Strafrecht
BT 3: Straftaten gegen Freiheit u.a.
Nötigung, § 240 StGB
Einsperren als taugliche Nötigungshandlung
Einsperren als taugliche Nötigungshandlung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T sperrt ihre ungeliebte und körperlich unterlegene Mitbewohnerin O im Abstellraum ein. Dadurch will T sie unter Freigabe von Os PayPal-Account zum Abschluss eines gemeinsamen Netflix-Abonnements "überreden". O, die mit Serien nichts anfangen kann, schließt daraufhin mit ihrem PayPal-Account das Abo ab.
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Einordnung des Falls
Einsperren als taugliche Nötigungshandlung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wenn T "einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt", verwirklicht sie den objektiven Tatbestand der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Indem T die Tür des Abstellraums zwecks Einsperren der O verschlossen hat, hat sie an O "Gewalt" ausgeübt (§ 240 Abs. 1 Var. 1 StGB).
Genau, so ist das!
3. T hat O zu einer Handlung genötigt (§ 240 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
4. T hat gerade mit der eingesetzten Gewalt die Handlung der O kausal und objektiv zurechenbar herbeigeführt (nötigungsspezifischer Zusammenhang).
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Helena
16.2.2022, 14:30:51
Könnt ihr nicht auch eine räuberische Erpressung, §253 StGB vorliegen? Die Bereicherung der T könnte ja daran liegen, dass sie dadurch selbst keine Kosten für ein Netflix Konto aufbringen muss.
Lukas_Mengestu
21.2.2022, 19:24:28
Hallo Helena, hier spricht in der Tat einiges dafür, dass hier auch eine strafbare räuberische Erpressung vorliegt, die die Nötigung im Wege der
Gesetzeskonkurrenzverdrängen würde. Bei der Prüfung der räuberischen Erpressung ist dabei aber insbesondere zu thematisieren, inwieweit O ein Vermögensnachteil entstanden ist. Denn für die Zahlung des Geldes erhält sie ja ebenfalls Zugang zu dem Netflix Account. Hierbei wären dann die Grundsätze des subjektiven Schadenseinschlages heranzuziehen. Hier wäre insbesondere an die Fallgruppe zu denken, dass das Opfer die Gegenleistung nicht oder nicht in vollem Umfang zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck verwenden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 11.06.2015, Az. 2 StR 186/15). Da O kein Netfllix schaut, könnte man dies hier wohl bejahen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Skywalker
31.10.2023, 11:36:38
Im Rahmen des Raub gilt doch für den
Gewaltbegriffnichts anderes. Auch hier werden unmittelbar körperlich wirkende Einwirkungen auf Sachen (nicht auf den Köper) als Gewalt angesehen (Beispiel: Einsperren). Gewalt gegenüber Sachen werden zwar (wie auch bei der Nötigung) grundsätzlich nicht erfasst. Endscheidend ist aber in beiden Fällen die körperliche Zwangswirkung die dadurch bewirkt wird. Also könnte man sowohl beim Raub als auch bei der Nötigung den modernen
Gewaltbegriffanwenden, der das "körperliche Einwirken" durch "körperlich wirkenden Zwang" ersetzt und dadurch auch unmittelbar körperliche wirkenden Zwang im
Gewaltbegriffumfasst. Oder?