Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Dreipersonenverhältnisse

Einbeziehungsinteresse – handwerklicher Gefälligkeit

Einbeziehungsinteresse – handwerklicher Gefälligkeit

3. Juni 2025

11 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Mieter M und H sind Nachbarn. Auf Ms Bitte erneuert H innerhalb weniger Minuten die Verkabelung der Außenlampe, die an Ms Fassade angebracht war. Ms Vermieterin V beauftragt später F, die Fassade zu säubern. F berührt die Außenlampe und erleidet einen schweren Stromschlag. Grund dafür ist Hs unsachgemäße Verkabelung.

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Einordnung des Falls

Einbeziehungsinteresse – handwerklicher Gefälligkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F könnte gegen H ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung Dritter (VSD) zustehen.

Ja!

Zunächst muss ein Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner bestehen. Die Einbeziehung nach dem VSD setzt sodann (1) Leistungsnähe des Dritten, (2) Einbeziehungsinteresse des Gläubigers, (3) Erkennbarkeit für den Schuldner und (4) Schutzbedürftigkeit des Dritten voraus. LeGES: Leistungsnähe, Gläubigernähe, Erkennbarkeit, Schutzbedürftigkeit. Für Lateinliebhaber: Leges ist der Plural von "lex" und bedeutet übersetzt „Gesetze“.
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2. Indem H sich bereit erklärt hat, die Außenlampe zu erneuern, hat sie mit M einen Vertrag geschlossen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Unentgeltliche Verträge (wie z.B. der Auftrag) sind von unverbindlichen Gefälligkeiten abzugrenzen. Erklärt sich jemand unentgeltlich zur Übernahme einer Tätigkeit bereit, ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln, ob er sich rechtlich binden (Rechtsbindungswille) und so für seine Zusage haften, oder ob er die Tätigkeit nur als typische Gefälligkeit des täglichen Lebens übernehmen möchte.H hatte hier aus reiner nachbarschaftlicher Verbundenheit gehandelt. Die Erneuerung war auch nicht derart arbeits- und zeitintensiv, dass sich sagen lässt, das Ganze habe sich umfangmäßig außerhalb dessen bewegt, was gewöhnlich noch als Gefälligkeit eines hilfsbereiten Nachbarn qualifiziert wird. Insofern liegt weder ein Werkvertrag (§ 631 BGB), noch ein Auftrag (§ 662 BGB) vor.

3. Obwohl H eine reine Gefälligkeit erbringt, hat sie nach h.M. gegenüber M aufgrund der Gefälligkeit besondere Schutz- und Rücksichtnahmepflichten zu beachten.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach überwiegender Auffassung begründen reine Gefälligkeiten weder Leistungsansprüche, noch bestehen bei diesen Rücksichts- oder Schutzpflichten . Wesentliches Abgrenzungskriterium der Gefälligkeit sei gerade die fehlende Bereitschaft, besondere Verpflichtungen zu übernehmen. Mangels Schuldverhältnis scheiden deshalb auch Schadensersatzanprüche nach § 280 BGB aus.Folgt man der h.M. so fehlt es zwischen M und H an einem Vertrag in den F einbezogen werden könnte.Auch wenn vertragliche Ansprüche nach der h.M. ausscheiden, kommen deliktische Ansprüche (§§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB iVm 229 StGB) sowohl gegen H als auch gegen M in Betracht!

4. Erkennt man das Gefälligkeitsverhältnis mit rechtsgeschäftlichem Charakter an, bestehen zwischen H und M Rücksichtsnahmepflichten nach §§ 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2 BGB.

Ja!

Zum Teil wird vertreten, dass auch bei Gefällligkeiten Rücksichts- und Schutzpflichten bestehen müssten (sog. Gefälligkeitsverhältnis mit rechtsgeschäftlichem Charakter). Bei Verletzung dieser Pflichten ergäben sich Ansprüche nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2 BGB.Erkennt man eine solch vertragsähnliche Sonderverbindung zwischen H und M an (§ 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB) an, ergeben sich hieraus Schutzpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB). F könnte zudem in diese Verbindung unter den Voraussetzungen des VSD einbezogen werden.Gegen diese Konstruktion spricht, dass § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB ausdrücklich nur von geschäftlichen Kontakten spricht. Eine Ausdehnung auf (private) Gefälligkeiten passt insoweit nicht.

