Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Dreipersonenverhältnisse

Einbeziehungsinteresse – handwerklicher Gefälligkeit

Einbeziehungsinteresse – handwerklicher Gefälligkeit

5. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Mieter M und H sind Nachbarn. Auf Ms Bitte erneuert H innerhalb weniger Minuten die Verkabelung der Außenlampe, die an Ms Fassade angebracht war. Ms Vermieterin V beauftragt später F, die Fassade zu säubern. F berührt die Außenlampe und erleidet einen schweren Stromschlag. Grund dafür ist Hs unsachgemäße Verkabelung.

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Einordnung des Falls

Einbeziehungsinteresse – handwerklicher Gefälligkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F könnte gegen M ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung Dritter (VSD) zustehen.

Ja!

Zunächst muss ein Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner bestehen. Die Einbeziehung nach dem VSD setzt sodann (1) Leistungsnähe des Dritten, (2) Einbeziehungsinteresse des Gläubigers, (3) Erkennbarkeit für den Schuldner und (4) Schutzbedürftigkeit des Dritten voraus. LeGES: Leistungsnähe, Gläubigernähe, Erkennbarkeit, Schutzbedürftigkeit. Für Lateinliebhaber: Leges ist der Plural von "lex" und bedeutet übersetzt „Gesetze“.
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2. Indem H sich bereit erklärt hat, die Außenlampe zu erneuern, hat sie mit M einen Vertrag geschlossen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Unentgeltliche Verträge (wie z.B. der Auftrag) sind von unverbindlichen Gefälligkeiten abzugrenzen. Erklärt sich jemand unentgeltlich zur Übernahme einer Tätigkeit bereit, ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln, ob er sich rechtlich binden (Rechtsbindungswille) und so für seine Zusage haften, oder ob er die Tätigkeit nur als typische Gefälligkeit des täglichen Lebens übernehmen möchte.H hatte hier aus reiner nachbarschaftlicher Verbundenheit gehandelt. Die Erneuerung war auch nicht derart arbeits- und zeitintensiv, dass sich sagen lässt, das Ganze habe sich umfangmäßig außerhalb dessen bewegt, was gewöhnlich noch als Gefälligkeit eines hilfsbereiten Nachbarn qualifiziert wird. Insofern liegt weder ein Werkvertrag (§ 631 BGB), noch ein Auftrag (§ 662 BGB) vor.

3. Obwohl H eine reine Gefälligkeit erbringt, hat sie nach h.M. gegenüber M aufgrund der Gefälligkeit besondere Schutz- und Rücksichtnahmepflichten zu beachten.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach überwiegender Auffassung begründen reine Gefälligkeiten weder Leistungsansprüche, noch bestehen bei diesen Rücksichts- oder Schutzpflichten . Wesentliches Abgrenzungskriterium der Gefälligkeit sei gerade die fehlende Bereitschaft, besondere Verpflichtungen zu übernehmen. Mangels Schuldverhältnis scheiden deshalb auch Schadensersatzanprüche nach § 280 BGB aus.Folgt man der h.M. so fehlt es zwischen M und H an einem Vertrag in den F einbezogen werden könnte.Auch wenn vertragliche Ansprüche nach der h.M. ausscheiden, kommen deliktische Ansprüche (§§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB iVm 229 StGB) sowohl gegen H als auch gegen M in Betracht!

4. Erkennt man das Gefälligkeitsverhältnis mit rechtsgeschäftlichem Charakter an, bestehen zwischen H und M Rücksichtsnahmepflichten nach §§ 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2 BGB.

Ja!

Zum Teil wird vertreten, dass auch bei Gefällligkeiten Rücksichts- und Schutzpflichten bestehen müssten (sog. Gefälligkeitsverhältnis mit rechtsgeschäftlichem Charakter). Bei Verletzung dieser Pflichten ergäben sich Ansprüche nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2 BGB.Erkennt man eine solch vertragsähnliche Sonderverbindung zwischen H und M an (§ 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB) an, ergeben sich hieraus Schutzpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB). F könnte zudem in diese Verbindung unter den Voraussetzungen des VSD einbezogen werden.Gegen diese Konstruktion spricht, dass § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB ausdrücklich nur von geschäftlichen Kontakten spricht. Eine Ausdehnung auf (private) Gefälligkeiten passt insoweit nicht.

5. Sofern man eine vertragsähnliche Sonderverbindung zwischen H und M annimmt, hatte M ein Interesse daran, F in die Schutzpflichten einzubeziehen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Einbeziehungsinteresse bedeutet: Der Gläubiger ist entweder für das "Wohl und Wehe" des Dritten verantwortlich oder hat ein sonstiges besonderes Interesse an dessen Einbeziehung, das bei Vertragsauslegung eine Ausdehnung des Vertrags rechtfertigt.BGH: Zwischen M und F bestünden weder familäre noch soziale Verbindungen. Auch sonst bestünde kein besonderes Interesse. M hatte F nicht beauftragt. Ihn treffe insoweit auch im Falle von Fs Verletzung nicht die Bestellerhaftung analog § 618 BGB. Die allein in Betracht kommende deliktische Haftung des M rechtfertige nicht die Annahme eines Einbeziehungsinteresses.Da kein Einbeziehungsinteresse vorlag, hat der BGH offen gelassen, ob Leistungsnähe vorlag. Die Vorinstanz hatte das noch bejaht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

0815jurafuchs

0815jurafuchs

17.4.2024, 13:04:23

Hab hier so meine Probleme, zwischen M und H ein

Gefälligkeitsverhältnis

anzunehmen angesichts des Gefahrenpotentials, dass mit Arbeiten an elektrischen Anlagen einher geht. Nicht umsonst steht in den Montagehinweisen zu Lampen, diese nur durch Elektriker vornehmen zu lassen.

DAV

david1234

4.7.2024, 23:27:20

Warum wird in diesem Fall die GoA nicht geprüft ? Könnte die Goa nicht als gesetzliches SV die Grundlage für den VSD bieten können?

AS

as.mzkw

9.11.2024, 13:00:55

Weshalb GoA? Also in welchem Personenverhältnjs? F wird ja für V auf vertraglicher Grundlage tätig und handelt insofern auch berechtigt, sodass gerade keine GoA vorliegt.

DerChristoph

DerChristoph

8.8.2024, 14:44:18

Wie wirkt sich denn hier aus, dass F zu einem viel späteren Zeitpunkt beauftragt wurde, als die Lampe schon längst montiert war? Kann man das Fehlen des Einbeziehungsinteresses nicht auch darauf stützen? Das Einbeziehungsinteresse kann ja vermutlich niemanden erfassen, an den im Zeitpunkt der zu betrachtenden Handlung noch gar nicht zu denken war, oder?


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