Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Tatbestand der Willenserklärung
Mehrdeutige Kündigung (Inhaltliche Bestimmtheit)
Mehrdeutige Kündigung (Inhaltliche Bestimmtheit)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M hat von Vermieter V zwei Garagen unterschiedlicher Größe gemietet. Sie schickt V eine Kündigung. Da sie jetzt nur noch ein Auto habe, benötige sie nur noch eine Garage und kündige den Mietvertrag über die andere.
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Einordnung des Falls
Mehrdeutige Kündigung (Inhaltliche Bestimmtheit)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Das Verhalten der M lässt auf das Vorliegen eines Handlungswillens schließen.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ms Verhalten lässt auf das Vorliegen eines Erklärungsbewusstseins schließen. M hatte Rechtsbindungswillen.
Ja!
3. Ms Verhalten lässt auf das Vorliegen eines Geschäftswillens schließen.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Vulpes
14.2.2020, 19:57:15
Ich finde die Frage nicht gut gestellt. Natürlich lässt die Kündigung auf das Vorliegen eines
Geschäftswillen schliessen. Die M hatte auch
Geschäftswillen, nur ließ sich dieser nicht herauslesen. Die Frage hätte zum Beispiel lauten können:"Lässt sich aus der Erklärung der M herauslesen welcher
Geschäftswillevorliegt?"
Dominik
15.2.2020, 09:17:36
Sehe ich nicht so. Ob ein
Geschäftswilleim Rahmen des objektiven Tatbestands vorliegt, zielt ja darauf ab, ob für einen objektiven Dritten genau diese eine, konkrete(!) Rechtsfolge ersichtlich ist. Und das ist hier eben nicht der Fall, da völlig unklar ist (sowohl für den Vermieter als auch für uns), welche Garage gekündigt werden soll und welche nicht.
Vulpes
15.2.2020, 17:29:26
zählt aber zum subjektiven Tatbestand der Willenserklärung. Wenn Erklärungsbewusstsein fehlt, aber durch den obj.
Empfängerhorizontermittelt wird, sprechen wir auch nur noch von einem potentiellen Erklärungsbewusstsein. Es macht für mich keinen Sinn, dass es beim
Geschäftswillen anders sein sollte.
🦊LEXDEROGANS
25.2.2020, 22:12:45
Das Problem liegt ja darin, dass V durchaus bewusst sein dürfte, dass M ein ganz bestimmtes (Rechts)Geschäft kündigen wollte. V weiß bloß nicht, welches von den beiden. Von daher ist die Formulierung in der Musterlösung (“Ein
Geschäftswillei. R. d. obj. Tatbestandes liegt vor, wenn der Erklärende aus obj. Sicht die Herbeiführung einer ganz bestimmten Rechtsfolge bezweckt.”) etwas ungünstig gewählt, wenn zugleich der obj.
Geschäftswilleverneint wird.
gelöscht
9.10.2020, 10:42:55
Uncoole Fragestellung bzw. Lösungsvorgabe: Der Sacherhalt erklärt doch gerade, dass M in ihrer (einen) Kündigung den weiteren beabsichtigten Garagengebrauch spezifiziert („die eine“ und „die andere“ Garage). Daraus zu schlussfolgern, die Kündigung sei nicht hinreichend bestimmt, wenn lediglich der Sachverhalt an Bestimmtheit mangelt, ist hinsichtlich der Überdehnung eher nur eine mentale Yoga-Übung.
Ira
27.10.2020, 17:12:37
Tricky aber nicht uncool! So ist es auch im Examen. Es wird Dir nichts geschenkt, also nicht meckern:) Wie sagte Podolski so schön? •Du musst den Fokus fokussieren“ :)
Isabell
21.6.2021, 18:48:39
Wenn in dem Schreiben an V die Begründung "ich habe keine zwei Autos mehr, deswegen will ich den einen Mietvertrag kündigen" lässt sich durch Auslegung unproblematisch ermitteln, dass die Kündigung sich auf die größere Garage bezieht.
cemawo
13.5.2022, 09:27:36
Gerade Anfangssemester verwechseln sehr oft Sachverhaltsquetsche mit der Auslegung von Willenserklärungen. Die Formulierung gibt hier nichts darüber her, welche von beiden Garagen gekündigt werden soll. Es muss also davon ausgegangen werden, dass sich diesbezüglich auch nichts aus der Erklärung ergibt. Eine Willenserklärung auszulegen heißt nicht, dass man willkürlich angeblich mitgemeinte Gedanken unterstellen kann. Es kommt eben auf den
objektiven Empfängerhorizontan. Und wenn mir ein Mieter mitteilt, er möchte 'die eine' Garage kündigen, 'die andere' aber nicht, bin ich als Vermieter nicht schlauer als vorher.
Sascha
16.8.2020, 17:09:35
Ich würde die Sache dahingehend bewerten wollen, dass ein objektiver
Geschäftswillefür den Dritten (Vermieter) durchaus erkennbar ist. Insbesondere kann der Dritte (Vermieter) bei der Kündigung davon ausgehen, dass beide Garagen (wenn ein Mietvertrag über beide Garagen) besteht, von der Erklärung des Mieters betroffen sein sollen.
Eigentum verpflichtet 🏔️
16.8.2020, 17:18:33
Hallo Sascha, danke für den Kommentar. Im Sachverhalt steht, M schreibt ihrem Vermieter, dass sie nur noch ein Auto hat, daher nur noch eine Garage braucht und den Mietvertrag über die andere kündigt. Damit ist klar, dass sie eine Garage behalten möchte, also definitiv nicht beide Verträge kündigen möchte.
