Konsequenz fehlenden Verteidigungswillens
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Klassisches Klausurproblem
Zwischen A und B schwelt seit längerem ein Konflikt. Als sich beide über den Weg laufen, entscheidet sich A, auf B loszugehen. Dabei übersieht er, dass B bereits zuvor ein Messer gezogen hat um auf A einzustechen. Jedoch sieht B davon ab tatsächlich zuzustechen, weswegen er einen Schlag ins Gesicht durch A erleidet.
Einordnung des Falls
Konsequenz fehlenden Verteidigungswillens
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A befindet sich objektiv in einer Notwehrlage.
Genau, so ist das!
Für eine Notwehrlage müsste ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff auf A vorliegen. Ein Angriff ist jede durch menschliches Verhalten drohende Einbuße rechtlich geschützter Güter.B ist im Begriff, mit einem Messer auf A loszugehen, weswegen eine Schädigung dessen Leib und Lebens zu befürchten steht. Dieser Angriff ist auch gegenwärtig, da er unmittelbar bevorsteht. Außerdem ist B nicht seinerseits gerechtfertigt, da zum Beginn seines Angriffs der Angriff des A noch nicht gegenwärtig war.
2. Da lediglich das subjektive Rechtfertigungselement fehlt, ist A nach der Rechtsprechung des BGH nur wegen des Versuchs zu bestrafen.
Nein, das trifft nicht zu!
A handelt ohne Kenntnis der objektiven Notwehrlage, geschweige denn mit Verteidigungswillen. Somit fehlt in jedem Fall ein subjektives Rechtfertigungselement. Die Konsequenz hiervon ist allerdings umstritten. Ein großer Teil der Lehre argumentiert, dass Täterverhalten sei objektiv vom Gesetz erlaubt, der Erfolgsunwert werde kompensiert. Da der Täter wegen Fehlens des subjektiven Rechtsfertigungselementes annimmt, Unrecht zu verwirklichen, bleibe allein der Handlungsunwert. Dies entspräche aber genau der Konstellation des untauglichen Versuchs, bei dem aufgrund eines Mangels im objektiven Tatbestand ebenfalls nur ein Handlungsunwert gegeben ist.
Wo keine Versuchsstrafbarkeit existiert, scheidet nach der h.L. eine Strafbarkeit aus.
3. Da das subjektive Rechtfertigungselement fehlt, ist A nach der Rechtsprechung des BGH wegen vollendeter vorsätzlicher Körperverletzung zu bestrafen.
Genau, so ist das!
Nach der Rechtsprechung des BGH folgt aus dem Wortlaut („um ... zu“) die Notwendigkeit, dass der Täter auch mit subjektivem Verteidigungswillen handele. Fehlt es an der subjektiven Komponente, so liegen die Voraussetzungen des fraglichen Rechtfertigungsgrundes nicht vor, weshalb eine nicht gerechtfertigte vollendete Tat gegeben ist.A ist nach dem BGH somit wegen vollendeter, vorsätzlicher Körperverletzung zu bestrafen.
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Klassisches Klausurproblem
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Der BGBoss
17.12.2020, 08:43:12
Bezüglich der Darstellung von Meinungsstreits hätte ich eine Anmerkung: m.E. wäre die Darstellung effektiver, wenn die Frage sich auf Inhalt und Argumentation der Meinungen bezieht und nicht auf die Frage, von wem diese Meinung vertreten wird. Dies kann der Frage ja immer noch immanent sein, jedoch ist denke ich im Hinblick auf Klausuren das oben Beschriebene essenzieller. LG
Tigerwitsch
24.5.2021, 23:22:01
Lukas_Mengestu
3.11.2021, 13:25:38
Isabell
19.12.2020, 13:26:29
Haben wir hier wirklich eine objektive Notwehrlage vorliegen? Wird die nicht rückwirkend und - ich nenne das mal untechnisch - "Allwissend" bestimmt?
Der BGBoss
19.12.2020, 13:33:00
Ich würde sagen, dass aus der Ex-ante Betrachtung sich ergibt, dass B ein Messer zieht, um A anzugreifen und somit eine Notwehrlage vorliegt. Die Entscheidung Bs nicht zuzustechen ist in diesem Moment für mich nicht erkennbar und somit unerheblich.
Die Notwehrlage wird objektiv ex post bestimmt. Die Eignung und Erforderlichkeit hingegen ex ante.
