedürftiger Willenserklärungen: Testament

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bei Os Testament handelt es sich um eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Ist bei der Auslegung des Testaments Os „wirklicher Wille“ (§ 133 BGB) maßgeblich?

Genau, so ist das!

Bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist der „wirkliche Wille“ (§ 133 BGB) des Erklärenden maßgeblich. Eine Willenserklärung ist empfangsbedürftig, wenn sie gegenüber einem anderen abzugeben ist (§ 130 Abs. 1 BGB). Sie wird erst mit Zugang wirksam und muss nach dem objektiven Empfängerhorizont ausgelegt werden (§ 157 BGB analog, weil es sich nicht um einen Vertrag handelt). Eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung hingegen wird bereits mit Abgabe wirksam und ist nur nach dem wahren Willen des Erklärenden auszulegen (§ 133 BGB). Ein Testament wird mit dessen Errichtung wirksam (§ 2247 Abs. 1 BGB). Damit erfordert es keinen Zugang gegenüber den Erben oder Vermächtnisnehmern. Es handelt sich um eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung.
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2. Bei der Auslegung des Testaments des O kann berücksichtigt werden, dass O zu Lebzeiten seine Weinsammlung „Bibliothek“ nannte.

Ja, in der Tat!

Bei formbedürftigen Erklärungen können außerhalb der Urkunde liegende Begleitumstände bei der Auslegung genauso wie bei formlosen Erklärungen mit berücksichtigt werden. Die Rspr. schränkt diese Auslegung lediglich anhand der Andeutungstheorie ein. Diese erfordert, dass der wahre Wille zumindest andeutungsweise in den Urkundentext aufgenommen wurde. An die Andeutung sind allerdings keine hohen Anforderungen zu stellen. Unter Anwendung der Andeutungstheorie reicht die Nennung der "Bibliothek" als Andeutung des Weinkellers aus. Weiterhin findet auch die falsa demonstratio non nocet im Rahmen der Andeutungstheorie Anwendung.

3. Das Testament des O ist so auszulegen, dass O dem E seinen Weinkeller vermacht hat.

Ja!

Bei der Auslegung nicht empfangsbedürftiger Willenserklärungen ist nur der wahre Wille des Erklärenden zu beachten (§ 133 BGB). O hat das Wort "Bibliothek" als Synonym für seinen Weinkeller verwendet. Obwohl O auch Bücher zu vererben hat, ist aufgrund seines Sprachgebrauchs zu Lebzeiten und der Tatsache, dass E sein Weinfreund ist, auf den Willen des O zu schließen, dem E seinen Weinkeller zu vermachen. Auf den genauen Wortlaut oder das Verständnis nach objektiviertem Empfängerhorizont kommt es hierbei nicht an.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MsFox

MsFox

24.11.2020, 22:29:15

Was wäre, wenn im Testament nur "Bibliothek geht an E" stände und O seinen Weinkeller nur gegenüber E so genannt hat und auch sonst keine weiteren Hinweise auf "Wein" hinterlegt wären?

Great success

Great success

14.2.2021, 07:44:44

Es ist auf den wahren Willen abzustellen. Daher würde man zum gleichen Ergebnis kommen. Doch ob man das im wahren Leben beweisen, ist fraglich.


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