Gefälschter Bierdeckel (Parallelwertung in der Laiensphäre)


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

In der Stammkneipe des A ist es üblich, dass die Kellner jedes getrunkene Bier mit einem Kugelschreiberstrich auf dem Bierdeckel "dokumentieren". Mit dem Fingernagel kratzt A ein paar dieser Striche weg, damit er weniger zahlen muss. In der Hauptverhandlung erklärt A, er habe nicht gewusst, dass ein Bierdeckel eine Urkunde (§ 267 StGB) sei.

Einordnung des Falls

Gefälschter Bierdeckel (Parallelwertung in der Laiensphäre)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hatte Vorsatz bzgl. einer Urkundenfälschung (§ 267 StGB).

Ja!

Der Täter hat Vorsatz, wenn er mit dem Willen zur Verwirklichung des Tatbestands (voluntatives Element) in Kenntnis aller objektiven Tatumstände (kognitives Element) handelt. Bei normativen Tatbestandsmerkmalen genügt es, wenn der Täter den vom Gesetzgeber unter Strafe gestellten Sachverhalt in seiner sozialen Sinnbedeutung erkennt (Parallelwertung in der Laiensphäre). "Urkunde" ist ein normatives Tatbestandsmerkmal. Als Urkunde gilt jede menschliche verkörperte Gedankenerklärung, die ihren Aussteller erkennen lässt und zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist.A hat den sozialen Bedeutungsgehalt im Hinblick auf das Merkmal der Urkunde erkannt. Er wusste, dass er die zum Beweis bestimmten Zeichen der Kellner in ihrem Beweiswert verändert.Dass A den Bierdeckel „rechtlich“ nicht unter den Begriff der Urkunde subsumierte, könnte allenfalls einen Subsumtionsirrtum (=Verbotsirrtum, § 17 StGB) darstellen. Dieser führt allerdings nur zum Ausschluss der Schuld, sofern er unvermeidbar war. Dies dürfte hier nicht der Fall sein.

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le.dorian

le.dorian

30.1.2022, 23:14:03

In der Vorlesung wurde mir erzählt beim gleichen SV , dass dies eben keine vorsätzliche Tat ist, da eben ein Laie nicht erkennt dass eine Bierdeckel eine Urkunde ist?

VIC

Victor

31.1.2022, 12:33:24

Finde ich schwer zu vertreten. Der Laie muss nicht genau wissen, dass der Bierdeckel eine Urkunde ist. Es bedarf vielmehr der Parallelwertung in der Laienssphäre. Dabei wird auch einem Laien bewusst sein, dass der Bierdeckel entscheidende Abrechnungsgrundlage ist und ein „Striche wegmachen“ die Aussagekraft verändert. Daher halte ich im Einklang mit der Lösung auch beim Laien den Vorsatz für gegeben.

Pilea

Pilea

22.11.2022, 08:02:03

Man kann ja darauf abstellen, ob es dem Täter genau darauf ankam, die Aussagekraft der Striche zu ändern. Bei uns wurde der Fall gebildet als 1. Person möchte damit genau weniger bezahlen =

Parallelwertung in der Laiensphäre

richtig erfolgt, Vorsatz (+); 2. Person kommt aus anderer Kultur und kann nicht erkennen, dass die Striche mit dem Biertrinken zusammenhängen, kratzt zB aus Langeweile die Striche ab = Vorsatz (-).

lennart20

lennart20

27.2.2023, 14:49:03

Es wäre noch gut hinzuweisen, dass dieses Problem weiter innerhalb der Schuld in Form eines Verbotsirrtums nach §17 StGB diskutiert werden sollte.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

1.3.2023, 11:18:33

Lieben Dank für den Hinweis, Lennart. Das haben wir mit aufgenommen :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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