Lukas_Mengestu
23.12.2021, 18:23:47
Hallo ihr drei, wie Ri schon richtig eingewendet hat, ist die Notwehrlage ex post zu bestimmen (quasi allwissend). Auch aus der ex post Perspektive ist der Umstand, dass B den A nicht abgestochen hat, nicht ausschlaggebend die Notwehr zu versagen. Denn diese dient ja gerade dazu, die Rechtsgutsverletzung zu verhindern. Bei der Kampflage ist auch in der Rückschau ein gegenwärtiger und rechtswidriger Angriff -und damit eine Notwehrlage - zu bejahen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Captain Stupid
24.5.2024, 07:18:17
Das hier die Notwehrlage bejaht wird, verwirrt mich. Könnte mir da evtl. jemand auf die Sprünge helfen? Das ist doch gerade der springende Punkt bei der ("allwissenden") ex-post Beurteilung der Notwehrlage. Im Nachhinein wissen wir, dass B nicht die Absicht hatte zuzustechen. Damit lag kein Angriff und auch keine Notwehrlage vor.
Oder würde man darauf abstellen, dass in so einem Fall, in dem der "Angreifer" ein potentiell tödliches Werkzeug, das er in Sekundenbruchteilen einsetzen könnte, eine Art "Präventivnotwehr" doch erlaubt ist? Ungeachtet des subjektiven Rechtfertigungselementes.
M.E. entspricht die Strafbarkeit wegen vollendeter Tat - im hiesigen Fall - der früheren Rspr. des BGH (vgl. Fischer, 32 Rn. 27.). Die neuere Rspr. und h.L. nimmt eine Versuchsstrafbarkeit an, da es am Erfolgsunrecht fehlt, wenn sich der Täter seiner Notwehrlage nicht bewusst ist (vgl. Fischer, 32 Rn. 27; BGH, NJW 1992, 763.). Vllt könnt ihr euch das nochmal anschauen und die Aufgabe ggf. anpassen :)
Lukas_Mengestu
23.12.2021, 18:39:52
QuiGonTim
22.3.2022, 09:18:23
Vierhundertneun
22.7.2022, 09:51:16
Lukas_Mengestu
22.7.2022, 10:57:49
Felix_99
18.10.2023, 18:29:13
Auf welchen Wortlaut bezieht sich die Rechtsprechung?
Leo Lee
22.10.2023, 10:51:03
Zacharias
6.6.2024, 16:57:23
hannabuma
7.6.2024, 17:42:36
Zacharias
8.6.2024, 13:42:27
hannabuma
8.6.2024, 14:15:06
Zacharias
8.6.2024, 14:17:10
hannabuma
8.6.2024, 14:19:51
Lukas_Mengestu
10.6.2024, 21:40:49
Zacharias
11.6.2024, 08:52:03
Lukas_Mengestu
11.6.2024, 17:58:25
Vielen Dank für den Hinweis, Leon. In der Tat entspricht heute die Versuchslösung der herrschenden Meinung (vgl. auch OLG Celle, BeckRS 2013, 07170; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 32 RdNr. 149). Wir haben das entsprechend angepasst. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Liebes Jurafuchs-Team, könntet ihr das im vorherigen Fall auch noch anpassen. Dort wird die Versuchslösung noch als M.M. genannt. :)
Ja, das ist krass verwirrend und widersprüchlich, ihr solltet die vorige Aufgabe auch anpassen.
Im Übrigen bin ich auch der Meinung, dass diese Aufgabe sehr missverständlich formuliert ist: Ihr fragt, ob es zu zutrifft, dass der Täter aus dem versuchten Delikt zu bestrafen ist, weil in diesen Fall KEIN ERFOLGSUNRECHT gegeben ist. Ist es aber nicht so, dass man sagt: die objektive Rechtfertigungslage liegt vor, deswegen wird das Erfolgsunrecht kompensiert? Weil das so ist, kann nicht aus dem VOLLENDETEN DELIKT bestraft werden? (Es ist also ein anderer Bezugspunkt!)
Mit anderen Worten: das fehlende Erfolgsunrecht ist lediglich die Begründung, warum diese Ansicht die Rechtfertigung bejaht (obwohl das subjektive Rechtfertigungselement fehlt) und NICHT aus dem VOLLENDETEN DELIKT bestraft. Es sagt aber nichts über die Versuchsstrafbarkeit. Denn dazu wird ein anderes Argument bemüht: dass der SUBJEKTIVE HANDLUNGSUNWERT nicht kompensiert wurde, weil der Täter ja nichts von der Rechtfertigungslage weiß oder keinen entsprechenden Willen hat.
