Kaufhausdiebstahl
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Omi O wird im Kaufhaus der K von einem Angestellten A beim Diebstahl einer Schachtel Mon Cheri entdeckt. K zahlt daher der A eine Belohnung von €25 entsprechend einer ihm vorher gegebenen Zusage. K verlangt von O Ersatz dieser Fangprämie, €100 anteiligen Kostenersatz für Schutzmaßnahmen (anteiliges Gehalt für den Kaufhausdetektiv, Fernsehkamera, Spiegel) sowie €10 für Bearbeitungskosten für Strafanzeige, Porto, Papier.
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Einordnung des Falls
Kaufhausdiebstahl
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Fangprämie iHv €25 ist ein durch den Diebstahl kausal entstandener Vermögensschaden.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die anteiligen Kosten für Schutzmaßnahmen sind ein kausal entstandener Vermögensschaden.
Nein!
3. Die Bearbeitungskosten sind ein kausal entstandener Vermögensschaden.
Genau, so ist das!
4. Die Bearbeitungskosten sind adäquat kausal durch die Rechtsgutsverletzung (Eigentums- und Besitzverletzung) entstanden.
Ja, in der Tat!
5. Die Bearbeitungskosten sind vom Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB umfasst.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Helena
1.2.2022, 11:32:55
Würde die Verwirklichung des Strafanspruchs unter §823 II i.V.m. §
242 StGBFallen? Weil dabei geht es ja gerade, um den Ersatz eines entstandenen Schadens durch eine begangenen Straftat.
Lukas_Mengestu
3.2.2022, 12:51:11
Hallo Helena, auch bei § 823 Abs. 2 iVm §
242 StGBwürden die Bearbeitungskosten nicht ersetzt. Denn auch bei dieser Norm steht ja vor allem die Entschädigung des Verlustes des Eigentums im Vordergrund. Klarmachen muss man sich an dieser Stelle aber, dass die Auffassung des BGH nicht zwingend ist, sondern vielmehr eine Wertungsfrage. In der Entscheidung selbst wird eingeräumt, dass lediglich "aus Gründen der Interessenbewertung, aber auch der Praktikabilität" die Kosten für die außergerichtliche Wahrnehmung von Schäden nicht als erstattungsfähige Kosten anerkannt werden. Vielmehr sollen diese gänzlich dem Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich des Geschädigten auferlegt werden. Diese Wertung manifestiere sich u.a. in § 91 ZPO, wo solche Aufwendungen nicht als erstattungsfähig mit aufgenommen seien. Diese Wertung sei gleichzeitig Ausdruck eines auch für das Schadensrecht geltenden Prinzips. Ein Teil des Schrifttums ist dem entgegengetreten (Übersicht bei Oetker, in: MüKo-BGB, 8.A. 2019, § 249 RdNr. 205). Herrschend ist indes weiterhin, dass solche Kosten nicht erstattungsfähig sind. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
LRS
10.3.2023, 13:17:56
Nora Mommsen
21.3.2023, 16:47:48
Hallo LRS, danke für deine Frage. Eine solche
Fangprämiekann vom Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB umfasst sein. Für Bagatellfälle hat der BGH eine solche
Fangprämieals unzulässig und daher nicht vom
Schutzzweck der Normerfasst bewertet. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
LRS
21.3.2023, 17:33:09
Alles klar, danke :)
CitiesOfJudah
26.9.2023, 09:06:02
Ein Schaden ist ein unfreiwilliges Vermögensopfer. Ist es denn wirklich unfreiwillig, wenn K von sich aus eine
Fangprämieauslobt? Oder ergibt sich die Unfreiwilligkeit daraus, dass K sich durch
Auslobungdazu verpflichtet hat?
