Mittäterexzess 1
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M1 und M2 wollen dem O eine Abreibung verpassen. Als sie den O verprügeln, gerät der sonst so beherrschte M1 aber derart in Wut, dass er O absichtlich erschlägt. Damit hatte M2 nicht gerechnet.
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Einordnung des Falls
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. M1 hat sich wegen Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht, indem er O erschlug.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Es lag ein gemeinsamer Tatplan von M1 und M2 hinsichtlich eines Totschlags vor (§§ 212 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Da M2 für das Übermaß des M1 nicht haften muss, bleibt er insgesamt straflos.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
🦊LEXDEROGANS
2.11.2020, 23:08:23
Falls sich O mit Trutzwehr verteidigt hat, ist O „Beteiligter“ i. S. d. § 231 (LPK-StGB, Kindhäuser, 3. Aufl. § 231 Rn. 4). Eine Bestrafung gem. § 231 Abs. 1 ist daher m. E. ebenfalls denkbar.
JAA
24.3.2023, 10:05:17
@[Eigentum verpflichtet 🏔️](99723) ich dachte bei 231 müssen mindestens 3 Personen beteiligt sein?
lennart20
11.5.2023, 12:36:48
Sehe ich genauso juliarndt
L. H.
26.12.2020, 21:46:54
In der letzten Erklärung steht "[...] bezüglich der Todesfolge nicht fahrlässig [...]". Müsste es nicht eigentlich "[...] bezüglich des Todesfolge nicht vorsätzlich [...]" heißen? Schließlich hatte M2 ja noch nicht einmal
Eventualvorsatzbezüglich der Tötung. Wieso auch keine Fahrlässigkeit vorliegen soll, verstehe ich nicht.
L. H.
26.12.2020, 21:47:26
*der Todesfolge
Real Thomas Fischer Fake 🐳
27.12.2020, 00:39:07
Dass M2 nicht vorsätzlich handelte bedeutet ja nicht automatisch, dass er fahrlässig handelte. Für § 227 und § 222 müsste die Tötung (durch Handeln des M2) fahrlässig (NICHT vorsätzlich,
Vorsatzmuss bei § 227 nur bezgl. der Körperverletzung vorliegen) erfolgt sein. Dies ist hier aber nicht der Fall.
L. H.
27.12.2020, 00:58:52
Danke für die Antwort. Da war ich wohl der falschen Ansicht erlegen, dass eine kausale Handlung (und M2's Handlung war ja kausal für den Tod des O) stets entweder vorsätzlich oder fahrlässig sei.
Vojtech
16.11.2021, 01:02:27
Wie sieht das eigentlich mit §§ 223, (224) 25 II StGB? Prüft man das in solchen Fällen? 224 I Nr.4 StGB setzt weniger als § 25 II StGB voraus, sodass die mittäterschaftliche hinter der gemeinschaftlichen KV nicht zurücktreten sollte. Die Körperverletzung ist vom bedinten
Vorsatzdes M2 und somit vom gemeinsamen Tatentschluss umfasst.
Lukas_Mengestu
16.11.2021, 09:02:45
Hallo Vojtech, eine Zurechnung über die Mittäterschaft brauchst Du in dem vorliegenden Fall nicht. Die Zurechnung über § 25 Abs. 2 StGB dient dazu, dass auch derjenige Beteiligte bestraft werden kann, der den Verletzungserfolg nicht mit eigener Hand herbeiführt, aber dennoch einen erheblichen Tatbeitrag leistet, zB wenn M2 den O nur festgehalten hätte, während M1 diesen verprügelt. In dem Moment aber, wo - wie hier - der Mittäter den gesetzlichen Tatbestand komplett selbst verwirklicht, bedarf es keiner Zurechnung mehr und es genügt insoweit §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB zu prüfen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
miwo
31.1.2024, 12:27:30
Ich hätte dazu nochmal eine Rückfrage: wenn man den Fall hat den du beschreibst, also man muss zurechnen über 25 Abs. 2 da einer eben nicht den Verletzungserfolg mit eigener Hand herbeiführt, macht der sich dann lediglich wegen 223, 25 II strafbar oder 223, 224 Nr. 4, 25 II? Letzteres kommt mir komisch vor, da hat man das ja irgendwie doppelt drin mit dem Gemeinschaftlichen, andererseits kann es doch auch nicht sein, dass der Mittäter bei dem zugerechnet wird, dann nie die Qualifikation erfüllt…
Catarina Silva Ruther
9.12.2022, 21:50:30
In 224 I Nr. 4 heißt es doch "mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich"
Lukas_Mengestu
12.12.2022, 11:27:29
Hallo Catarina, vielen Dank für die Anmerkung. Genau, aus dem Wortlaut des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB ergibt sich unmittelbar, dass es genügt, wenn zwei Personen beteiligt sind, nämlich der Täter und der andere Beteiligte. Es sind also weniger Beteiligte erforderlich, als bei den Bandenstraftaten, wo es drei beteiligter Personen bedarf. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Jonas Neubert
17.8.2023, 11:37:16
Es wäre äußerst hilfreich, wenn bei m
ehren vorliegenden Delikten kurz die Konkurrenzen zueinander erörtert werden.
Leo Lee
18.8.2023, 10:30:58
Hallo Jura für Alle, vielen Dank für den Hinweis! Hier haben wir - um den Rahmen nicht zu sprengen - in der Erklärung die Konkurrenzen zunächst weggelassen, nicht zuletzt da wir eine eigene Einheit haben für die Konkurrenzen, die du hier findest: https://applink.jurafuchs.de/MloV615kmCb. Ansonsten hast du natürlich Recht, hier würden § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB in Tateinheit mit §
231 StGBgem. § 52 StGB stehen, da die zu schützenden
Rechtsgütersich unterscheiden (körperliche Unversehrtheit des Individuums vs. körperliche Unversehrtheit des "Kollektivs") :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo