Habgier und Furcht vor Anzeige
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T bricht in den "Tante-Emma-Laden" der E ein und wird von E auf der Suche nach Stehlenswertem überrascht. Aus Furcht vor einer Anzeige, aber vor allem um seine Suche nach Geld fortsetzen zu können, tötet er die E mit Schlägen und Tritten.
Einordnung des Falls
Habgier und Furcht vor Anzeige
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Handelt der Täter wie T aus mehreren Motiven (Motivbündel), kommt es entscheidend darauf an, welches Motiv bewusstseinsdominant ist.
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Genau, so ist das!
2. Die Habgier (§ 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 3 StGB) stellt das Hauptmotiv des T dar.
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Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Der BGBoss
13.7.2021, 19:02:14
Könnte man statt Habgier auch Ermöglichungsabsicht annehmen?
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Ferdinand
13.7.2021, 20:23:55
Nach den Ausführungen des BGH und den entsprechenden Erläuterungen zur letzten Frage sind vorliegend neben der Habgier auch die Verdeckungs- und Ermöglichungsabsicht zu bejahen. Nach st. Rspr. kommt es bei Motivbündeln darauf an, ob ein bestimmtes Motiv „bewusstseinsdominant“ ist (siehe nur BGH, Urteil vom 12.1.2005, 2 StR 229/04, Ls. 2). Verfolgt der Täter mit der Tötung mehrere Zwecke, „steht dies der Bejahung [der Ermöglichungsabsicht] nicht entgegen, sofern die Ermöglichungsabsicht den handlungsleitenden Beweggrund darstellt“ (Schneider in MüKo StGB, § 211, Rn. 258). M.E. ist es durchaus denkbar, dass verschiedene Motive gleichrangig nebeneinander stehen. Im Regelfall wird aber es aber ein Motiv geben, das für den Täter vorrangig ist. Richtig interessant wird das aber erst dann, wenn die verschiedenen Motive gegenläufig sind (bspw. Tötung auf Verlangen bei gleichzeitigem Vorliegen von Habgier, etwa bei Tötung des todkranken Erbonkels).
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Ferdinand
13.7.2021, 20:26:14
Was auch noch wichtig ist: Handelt der Täter aus verschiedenen Motiven, aber es kommt lediglich das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe in Betracht, muss nach Auffassung des BGH allein auf das prägende Motiv abgestellt werden, ob dieses für sich genommen niedrig ist. Teilweise wird aber vertreten, es reiche aus, wenn ein nicht völlig untergeordneter Antrieb als niedriger Beweggrund anzusehen sei, auch wenn es nicht der dominierende war (so bspw. Eser/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, § 211, Rn. 18b).
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Der BGBoss
13.7.2021, 20:27:51
Danke für die ausführliche Antwort ☺️
clarasbr
21.4.2022, 14:59:39
Prüft man bei einem Motivbündel alle in Frage kommenden Merkmale oder nur das dominierende? Bzw. wenn es ein dominierendes gibt, dann nur dieses?
![Lukas_Mengestu](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__x133cq1so0il85q8i03wkixhy.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Lukas_Mengestu
25.4.2022, 10:36:34
Hallo clarasbr, schon allein um Dich des Vorwurfs zu erwehren, Du hättest die übrigen Merkmale übersehen, empfiehlt es sich hier auch diese zu prüfen und dann zu dem Ergebnis zu kommen, dass die Habgier hier das dominierende Merkmal ist. Damit beugst Du zudem für den Fall vor, dass Du Dich "irrst" und die Klausurersteller:innen eigentlich vorgesehen hatten, dass die Motive nebeneinander stehen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
![Skra8](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__jzojvpmvqupsmambnbonh.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Skra8
3.6.2024, 14:37:06
Hi @[Lukas_Mengestu](136780), ich finde hier würde sich ein Vertiefungshinweis zu genau dieser Thematik anbieten. Gruß