Sascha
16.8.2020, 17:21:04
Danke, habe ich im Nachgang dann auch gecheckt. ;–)
Prof. James Moriarty
10.10.2020, 22:18:44
Die Aufgabe ist unklar. Klar ist, dass die Mieterin einen Mietvertrag kündigt. Aus der Aufgabe geht nicht hervor, dass es sich um unterschiedliche Garagen handelt, es zwei Verträge gibt und sie eine der Garagen nicht meinen könnte.
Christian Leupold-Wendling
12.10.2020, 12:02:06
Hi Sherlock, danke für den Beitrag! Dass es sich um zwei unterschiedliche Garagen und zwei Verträge handelt, ergibt sich aus dem Sachverhalt („Die M hat von Vermieter V zwei Garagen unterschiedlicher Größe gemietet.“; „…benötige sie nur noch eine Garage und kündige den Mietvertrag über die andere.“). Dass es zwei Garagen sind, ergibt sich zudem aus der Illustration (die bei Jurafuchs Teil des Sachverhalts ist). Besten Gruß
lililaw
20.7.2022, 17:01:34
Der fehlende subjektive
Geschäftswilleist also unbeachtlich, aber der fehlende objektive
Geschäftswillemacht die Willenserklärung unwirksam? Verstehe ich das richtig?
Philipp
2.8.2022, 08:10:08
So habe ich das auch verstanden. Im subjektiven TB einer WE zählt nur der
Handlungswille, potentielles Erklärungsbewusstsein kann auch noch eine Rolle spielen. Im objektiven TB einer WE müssen
Handlungswille, Rechtsbindungswillen und
Geschäftswillefür einen objektiven Dritten erkennbar sein.
Nora Mommsen
4.8.2022, 12:23:40
Hallo lililaw, danke für deine Frage und danke Philipp für die Antwort. Genauso ist es - für eine wirksame Willenserklärung braucht es auf subjektiver Seite
Handlungswilleund potentielles Erklärungsbewusstsein. Im objektiven Tatbestand der Willenserklärung müssen zunächst der
Handlungswilleund der Rechtsbindungswille erkennbar sein. Letzterer ist das Pendant zum (potentiellen) Erklärungsbewusstsein. Zuletzt braucht es auch den
Geschäftswillen, es müssen also alle essentialia negotii erkennbar sein für einen Dritten. Fehlt auf subjektiver Ebene der
Geschäftswilleliegt zwar eine wirksame Willenserklärung vor, diese kann aber unter den Voraussetzungen der §§ 119 ff. BGB angefochten werden. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Juratiopharm
19.11.2022, 16:04:40
Mir ist das Verhältnis zur Rechtsfigur des Dissens unklar. Ein solcher liegt (mithin) vor, wenn Willenserklärungen objektiv mehrdeutig sind (so jedenfalls Brox/Walker). Nach dieser Aufgabe läge bei Mehrdeutigkeit aber bereits keine WE vor. Oder nicht?
Timurso
26.11.2022, 00:10:38
Ich denke, der entscheidende Unterschied ist, dass der Dissens eine Vertragssituation regelt. Deswegen steht im Gesetz auch "Einigungsmangel". Hier haben wir jedoch eine einseitige Willenserklärung, also keine Einigung.
Nora Mommsen
28.11.2022, 13:01:17
Hallo Juratiopharm, danke für deine Frage und danke Timurso für die Erläuterung. Genauso ist es - liegen zwei sich widersprechende Willenserklärungen vor, stellt dies einen sogenannten Dissens dar. Ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung mehrdeutig bzw. uneindeutig kann dies den
Geschäftswillen entfallen lassen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Artur Schönhals
22.7.2023, 23:42:44
Ich brauche eine Erläuterung. In anderen den anderen Aufgaben (Innerer Tatbestand) wird gesagt; ,, das Vorliegen des
Geschäftswillens ist keine notwendige Voraussetzung für die Annahme einer Willenserklärung.“ Auf der äußeren Seite muss dies aber erkennbar vorliegen ?
Sambajamba10
10.8.2023, 13:09:31
Nein, auch hier ist diese kein notwendiger Bestandteil. Die Willenserklärung ist also erstmal weiterhin wirksam
Sambajamba10
10.8.2023, 13:11:05
Oh nein, ich glaube, dass ich doch falsch liege mit der Aussage
JudgeFudge
9.9.2023, 17:03:21
Richtig, während der subjektive
Geschäftswilleirrelevant ist, ist der objektive natürlich notwendig. Der Grund für die Irrelevanz im Rahmen des subjektiven Tatbestandes ist gerade der Verkehrsschutz, welcher sich auf die Erklärung verlassen können muss, vgl. potentieller Erklärungswille. Wenn jedoch bereits objektiv kein
Geschäftswillezu erkennen ist, ist auch der Verkehr nicht schutzwürdig.
Tim
25.6.2024, 12:13:18
Wäre es möglich, die objektive Erkennbarkeit des
Geschäftswillens durch die Auslegung (§ 133 BGB) anzunehmen, dass dem V durch die mehrdeutige Kündigung eine Wahlmöglichkeit dahingehend eingeräumt wurde, dass sich dieser aussuchen kann, auf welches Rechtsverhältnis sich die Kündigung bezieht. Meines Erachtens ist es M egal, welcher Mietvertrag gekündigt werden soll. Vielen Dank im Voraus!
Stella2244
21.8.2024, 15:41:51
Aufpassen, Sachverhaltsquetsche.