5. Sofern man eine vertragsähnliche Sonderverbindung zwischen H und M annimmt, hatte M ein Interesse daran, F in die Schutzpflichten einzubeziehen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Einbeziehungsinteresse bedeutet: Der Gläubiger ist entweder für das "Wohl und Wehe" des Dritten verantwortlich oder hat ein sonstiges besonderes Interesse an dessen Einbeziehung, das bei Vertragsauslegung eine Ausdehnung des Vertrags rechtfertigt.BGH: Zwischen M und F bestünden weder familäre noch soziale Verbindungen. Auch sonst bestünde kein besonderes Interesse. M hatte F nicht beauftragt. Ihn treffe insoweit auch im Falle von Fs Verletzung nicht die Bestellerhaftung analog § 618 BGB. Die allein in Betracht kommende deliktische Haftung des M rechtfertige nicht die Annahme eines Einbeziehungsinteresses.Da kein Einbeziehungsinteresse vorlag, hat der BGH offen gelassen, ob Leistungsnähe vorlag. Die Vorinstanz hatte das noch bejaht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

0815jurafuchs

0815jurafuchs

17.4.2024, 13:04:23

Hab hier so meine Probleme, zwischen M und H ein

Gefälligkeitsverhältnis

anzunehmen angesichts des Gefahrenpotentials, das mit Arbeiten an elektrischen Anlagen einher geht. Nicht umsonst steht in den Montagehinweisen zu Lampen, diese nur durch Elektriker vornehmen zu lassen.

Lukas_Dunkel

Lukas_Dunkel

3.5.2025, 09:20:19

@[0815jurafuchs](237790) verstehe ich, hatte ich anfangs auch immer in solchen Konstellationen… aber geh mal von dir selber aus. Wenn dein Nachbar oder Freund dich fragt ob du mal eben eine Lampe installieren kannst und er dir fiktiv sagen würde „hey, kannst du das bitte eben für mich machen? Aber wenn da was schief geht haftest du mir“ würdest du dem noch zustimmen?

DAV

david1234

4.7.2024, 23:27:20

Warum wird in diesem Fall die GoA nicht geprüft ? Könnte die Goa nicht als gesetzliches SV die Grundlage für den VSD bieten können?

AN

annsophie.mzkw

9.11.2024, 13:00:55

Weshalb GoA? Also in welchem Personenverhältnjs? F wird ja für V auf vertraglicher Grundlage tätig und handelt insofern auch berechtigt, sodass gerade keine GoA vorliegt.

OKA

okalinkk

28.3.2025, 15:09:56

@[as.mzkw](244917) ich glaube @[david1234](229145) meinte im Verhältnis zwischen Mieter und Nachbar. Also dass man sagt, der Nachbar hat für den Mieter ein Geschäft besorgt, indem er die Lampe repariert hat. Hat man jedoch eine außerrechtliche

Gefälligkeit

(so wie wohl hier), so kann man daraus keine GoA machen. Eine GoA kommt nur in Betracht wenn quasi eigentlich wie aus einem

Rechtsgeschäft

gehaftet wird - also der Geschäftsführer einem Beauftragten etc. gleichzustellen wäre. Ein Auftrag setzt jedoch einen

Rechtsbindungswillen

voraus und an diesem fehlt es hier

DerChristoph

DerChristoph

8.8.2024, 14:44:18

Wie wirkt sich denn hier aus, dass F zu einem viel späteren Zeitpunkt beauftragt wurde, als die Lampe schon längst montiert war? Kann man das Fehlen des Einbeziehungsinteresses nicht auch darauf stützen? Das Einbeziehungsinteresse kann ja vermutlich niemanden erfassen, an den im Zeitpunkt der zu betrachtenden Handlung noch gar nicht zu denken war, oder?

LMA

Lt. Maverick

23.5.2025, 16:34:39

Ich stehe hier irgendwie auf dem Schlauch. Es wird nach einem Anspruch des F gegen M gefragt. Dieser könnte sich aus §§ 280 I, 241 II BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung

zugunsten Dritter

ergeben. Würde man jetzt auf eine „Sonderverbindung“ iSv §§ 311 II Nr. 2, 241 II BGB zwischen M und H als

Schuld

verhältnis abstellen, wie soll denn M einerseits gegenüber F gemäß §§ 280 I, 241 II BGB als

Schuld

ner haften und andererseits ein Gläubigerinteresse an der Einbeziehung von F haben? M hat hier 2 Rollen: einerseits Gläubiger hinsichtlich des Einbeziehungsinteresses und andererseits

Schuld

ner hinsichtlich des Anspruchs selbst und der Erkennbarkeit. Welche Rolle würde denn H dann noch spielen? Müsste nicht vielmehr ein Anspruch von F gegen H geprüft werden? Schließlich hat H die Lampe unsachgemäß montiert.

HAN

hansphilipp

27.5.2025, 17:04:47

sehe ich genauso

Nadim Sarfraz

Nadim Sarfraz

30.5.2025, 11:54:00

Lieber @[Lt. Maverick](229751), lieber @[hansphilipp](256219), danke für Eure Nachfrage. Ihr habt Recht, dass hier Ansprüche gegen H und nicht M geprüft werden müssen - hier wurden bei der ersten Frage die beiden Buchstaben vertauscht, sodass der falsche Eindruck entstanden ist, dass ein Anspruch gegen M aus den Grds. des VSD geprüft werden würde. Die Buchstaben haben wir in der ersten Frage aufgrund Eurer Anregung ausgetauscht, jetzt sollte alles passen. :) Liebe Grüße, Nadim für das Jurafuchs-Team


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