Habgier und Furcht vor Anzeige

22. November 2024

4,7(6.692 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T bricht in den "Tante-Emma-Laden" der E ein und wird von E auf der Suche nach Stehlenswertem überrascht. Aus Furcht vor einer Anzeige, aber vor allem um seine Suche nach Geld fortsetzen zu können, tötet er die E mit Schlägen und Tritten.

Diesen Fall lösen 90,8 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Habgier und Furcht vor Anzeige

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Handelt der Täter wie T aus mehreren Motiven (Motivbündel), kommt es entscheidend darauf an, welches Motiv bewusstseinsdominant ist.

Genau, so ist das!

Handelt ein Täter aus einer Mehrzahl von Motiven, so spricht man von einem "Motivbündel". Bei einem solchen ist die Gesamtbewertung entscheidend, also welches das Hauptmotiv bzw. welches das vorherrschende Motiv ist. Neben der Furcht vor einer Anzeige kommt auch das Gewinnstreben und die Ermöglichungsabsicht in Betracht.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Die Habgier (§ 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 3 StGB) stellt das Hauptmotiv des T dar.

Ja, in der Tat!

Habgier ist das gesteigerte abstoßende Gewinnstreben um jeden Preis, auch um den eines Menschenlebens. BGH: Handele der Täter aus einem "Motivbündel" heraus, sei er wegen Habgier-Mordes nur zu bestrafen, wenn das Gewinnstreben bewusstseinsdominant und damit tatbeherrschend war (RdNr. 19). T tötet die E, damit er weiter nach Geld suchen kann und dementsprechend aus einem gesteigertem abstoßenden Gewinnstreben. Der BGH sah in dieser Fallkonstellation das Gewinnstreben des T als das tatbeherrschende und bewusstseinsdominierende Motiv an. Sowohl das Verdeckungsmotiv als auch das Ermöglichungsmotiv hätten ihre Ursache in dem ungezügelten Gewinnstreben des T.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Der BGBoss

Der BGBoss

13.7.2021, 19:02:14

Könnte man statt

Habgier

auch

Ermöglichungsabsicht

annehmen?

Ferdinand

Ferdinand

13.7.2021, 20:23:55

Nach den Ausführungen des BGH und den entsprechenden Erläuterungen zur letzten Frage sind vorliegend neben der

Habgier

auch die Verdeckungs- und

Ermöglichungsabsicht

zu bejahen. Nach st. Rspr. kommt es bei

Motivbündel

n darauf an, ob ein bestimmtes Motiv „bewusstseinsdominant“ ist (siehe nur BGH, Urteil vom 12.1.2005, 2 StR 229/04, Ls. 2). Verfolgt der Täter mit der Tötung m

ehre

re Zwecke, „steht dies der Bejahung [der

Ermöglichungsabsicht

] nicht entgegen, sofern die

Ermöglichungsabsicht

den handlungsleitenden Beweggrund darstellt“ (Schneider in MüKo StGB, § 211, Rn. 258). M.E. ist es durchaus denkbar, dass verschiedene Motive gleichrangig nebeneinander stehen. Im Regelfall wird aber es aber ein Motiv geben, das für den Täter vorrangig ist. Richtig interessant wird das aber erst dann, wenn die verschiedenen Motive gegenläufig sind (bspw. Tötung auf Verlangen bei gleichzeitigem Vorliegen von

Habgier

, etwa bei Tötung des todkranken Erbonkels).

Ferdinand

Ferdinand

13.7.2021, 20:26:14

Was auch noch wichtig ist: Handelt der Täter aus verschiedenen Motiven, aber es kommt lediglich das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe in Betracht, muss nach Auffassung des BGH allein auf das prägende Motiv abgestellt werden, ob dieses für sich genommen niedrig ist. Teilweise wird aber vertreten, es reiche aus, wenn ein nicht völlig untergeordneter Antrieb als niedriger Beweggrund anzusehen sei, auch wenn es nicht der dominierende war (so bspw. Eser/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, § 211, Rn. 18b).

Der BGBoss

Der BGBoss

13.7.2021, 20:27:51

Danke für die ausführliche Antwort ☺️

CLA

clarasbr

21.4.2022, 14:59:39

Prüft man bei einem

Motivbündel

alle in Frage kommenden Merkmale oder nur das dominierende? Bzw. wenn es ein dominierendes gibt, dann nur dieses?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.4.2022, 10:36:34

Hallo clarasbr, schon allein um Dich des Vorwurfs zu erw

ehre

n, Du hättest die übrigen Merkmale übersehen, empfiehlt es sich hier auch diese zu prüfen und dann zu dem Ergebnis zu kommen, dass die

Habgier

hier das dominierende Merkmal ist. Damit beugst Du zudem für den Fall vor, dass Du Dich "irrst" und die Klausurersteller:innen eigentlich vorgesehen hatten, dass die Motive nebeneinander stehen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Skra8

Skra8

3.6.2024, 14:37:06

Hi @[Lukas_Mengestu](136780), ich finde hier würde sich ein Vertiefungshinweis zu genau dieser Thematik anbieten. Gruß


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen