Anforderung an Zustimmung der Eltern zur IOHN

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Zwischen Tom und seinen Eltern kommt es zu starken Auseinandersetzungen. Konfliktlösungsversuche des Jugendamtes helfen nicht. Nach einer gewalttätigen Ausschreitung möchte es Tom in Obhut nehmen. Seine Eltern geben zu massiv überfordert zu sein und widersprechen nicht.

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Einordnung des Falls

Anforderung an Zustimmung der Eltern zur IOHN

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Inobhutnahme ist auch möglich, wenn der Minderjährige nicht selbst darum bittet.

Genau, so ist das!

Ja, das ist möglich! Dies setzt im Kern voraus, dass eine dringende Gefahr für das Wohl des Minderjährigen besteht (Kindeswohlgefährdung, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII). Zweck der Jugendhilfe ist der Schutz des körperlichen, geistigen und seelischen Wohls des Minderjährigen.
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2. Es besteht eine Gefahr für das „Wohl“ von Tom (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII).

Ja, in der Tat!

Eine Gefahr besteht, wenn im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung konkrete Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für das Wohl des Minderjährigen eintritt. Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Das "Wohl" des Minderjährigen umfasst das physische und psychische Wohl, z.B. die Rechtsgüter Leib und Leben. Aufgrund der bereits erfolgten Gewalttätigkeiten und der Aussage der Eltern droht für Tom mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für sein Wohl. Dies betrifft sowohl sein physisches als auch psychisches Wohl.

3. Die Gefahr für das Wohl von Tom ist auch „dringend“ (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII).

Ja!

Die Gefahr ist dringend, wenn es sich bei dem gefährdeten Rechtsgut des Minderjährigen um ein besonders wichtiges Rechtsgut handelt, konkret: Leib oder Leben. Die wiederholten starken und gewalttätigen Auseinandersetzungen verletzen und gefährden das körperliche Wohlbefinden von Tom. Er ist in seinem Rechtsgut „Leib“ betroffen.

4. Die Inobhutnahme von Tom durch das Jugendamt ist „erforderlich“ (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII).

Genau, so ist das!

Die Inobhutnahme ist erforderlich wenn die Kindeswohlgefährdung nicht durch andere öffentliche Hilfen oder Maßnahmen (z.B. Hilfen des Jugendamts oder eine familiengerichtliche Entscheidung) gleich wirksam abgewendet werden kann. Das Jugendamt muss prüfen, ob andere rechtmäßige Hilfen zur Abwendung der Kindeswohlgefahr in Betracht kommen und rechtzeitig angeboten werden können (z.B. nach § 8a SGB VIII). Andere Maßnahmen führten nicht zum erhofften Erfolg. Die akute Gefahr für das Wohl von Tom durch gewalttätige Ausschreitungen seitens seiner Eltern erfordert die Inobhutnahme.

5. Vor einer Inobhutnahme muss das Jugendamt versuchen, die Personensorgeberechtigten des Minderjährigen zu kontaktieren. Diese können der Inobhutnahme widersprechen (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 a) SGB VIII).

Ja, in der Tat!

Bei der Inobhutnahme wegen Kindeswohlgefahr muss das Jugendamt die Personensorgeberechtigten vor der Entscheidung über die Inobhutnahme kontaktieren. Das ergibt sich nicht ganz offensichtlich aus dem Wortlaut des § 42 Abs. 1 Nr. 2 a) SGB VIII. Die Rechtsprechung schließt daraus, dass die Norm eine nummerierte Reihenfolge enthält (Buchstabe a: Eltern widersprechen nicht, Buchstabe b: familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig möglich), dass das Jugendamt vorrangig immer zunächst versuchen muss, die Eltern zu erreichen, Hilfen (§§ 27 ff. SGB VIII) anzubieten. Dies soll das vorrangige Erziehungsrecht der Eltern (Art. 6 Abs. 2 GG) schützen.

6. Die Eltern von Tom stimmen der Inobhutnahme zu. Die Voraussetzungen für eine Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Nr. 2 a) SGB VIII liegen vor.

Ja!

Es bedarf für das Einverständnis der Eltern keiner ausdrücklichen Zustimmung zur Inobhutnahme. Es reicht aus, dass sie konkludent auf ihr Widerspruchsrecht verzichten. Sie müssen vollständig unterrichtet worden sein und die Bedeutung und Folgen der Inobhutnahme verstanden haben. Die Voraussetzungen für eine Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Nr. 2 a) SGB VIII liegen vor. Das Jugendamt nimmt Tom in Obhut.
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