Hallo ihr beiden, vielen Dank für eure neuerlichen Hinweise! Wir haben nun auch die vorherige Aufgabe angepasst und hier in der Frage präzisiert, dass das Erfolgsunrecht kompensiert wurde. Wie Vierhundertneun richtig ausgeführt hat, ist dies der Grund, warum die Vollendung abgelehnt wird. Grund für die Versuchsstrafbarkeit ist dann in der Tat der verbleibende subjektive Handlungsunwert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Hallo Levi_Ackermann,
die Rspr. Bezieht sich auf den Wortlaut „um…zu“ i.R.d. § 32 StGB und fordert mit diesen Worten, dass der Täter auch mit dem subj. Willen zur Verteidigung handelt, eben UM den Angriff abZUwehren. Ergänzen hierzu kann ich dir i.Ü. die Lektüre von Fischer StGB 69. Auflage, § 32 Rn. 25 ff. empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Ich möchte diesen Beitrag von Levi_Ackermanm (jetzt Felix_99) nutzen um das Jurafuchs-Team zu bitten, dass es sich bei Jurafuchs um eine Lernplattform handelt und nicht um eine politische Austausch-Plattform. Ich finde es despektierlich die Flagge der Palästinensern als Profilbild zu nutzen. Ich wäre dankbar, wenn man dies ändern könnte. Es soll nicht heißen, dass ich die Flagge im Generellen nicht respektieren, es geht bei darum, dass ich nicht finde hier politische Statements zu machen.
@[Zacharias](239553) Nicht böse gemeint, aber die palästinensische Flagge bleibt unabhängig von den derzeitigen Geschehnissen schlicht und einfach eine Flagge, wie es auch die Flaggen jedes anderen Landes sind. Dass du aufgrund aktueller Ereignisse ein politisches Statement in diese Flagge hineinliest ändert daran nichts. Vielmehr lässt sich in deine Aussage die Verwendung der Flagge sei „despektierlich“ ein Statement hineinlesen. Diese Aussage steht dir jedoch genauso zu, wie dem user auch die Verwendung einer Flagge als Profilbild zusteht. :)
@[hannabuma](171851) gut, dann formuliere ich das anders. Ich, als in Deutschland lebender Jude mit Familie und Freunde lebend in Israel, möchte ungerne während des Lernens ständig daran erinnert werden, dass diese dort leiden aufgrund von Menschen die aus Palästina stammen. Ich sage nicht alle Menschen die von dort stammen dies unterstützen, dennoch ist es für mich sehr schwer mich dann wieder auf das Lernen zu konzentrieren. Ich habe auch keine Israel Flagge als Profilbild, weil ich unter Anderem weiß, dass hier sich Menschen gestört fühlen können. Zudem denke ich weiterhin, dass es sich um eine Lern-Plattform handelt und nicht um eine politische-Austausch-App. Ich finde, wenn sich Menschen gestört fühlen durch ein Profilbild, dann kann ich gerade hier darum bitten, ob dies entfernt werden kann. Ich würde auch ungerne jemanden hier sehen mit einer Nordkorea-Fahne.
@[Zacharias](239553) Ich stimme dir auf jeden Fall zu, dass das hier eine Lernapp ist und keine App für politische Debatten ist und das sollte auf jeden Fall auch so bleiben. Es tut mir auch leid zu hören, dass du schwierige Erfahrungen machen musstest und deswegen negative Emotionen in dir ausgelöst werden. Ich finde es nur schwierig deswegen alles Menschen, die aus Palästina stammen, pauschal in einen Topf zu werfen und sich ein Verbot der Flagge zu wünschen. Ich hoffe du kannst auch diesen Punkt von mir nachvollziehen. :) Im Endeffekt wird es ja sowieso vom Jurafuchs Team gehandhabt.
@[hannabuma](171851) ich kann es nachvollziehen, ich wollte keine Debatte auslösen, ich hoffe du kannst dein Wochenende genießen. Liebe Grüße Zacha
@[Zacharias](239553) Danke dir, wünsche dir auch ein schönes Wochenende!
@[Zacharias](239553)@[hannabuma](171851)
Hallo ihr beiden,
vielen Dank für Eure Beiträge und vor allem Euren wertschätzenden Umgang miteinander. Dies ist in einem Online-Forum leider keineswegs selbstverständlich!
Danke auch Dir nochmal @[Zacharias](239553) für die weitere Einordnung Deines Anliegens. Eines schon einmal vorweg: Wir verurteilen die Angriffe der Hamas aufs Israel vom 7. Oktober aufs Schärfste. Diese sind durch nichts zu rechtfertigen! Insofern gilt Dir, Deiner Familie und Deinen Freunden unser aufrichtiges Mitgefühl!
