Strafrecht
BT 3: Straftaten gegen Freiheit u.a.
Nötigung, § 240 StGB
Einsperren als taugliche Nötigungshandlung
Einsperren als taugliche Nötigungshandlung
16. April 2025
4 Kommentare
4,8 ★ (12.634 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T sperrt ihre ungeliebte und körperlich unterlegene Mitbewohnerin O im Abstellraum ein. Dadurch will T sie unter Freigabe von Os PayPal-Account zum Abschluss eines gemeinsamen Netflix-Abonnements "überreden". O, die mit Serien nichts anfangen kann, schließt daraufhin mit ihrem PayPal-Account das Abo ab.
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Einordnung des Falls
Einsperren als taugliche Nötigungshandlung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wenn T „einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt“, verwirklicht sie den objektiven Tatbestand der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Indem T die Tür des Abstellraums zwecks Einsperren der O verschlossen hat, könnte T an O „Gewalt“ ausgeübt haben (§ 240 Abs. 1 StGB).
Genau, so ist das!
3. Hat T die O zu einer Handlung genötigt (§ 240 Abs. 1 StGB)?
Ja, in der Tat!
4. T hat gerade mit der eingesetzten Gewalt die Handlung des O kausal und objektiv zurechenbar herbeigeführt (nötigungsspezifischer Zusammenhang).
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Helena
16.2.2022, 14:30:51
Könnt ihr nicht auch eine räuberische
Erpressung,
§253 StGBvorliegen? Die
Bereicherungder T könnte ja daran liegen, dass sie dadurch selbst keine Kosten für ein Netflix Konto aufbringen muss.

Lukas_Mengestu
21.2.2022, 19:24:28
Hallo Helena, hier spricht in der Tat einiges dafür, dass hier auch eine strafbare räuberische
Erpressungvorliegt, die die
Nötigungim Wege der
Gesetzeskonkurrenzverdrängen würde. Bei der Prüfung der räuberischen
Erpressungist dabei aber insbesondere zu thematisieren, inwieweit O ein
Vermögensnachteilentstanden ist. Denn für die Zahlung des
Geldes erhält sie ja ebenfalls
Zugangzu dem Netflix Account. Hierbei wären dann die Grundsätze des subjektiven Schadenseinschlages heranzuziehen. Hier wäre insbesondere an die Fallgruppe zu denken, dass das Opfer die Gegenleistung nicht oder nicht in vollem Umfang zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck verwenden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 11.06.2015, Az. 2 StR 186/15). Da O kein Netfllix schaut, könnte man dies hier wohl bejahen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Skywalker
31.10.2023, 11:36:38
Im Rahmen des Raub gilt doch für den
Gewaltbegriffnichts anderes. Auch hier werden unmittelbar körperlich wirkende Einwirkungen auf Sachen (nicht auf den Köper) als Gewalt angesehen (Beispiel: Einsperren). Gewalt gegenüber Sachen werden zwar (wie auch bei der
Nötigung) grundsätzlich nicht erfasst. Endscheidend ist aber in beiden Fällen die körperliche Zwangswirkung die dadurch bewirkt wird. Also könnte man sowohl beim Raub als auch bei der
Nötigungden modernen
Gewaltbegriffanwenden, der das "körperliche Einwirken" durch "körperlich wirkenden Zwang" ersetzt und dadurch auch unmittelbar körperliche wirkenden Zwang im
Gewaltbegriffumfasst. Oder?

Linne_Karlotta_
3.2.2025, 11:33:10
Hallo @[Skywalker](111103), danke für Deine Anmerkung. Du hast Recht, auch im Rahmen des Raubes ist Einsperren als Gewalt im Sinne der Norm zu bewerten. Denn bei §
249 StGBmuss sich die Gewalt zwar “gegen eine Person” richten, es genügt aber auch hier eine mittelbar gegen den Körper gerichtete Einwirkung. Gewalt liegt bei §
249 StGBdeswegen auch dann vor, wenn der Täter das Opfer einsperrt, um so den erwarteten Widerstand von vornherein auszuschließen (BGH 1 StR 73/65 = NJW 1965, 1235). Im Zuge einer umfassenden Überarbeitung unserer Lektionen zur
Nötigunghaben wir das in diesem Fall jetzt korrigiert. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team