Gewalt gegen Sachen

4. Juli 2025

12 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Jurastudent Q will mit seinem Mann für drei Wochen in den Urlaub nach Kanada fliegen. Sein Kommilitone V findet aber, dass Q die Lerngruppe nicht so lange verpassen sollte. V verbrennt deswegen Qs Reisepass. Q kann nicht wie geplant wegfliegen.

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Einordnung des Falls

Gewalt gegen Sachen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V könnte sich wegen Nötigung strafbar gemacht haben, indem er Qs Reisepass vebrannte, weswegen Q nicht nach Kanada fliegen konnte (§ 240 Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Objektive Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 240 Abs. 1 StGB sind: (1) Nötigungsmittel: Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel (2) Nötigungserfolg: Handeln, Dulden oder Unterlassen (3) Nötigungsspezifischer Zusammenhang zwischen (1) und (2) V müsste zudem vorsätzlich gehandelt haben. Die Tat müsste auch rechtswidrig und insbesondere verwerflich (§ 240 Abs. 2 StGB) gewesen sein. Zudem müsste V schuldhaft gehandelt haben.
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2. V könnte Gewalt angewandt haben, indem er Qs Reisepass verbrannte (§ 240 Abs. 1 StGB).

Ja!

Nach dem klassischen Gewaltbegriff liegt Gewalt vor, wenn der Täter (1) durch körperliche Kraftentfaltung (2) Zwang ausübt, indem er auf den Körper eines anderen einwirkt, (3) um geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden.Der klassische Gewaltbegriff wurde im Laufe der Jahre durch die Rspr. aufgeweicht. Sowohl an die körperliche Kraftentfaltung, als auch an die körperliche Zwangswirkung werden inzwischen geringe Anforderungen gestellt.

3. Hat V körperliche Kraft entfaltet, indem er den Reisepass verbrannte?

Genau, so ist das!

Nach Ansicht der Rspr. genügt für eine körperliche Kraftentfaltung die Ausübung einer körperlichen Tätigkeit. Sie muss nicht unmittelbar gegen den Körper des Genötigten gerichtet sein.V hat den Reisepass verbrannt und ist so körperlich tätig geworden. Eine körperliche Kraftentfaltung liegt vor.

4. T hat gerade mit der eingesetzten Gewalt das Unterlassen des O kausal und objektiv zurechenbar herbeigeführt (nötigungsspezifischer Zusammenhang).

Ja, in der Tat!

Die körperliche Kraftentfaltung muss beim Genötigten zumindest mittelbar als körperlich wirkender Zwang ankommen.Q konnte nicht nach Kanada reisen. Er konnte sich aber nach wie vor körperlich frei bewegen. Die fehlende Möglichkeit, legal ins Ausland zu reisen, genügt nicht, um körperlich wirkenden Zwang bejahen zu können.Körperlich wirkender Zwang bei Gewalt gegen Sachen wird zum Beispiel bejaht, wenn der Vermieter die Fenster aushängt und die Heizung abdreht, um den Mieter zum Auszug zu bewegen. Der Mieter erleidet dann durch die Kälte körperlich spürbare Folgen. Auch, wenn Vs Verhalten nicht unter § 240 Abs. 1 StGB zu subsumieren ist, so könnte er sich dennoch wegen der Zerstörung des Reisepasses strafbar gemacht haben. V hat sich hier wegen Sachbeschädigung nach § 303 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Helena

Helena

10.1.2022, 14:29:10

Ich finde die Abgrenzung unterlassen/Handlung hier etwas verwirrend. Könnte man nicht theoretisch auch vertreten, dass durch die „Gewalt“ O dazu gezwungen wird, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen beziehungsweise zu spät zu kommen. Könnte demnach nicht auch ein Handeln vorliegen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

11.1.2022, 10:34:35

Hallo Helena, es wären hier sicher auch andere Anknüpfungspunkte denkbar. Schwerpunktmäßig sollte hier durch die Parkkralle aber in erster Linie bewirkt werden, dass O das Auto nicht nutzen kann. Welches Transportmittel er dann konkret nutzen würde, war T dagegen letztlich egal. Insofern bietet es sich an, hier auf das Unterlassen abzustellen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MUS

MusterschüLAW

14.12.2023, 20:32:25

Ich würde gerne noch die Duldung ins Spiel bringen: Er muss dulden, sein Fahrzeug nicht nutzen zu können. Kann ich in diesem konkreten Fall dann dahinstehen lassen, was konkret vorliegt, da zumindest eine Option gegeben ist?

MAX

Max

17.6.2025, 14:59:53

Liebes Team, sollte bei Frage 4 nicht ein "stimmt nicht" stehen? Beste Grüße Max

FO

forste35

17.6.2025, 15:24:29

Ist mir auch gerade aufgefallen. Zumindest passt die Subsumtion nicht zur "richtigen" Antwort! :) @jurafuchs


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