Im Hinblick auf Äußerungen im Forum, egal ob schriftlich, durch den Profil-/Gruppennamen oder das Profilbild, gilt, dass wir Jurafuchs und auch das Forum als SafeSpace verstehen. Hassrede, Volksverhetzung, sexuell missbräuchliches Verhalten, gewaltverherrlichende oder grausame Darstellungen, böswillige Angriffe gegenüber anderen User:innen und selbstverständlich erst Recht sämtliche strafrechtlich relevanten Handlungen haben bei Jurafuchs keinen Platz und werden von unserem Moderatoren-Team gebannt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Nutzer:innen unserer Lernplattform jegliche politische Meinungsäußerung untersagt ist. Jura ist nach unserer Auffassung genuin politisch. Es ist der rechtliche Rahmen für die politische Ordnung unseres Gemeinwesens. Unser Ziel ist deshalb, eine möglichst gute juristische Bildung zu ermöglichen, damit der juristische Nachwuchs – die Verteidigerinnen und Verteidiger des Rechtsstaats von morgen – das notwendige Handwerkszeug erlernt. Dazu gehört - auch wenn es im Einzelfall schwerfällt - die Konfrontation und Auseinandersetzung mit anderen Auffassungen. Sofern (politische) Äußerungen die vorstehend genannten Grenzen nicht überschreiten, sind diese deshalb auf unserer Plattform nicht verboten.
So verhält es sich aus unserer Sicht in diesem Fall, lieber Zacharias. Anders als beispielsweise die Verwendung des Slogans "from the river to the sea", welcher sich dezidiert gegen das Existenzrecht Israels und der dort lebenden (jüdischen) Bevölkerung richtet, ist die Nutzung der palästinensischen Flagge in erster Linie als Zeichen für einen eigenen Staat Palästina zu verstehen, ggfs. vielleicht auch noch als Solidaritätsbekundung mit den zivilen Opfern im Gazastreifen. Dies sind im Grundsatz beides legitime Anliegen, weshalb hier kein hinreichender Grund für eine Löschung vorliegt - auch wenn uns bewusst ist, dass dies für Dich im Einzelfall leider mit schmerzhaften Erinnerungen verbunden ist.
Wir hoffen, Du kannst dies nachvollziehen und Dich unabhängig davon auf die von uns zur Verfügung gestellten Aufgaben konzentrieren.
Herzliche Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Liebe @[hannabuma](171851), lieber @[Lukas_Mengestu](136780)
Ich kann es nachvollziehen und verstehe natürlich, dass wir uns alle mit anderen Meinungen und Ansichten auseinandersetzen müssen, speziell bei Jura. Ich hoffe, dass ich das Gefühl vermitteln konnte, dass ich keineswegs gegen einen palästinensischen unabhängigen Staat hier argumentiert habe. Ich glaube, ich war einfach nur getriggert, dies ist aber keine Rechtfertigung gewesen die freie (straflose) Meinungsäußerung und den User zu diskreditieren. Ich möchte mich demnach auch bei dem User entschuldigen. Danke für eure sachliche und geduldige Erklärung. Ich hoffe, dass wir weiter auf dieser Lernplattform weiter machen können und uns gegenseitig bei gemeinsamen Zielen unterstützen können, sich in Jura zu verbessern und immer weiter dazu zu lernen.
Vielen Dank, lieber Zacharias! Dir weiterhin gutes Gelingen und viel Spaß und Erfolg mit Jurafuchs!
Da muss ich zustimmen 🙌🏼 habe ich auch schon ein paar mal gedacht!
Lg
Insbesondere im Referendariat ist es mE schon wichtig zu wissen, welche Ansicht von der Rechtsprechung vertreten wird und welche von der Literatur/Lehre.
Das gilt ja auch für das erste Examen, bei dem (oft) die Lehrmeinung die „herrschende Meinung“ ist. Natürlich ist es auch essentiell, sich die Argumentation der jeweiligen Ansicht zu vergegenwärtigen bzw zu verstehen.
Für mich sind auch die Argumente wichtiger zu kennen. Wäre auch cool, wenn die Namen von Theorien häufiger genannt werden könnten. Gefühlt sind die Argumente und Theorien jedenfalls im ersten Examen sehr viel relevanter als was die h.M. ist, was man ja eh nicht als Argument nutzen kann.
Vielen Dank euch! Wir sind gerade dabei auch mit neuen Modulen zu experimentieren, wie wir Streitstände noch gezielter darstellen können. Hier bitte ich euch noch um ein klein wenig Geduld. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team