Zivilrecht

Examensrelevante Rechtsprechung ZR

Entscheidungen von 2017

Eintragung im Schengener Informationssystem als Rechtsmangel

Eintragung im Schengener Informationssystem als Rechtsmangel

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

K kauft von V einen Oldtimer. Zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs ist das Auto im Schengener Informationssystem als gestohlen gemeldet und zur Fahndung ausgeschrieben. Später wird die Fahndung zunächst aufgehoben, dann wieder aufgenommen. Das Fahrzeug ist noch im Schengener Informationssystem ausgeschrieben.

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Einordnung des Falls

Eintragung im Schengener Informationssystem als Rechtsmangel

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K steht ein Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises aus §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 435, 440, 323, BGB zu, wenn die Eintragung einen Sach- oder Rechtsmangel darstellt.

Ja, in der Tat!

Sofern K den Rücktritt erklärt (§ 349 BGB), liegen die Voraussetzungen des Rücktritts vor. Zwar setzt der Rücktritt grundsätzlich eine Nacherfüllungsfrist voraus. Gemäß § 440 S. 1 BGB ist eine Fristsetzung aber entbehrlich, wenn dem Käufer die Fristsetzung nicht zumutbar ist. BGH: Wegen des seit mehr als 18 Monaten dauernden Ermittlungsverfahrens sei die Fristsetzung entbehrlich. Dem Käufer sei es nicht zuzumuten, abzuwarten, ob der Verkäufer in absehbarer Zeit etwas würde erreichen können, was den Ermittlungsbehörden bisher nicht gelungen sei, zumal die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder aufgenommen hat und die Löschung der Eintragung zeitlich ungewiss war (BGH, RdNr. 34).
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2. Die Kaufsache ist nur frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte keine Rechte gegen den Käufer geltend machen können.

Ja!

BGH: Der Verkäufer müsse zur Erfüllung seiner Leistungspflicht dafür sorgen, dass der Käufer die Kaufsache unangefochten und frei von Rechten Dritter erwerbe und nutzen können. Ein Rechtsmangel liege vor, wenn Rechte eines Dritten eine Ausübung der nach § 903 S. 1 BGB dem Käufer zustehenden Rechtsposition beeinträchtigen könnten. In Betracht kommen insoweit obligatorische Rechte (bei Miet- und Pachtverhältnissen) und auch öffentlich-rechtliche Eingriffsbefugnisse, Beschränkungen und Bindungen, die die Nutzung der Kaufsache beeinträchtigen (BGH, RdNr. 16).

3. Wenn das Eingreifen öffentlich-rechtlicher Normen auch Folge einer Beschaffenheit der Kaufsache selbst ist, liegt kein Rechtsmangel, sondern ein Sachmangel vor.

Genau, so ist das!

BGH: Die Abgrenzung sei nach dem Einzelfall vorzunehmen. Sachmangel: (1) Hasenfleisch mit Verdacht der Salmonellenverseuchung unabhängig von der Beschlagnahme, weil die Eignung zur Weiterveräußerung fehle; (2) öffentlich-rechtliche Beschränkungen der Bebaubarkeit eines verkauften Grundstücks, die an dessen Beschaffenheit, insbesondere Lage anknüpfen. Hingegen Rechtsmangel: (1) Kauf von Dieselkraftstoff zum Betrieb von Dieselmotoren, wenn mit Heizöl verunreinigter Dieselkraftstoff geliefert wird: weil wegen der Heizölbeimischung die Gefahr behördlicher Beschlagnahme vorliegt; (2) Sozialbindung einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung, die von deren Beschaffenheit unabhängig ist. (BGH, RdNr. 19f. mit Verweisen auf bisherige Rechtsprechung)

4. Eine nach § 111b StPO rechtmäßig durchgeführte Beschlagnahme eines im Ausland als gestohlen gemeldeten KFZ würden einen Rechtsmangel begründen.

Ja, in der Tat!

BGH: Ein Rechtsmangel liege bereits dann vor, wenn bei Gefahrübergang ein Sachverhalt gegeben sei, der einen staatlichen Zugriff auf die Kaufsache im Wege der künftigen Beschlagnahmeanordnung ermögliche (BGH, RdNr. 21). Erläuterung: Die Beschlagnahme knüpft nicht an tatsächliche Eigenschaften der Kaufsache, etwa Beziehungen zur Umwelt an. Vielmehr beruht die Beeinträchtigung rein auf der rechtlichen Dimension der Beschlagnahme, denn insoweit wird in die Eigentümerrechte des § 903 S. 1 BGB eingegriffen.

5. Die Eintragung eines Fahrzeugs im Schengener Informationssystem begründet einen Rechtsmangel.

Ja!

BGH: Bei Aufgreifen eines eingetragenen Fahrzeugs werde es dem aufgreifenden Mitgliedsstaat aufgegeben, Maßnahmen nach nationalem Recht zu ergreifen. Daher sei die Ausschreibung mit der konkreten, im gesamten Schengen-Raum bestehenden Gefahr verbunden, dass bei der Zulassung des Fahrzeugs oder bei polizeilicher Kontrolle die Eintragung festgestellt und das Fahrzeug daraufhin rechtmäßig sichergestellt werde. Es handele sich nicht um ein vorübergehendes Zulassungshindernis, weil selbst bei Erwerb des Volleigentums infolge der Eintragung weiterhin die Gefahr der rechtmäßigen Beschlagnahme drohe. Ferner mindere die Eintragung den Wert des Fahrzeugs, weil es sich um einen gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 erheblichen Rechtsmangel handele (BGH, RdNr. 22f).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TJU

Tr(u)mpeltier junior

25.1.2021, 19:59:29

Ggfs könnte man in den hinweistext bei der Frage zu 111b stpo noch mit aufnehmen, dass allein eine beschlagnahme nach

94 StPO

(zur Beweissicherung) dagegen wohl nicht ausreichen würde. Denn wird die beschlagnahme lediglich darauf gestützt, so erfolgt die beschlagnahme nur vorübergehend und wird am Ende des Ermittlungsverfahren aufgehoben, sofern keine anderweitige Entscheidung ergeht. §111b StPO zielt dagegen auf den dauerhaften Verlust, weswegen hier der rechtsmangel bejaht wird.

t o m m y

t o m m y

25.1.2021, 20:10:53

hier: hmm, sogar die blosse eintragung ohne jede beschlagnahme reicht ja schon! aber das ist dann ja eh irrelevant, oder? generell: super streitig, aA zu dir u.a. beckok/faust, müko/westermann, erman/grunewald, gibt aber auch viele gegen rechtsmangel

TJU

Tr(u)mpeltier junior

25.1.2021, 21:01:10

Das ist richtig, wobei bei der sis Eintragung nach mE der zentrale Aspekt vor allem die permanente Gefahr des dauerhaften eigentumsverlustes ist. Zumindest dieser liegt bei der von vornherein bloß vorübergehenden beschlagnahme zur Beweissicherung nach §

94 StPO

gerade nicht vor.


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