Lukas_Mengestu
26.9.2023, 11:07:36
Hallo CitiesofJudah, bei der Abgrenzung zwischen Schaden und Aufwendung musst Du im Hinblick auf die Freiwilligkeit etwas aufpassen. Im Ergebnis sollen sämtliche im Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis stehenden Kosten vom Schädiger ersetzt werden. Der Geschädigte soll so stehen, wie er vor dem schädigenden Ereignis stand (Grundsatz der Totalreparation). Insoweit geht die Rechtsprechung in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Ersatzpflicht auch Aufwendungen erfasst, die der Geschädigte zur Verhinderung eines konkret drohenden Schadenseintritts, zur Schadensbeseitigung oder zur Geringhaltung eines Schadens getätigt hat, auch wenn diese auf seinem eigenen Willensentschluss beruhen. Der Umstand, dass der Geschädigte in diesen Fällen einen eigenen Willensentschluss fasst, unterbricht den
Zurechnungszusammenhangnicht, da dieser Entschluss nur bedingt "freiwillig" getroffen wurde. Vielmehr wurde die entsprechende Aufwendung durch das Verhalten des Schädigers veranlasst. Allerdings wird die Ersatzpflicht auf Aufwendungen beschränkt, die ein wirtschaftlich denkender Mensch für zweckmäßig und notwendig halten durfte (Grüneberg, BGB, 81.A. 2022, vor § 249 RdNr. 44). Gleiches gilt nun auch im Bezug auf
Fangprämien. Auch diese werden letztlich durch das Verhalten des Diebes (hier der O) veranlasst. Soweit sie in einem angemessenen Verhältnis zum Wert der gestohlenen Sache stehen, werden sie deshalb als ersatzfähig anerkannt (vgl. BGH NJW 1980, 119; Grüneberg, BGB, 81.A. 2022, § 249 RdNr. 63). Ich hoffe, es ist nun noch etwas klarer geworden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
CitiesOfJudah
26.9.2023, 11:24:34
Hallo Lukas, Ja, etwas. Im großen ganzen war mir das klar mit den Aufwendungen, ich war nur verwirrt, weil die erste Frage ist, ob die
Fangprämieein Vermögensschaden ist und nach der Definition von Schaden hab ich das abgelehnt, eben weil nicht unfreiwillig. Dann sind vom Begriff Vermögensschaden Schäden und Aufwendungen erfasst? Oder wie komme ich bei der ersten Frage dazu, dass die
Fangprämieals Aufwendung vom Vermögensschaden umfasst ist?
Lukas_Mengestu
26.9.2023, 14:15:43
Hi CitiesOfJudah, im Grundsatz bleibt es dabei, dass über §§ 249 ff. BGB nur "Schäden" ersetzt werden. Ich glaube der Dreh- und Angelpunkt für Dein Verständnis des Schadensbegriffs ist hier der Begriff der "Freiwilligkeit". Freiwilligkeit liegt in diesem Kontext eben nicht bereits dann vor, wenn ich einen eigenen Willensentschluss fasse (also zB eine
Fangprämieauslobe). Wenn die Handlung kausal und zurechenbar auf das schädigende Ereigniss zurückzuführen ist, dann werden auch "Aufwendungen", die ich aus eigenem Antrieb tätige als "unfreiwilligen Vermögenseinbußen" angesehen (ich "muss" die
Fangprämieausloben, um mich vor dem Diebstahl zu schützen = unfreiwillige Vermögenseinbuße = Schaden). Aus diesem Grund ist Frage 1 zu bejahen. Ohne den Diebstahl hätte K auch die
Fangprämienicht auszahlen müssen. Beste Grüße, Lukas
CitiesOfJudah
26.9.2023, 14:47:17
Ah, jetzt hat's klick gemacht 😄 Vielen Dank für deine Mühe! :)
Lukas_Mengestu
26.9.2023, 14:48:46
Top, sehr gerne ☺️
G0d0fMischief
5.11.2024, 09:02:16
Wäre die
Fangprämienach § 249 I BGB zu ersetzen?
Leo Lee
10.11.2024, 08:35:06
Hallo G0d0fMischief, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Da hier ein klassischer Fall einer Vermögenseinbuße vorliegt, die sonst nicht angefallen wäre, würde tatsächlich 249 I einschlägig sein. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Oetker § 249 Rn. 1 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo