Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Objektive Zurechnung
Eingreifen freiwilliger, rechtlich nicht verpflichteter Retter – objektive Zurechnung
Eingreifen freiwilliger, rechtlich nicht verpflichteter Retter – objektive Zurechnung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der schusselige S hat in seiner Wohnung im 1. Stock vergessen, den Herd auszuschalten. Es kommt im Mehrfamilienhaus zum großflächigen Brand. Passantin P läuft daran vorbei und hört die Schreie eines Babys. Sie geht hinein und wird im Flur von einem herabfallenden Balken getötet.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Eingreifen freiwilliger, rechtlich nicht verpflichteter Retter – objektive Zurechnung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ist S der Tod der P objektiv zuzurechnen?
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Sebastian Pitz
27.1.2020, 17:01:52
Ich bin kein Jurastudent, aber wenn sich P ohne vorheriges Informieren der Rettungskräfte in ein brennendes Haus stürzt, von dem offensichtlich eine Gefahr ausgeht, denke ich schon, dass man das als eigenständige und unverhältnismäßige Selbstgefährdung klassifizieren kann. Vor allem da P ja nur ein schreiendes Kind gehört hat, was ja auch nicht unbedingt die überstürzte Reaktion rechtfertigt. Ohne weitere Informationen hätte das Kind ja auch in einem nicht direkt gefärdeten Bereich seien können.
Kolja
3.12.2021, 13:19:44
Meiner Meinung nach könnte der Ausschluss des eigenverantwortlichen Handelns so begründet werden: Jemand handelt eigenverantwortlich, wenn seine Willensbildung frei von Zwang oder Irrtum ist. Zwang muss hierbei jedoch nicht unbedingt Zwang durch
Drohungo.ä. bedeuten. Es kann auch heißen, dass die Person sich aus moralischen Gründen gezwungen sehen kann zu handeln. Dies könnte hier der Fall sein, da ein Baby zu sterben droht. Dass dann manche Leute sozusagen „nicht anders können“ als einen Versuch zur Rettung zu unternehmen muss dem Täter bewusst sein und damit ist eine Eigenverantwortlichkeit ausgeschlossen.
BigBrother
12.12.2021, 13:39:13
Die Herausforderungsrechtsprechung wird von vielen Schöff:innen bestimmt unterstützt. @Kolja Sicht ist durchaus differenzierter.
Oggi
28.1.2020, 19:29:49
Ich finde hier liegt der Fall eher wie beim Feuerwehrmann, der ohne Ausrüstung helfen will. Meines Erachtens verhält sich P gleichermaßen völlig unvernünftig. In ein Haus zu rennen, welches großflächig brennt ist mit großen Lebensgefahren verbunden. Es kann meines Erachtens in einem solch gelagertem Fall auch nicht darauf ankommen, ob sie an einem herunterfallenden Balken oder einer Rauchvergiftung stirbt, da beide Gefahren gleichermaßen immanent sind. Zumal sie auch nur eine Passantin und nicht die Mutter des Kindes ist; Bei einer Mutter könnte man schon eher diskutieren, ob sie sich berechtigterweise herausgefordert fühlen durfte zu helfen.
Henk
4.3.2020, 10:00:57
Stimme Dir grdsl zu. Ist wahrscheinlich eine Wertungsentscheidung. Der Gedanke den ich mir dahinter vorstelle ist, dass Personen die vor der Feuerwehr vor Ort sind, in der Lage sind Schäden aufgrund des Zeitvorsprunges zur Feuerwehr abwenden zu können. Diese wären beim Eintreffen der Fw evtl schon eingetreten. Für die Personen der Feuerwehr wäre es unvernünftig nicht schnell ihre Schutzausrüstung anzuziehen. Der obige Zeitvorsprung ist auch bereits verstrichen.
Constanze.Jauch
20.2.2023, 14:21:45
Oggi, ich sehe das anders. Der Feuerwehrmann kennt aufgrund seines Berufes die Gefahren, die mit seiner Handlung einhergehen. Er ist gerade aufgrund seines Berufes in der Lage die Gefahr abzuschätzen ( zB wie weit ist die Beschädigung des Hauses etc.) die besteht, wenn er ohne Ausrüstung und Absprache in das brennende Haus rennt. Zudem hat der Feuerwehrmann auch andere Risiken einzugehen, als eine Passantin, da diese mit seinem Beruf einhergehen. Eine Passantin, die die Lage nicht überblicken kann, hat diese Kenntnis eben nicht und handelt nur, weil sie sich in der Pflicht sieht zu handeln.
Entenpulli
10.8.2023, 21:14:39
Wenn die Zurechnung schon bei einem Feuerwehrmann entfällt, der ohne Ausrüstung ins Haus stürmt, dann doch erst recht bei einem Laien, der zudem noch weniger dazu verpflichtet ist aktiv einzugreifen. Der Feuerwehrmann muss (nach Anlegen der Ausrüstung) helfen, die Passantin nicht. Es leuchtet mir also nicht ein, wieso der Fall hier anders entschieden wird. Über eine Erklärung würde ich mich sehr freuen.
Blotgrim
25.8.2024, 11:21:10
Ich würde mir auch nochmal eine Erklärung wünschen, sonst erscheint mir das willkürlich und öffnet meiner Meinung nach die Tür für Fälle in denen Leute den Helden spielen wollen
nekrokristus
13.4.2024, 21:36:42
Ich gehe mal davon aus, dass wir uns hier im Fahrlässigkeitsbereich aufhalten. Prüfen wir hier trotzdem nach dem vollendeten Begehungsdelikt oder im Fahrlässigkeitsdelikt (wenn zuvor diese bejaht wurde)
Leo Lee
14.4.2024, 09:02:35
Hallo nekrokristus, vielen Dank für die sehr gute Frage! Hier befinden wir uns „ganz allgemein“ in der obj. Zurechnung, also ungeachtet dessen, ob wir ein
Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsdelikt haben; denn die obj. Zurechnung (zumindest nach der h.L. und somit auch in der Klausurlösung bis zum ersten Examen) ist sowohl Teil des Vorsat- als auch des Fahrlässigkeitsdelikts. In diesem Fall wäre die obj. Zurechnung i.R.d. Fahrlässigkeit zu prüfen. Sobald aber der S auch nur mit
Eventualvorsatzhandelt, wäre die obj. Zurechnung im
Vorsatzdelikt anzusprechen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo