Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Nichtigkeit von Verwaltungsakten
Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG, bei einschlägigem § 44 Abs. 3 plus besonderer Umstände
Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG, bei einschlägigem § 44 Abs. 3 plus besonderer Umstände
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Sachbearbeiter S ist seit Jahren zutiefst zerstritten mit seiner Mutter M. Um M eins auszuwischen, erlässt S gegenüber M einen Gebührenbescheid für Müllgebühren, der die gesetzlich vorgesehenen Gebühren deutlich überschreitet. M fragt sich, ob sie gegen die Höhe des Bescheids vorgehen muss.
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Einordnung des Falls
Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG, bei einschlägigem § 44 Abs. 3 plus besonderer Umstände
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wird durch einen Gebührenbescheid mehr verlangt, als es die gesetzliche Grundlage vorsieht, ist dieser materiell rechtswidrig.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ist der Verwaltungsakt auch deswegen rechtswidrig, weil S ihn gemäß § 20 Abs. 1 S.1 Nr. 2, Abs. 5 S.1 Nr. 3 VwVfG nicht erlassen durfte?
Ja!
3. Allein der Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten muss dazu führen, dass der Verwaltungsakt nichtig ist.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Liegen hier weitere Umstände vor, die eine Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG begründen?
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Sniter
13.6.2023, 20:50:50
Hi, ich glaube der Verweis auf § 44 III VwVfG im allerletzten Vertiefungshinweis ist falsch. Da sich die Nichtigkeit des VA im vorliegenden Fall aus § 44 I VwVfG ergibt, folgt die Rechtsfolge der grds Teilnichtigkeit bereits im § 44 I VwVfG ("soweit"). § 44 IV VwVfG besagt dagegen gerade das Gegenteil dessen, was -so habe ich den Fall verstanden- Ihr mit dem Hinweis andeuten wollt: § 44 IV VwVfG besagt mE, dass wenn ein VA nur teilnichtig ist, er unter zus. VSS "gesamt"-nichtig sein kann. Im vorliegenden Fall geht es aber doch darum, dass nur der "überschießende" Teil des VA, dh bzgl. der zu hohen Gebühren, nichtig ist.
Sniter
15.6.2023, 16:08:51
Hi, warum führt ein Verstoß gegen § 20 VwVfG zur materiellen und nicht zur formellen Rechtswidrigkeit des VA?
MLena
2.10.2023, 15:09:48
Das würde mich auch interessieren, vllt könnte ja noch jemand antworten, bitte? :)
Nedjem
24.1.2024, 13:34:08
Hey ihr zwei, ich verstehe das so: es ist zu unterscheiden zwischen rechtswidrigem und nichtigen VA, die unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen. Die Begriffspaare „rechtmäßig/rechtswidrig“ und „rechtswirksam/-unwirksam“ sind daher grundsätzlich streng voneinander zu trennen! Wir prüfen die Nichtigkeit des VA. Zuerst wird geprüft, ob der Gebührenbescheid
formell rechtmäßigist. M war nach § 13 I Nr. 2 Alt. 2 VwVfG an dem auf Erlass des Gebührenbescheids gerichteten Verwaltungsverfahren beteiligt. S ist als Sohn gem. § 1589 S. 1 BGB mit M in gerader Linie verwandt, mithin Angehöriger i.S.d. § 20 I 1 Nr. 2, V Nr. 3 VwVfG und durfte deshalb in diesem Verwaltungsverfahren nicht für die
Behördetätig werden. Schon deshalb ist also der VA formell rechtswidrig. ABER: § 44 III Nr. 2 VwVfG bestimmt ausdrücklich, dass der Umstand allein, dass an dem Verfahren eine nach § 20 I Nr. 2 VwVfG ausgeschlossene Person mitgewirkt hat, gerade nicht zur Nichtigkeit des VA führt. Wegen eines formellen Rechtsfehlers ist der Verwaltungsakt somit nicht nichtig. Sodann wird die
materielle Rechtmäßigkeitdes VA geprüft: die Voraussetzungen der EGL sind hier aufgrund der zu hohen Gebührenforderung nicht erfüllt, damit ist der VA
materiell rechtswidrig. Fraglich ist, ob der VA deswegen auch nichtig nach
§ 44 VwVfGist. Die speziellen Nichtigkeitsgründe des § 44 II VwVfG greifen nicht; es bleibt die Generalklausel des § 44 I VwVfG. Diese ist erfüllt, damit ist der VA (teil-) nichtig.