Öffentliches Recht

Staatsorganisations-Recht

Wahlen und Wahlrechtsgrundsätze

Einführungsfall Wahlrechtsgrundsätze: Freiheit und Geheimheit der Wahl

Einführungsfall Wahlrechtsgrundsätze: Freiheit und Geheimheit der Wahl

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Götter haben mal wieder um die Macht gestritten. Sieglinde schlägt deswegen vor, dass das Volk wählen soll, wer zukünftig Macht ausübt. Siegmund stellt sich zur Wahl und droht allen, die ihn nicht wählen, mit Schlägen. Zur Kontrolle müssen die Wählenden ihre Stimmen offen auf einer Tafel eintragen.

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Einordnung des Falls

Einführungsfall Wahlrechtsgrundsätze: Freiheit und Geheimheit der Wahl

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wahlen dienen der demokratischen Legitimation der Staatsgewalt.

Ja!

In einer Demokratie geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Für Deutschland ist dies in Art. 20 Abs. 2 GG festgehalten. In einer parlamentarischen Demokratie wird dies dadurch sichergestellt, dass das Volk die Vertreter des Parlaments wählen. Die Ausübung von Staatsgewalt ist in einer Demokratie nur dann gerechtfertigt, wenn sie vom Volk legitimiert ist. Wahlen dienen auch dazu, das Volk und den Volkswillen in den politischen Entscheidungsprozessen abzubilden (= Integrationsfunktion).
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2. Zum Schutz der Wahlen und ihrer Integrationsfunktion enthält das Grundgesetz die sog. Wahlrechtsgrundsätze (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG).

Genau, so ist das!

Wahlen können nur dann ihren Zweck der demokratischen Legitimation und der politischen Integration des Volkswillens erfüllen, wenn sie gewisse Standards erfüllen. Es muss z.B. sichergestellt werden, dass die Wahlen den wirklichen Willen der Wählenden abbildet. Denn ansonsten sind die Wahlergebnisse wertlos. Um abzusichern, dass das Wahlsystem dem demokratischen Anspruch gerecht wird, sind in Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG (i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG) die sog. Wahlrechtsgrundsätze verfassungsrechtlich festgehalten. Eine Wahl muss danach allgemein, unmittelbar, frei, gleich, geheim und öffentlich sein.

3. Mit der Freiheit der Wahl soll die Entschließungsfreiheit der Wählenden geschützt werden. Ist Siegmunds Verhalten mit diesem Grundsatz vereinbar?

Nein, das trifft nicht zu!

Die Freiheit der Wahl bedeutet, dass die Wählerinnen und Wähler ihre Wahlentscheidung in einem offenen Prozess der freien Meinungsbildung ohne Zwang oder sonstige unzulässige Beeinflussung von außen treffen können. Insbesondere dürfen die Wählenden nicht zu einer bestimmten Wahlentscheidung gezwungen werden. Dies gilt zum einen für die Stimmabgabe, aber auch für sämtliche Prozesse in der Wahlvorbereitung. Siegmund droht den Wählenden Schläge an, wenn sie nicht ihn wählen. Durch diese Drohung wird ein Zwang ausgeübt, der die freie Entscheidung der Wählenden in unzulässiger Weise beeinflusst. Dies verstößt gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl.

4. Eine geheime Wahl soll vor allem die Freiheit der Wahl sichern. Hat Siegmund die Wahl geheim ausgestaltet?

Nein!

Nach dem Grundsatz der Geheimheit der Wahl muss jede Person ihr Wahlrecht so wahrnehmen können, dass nicht nachvollziehbar ist, wie sie gewählt hat. Die Geheimheit der Wahl ist das entscheidende Instrument zum Schutz der Freiheit der Wahl. Denn wenn niemand weiß, wie die persönliche Wahlentscheidung ausfällt, verringert dies das Risiko einer Willensbeeinflussung. Dadurch, dass die Wählenden ihre Stimme öffentlich an eine Tafel schreiben müssen, ist die Stimmabgabe nicht geheim. Wir werden uns noch im Detail mit den einzelnen Wahlrechtsgrundsätzen beschäftigen. Mit dieser Aufgabe sollst Du lediglich ein erstes Gefühl für die Thematik bekommen.
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